Überraschung: Bürgerrechtlerin wird Kandidatin der Opposition zur Präsidentschaftswahl in Tadschikistan

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Am 9. September 2013, dem Unabhängigkeitstag Tadschikistans, drang die Nachricht an die Öffentlichkeit: Oynihol Bobonazarova wird die gemeinsame Kandidatin der großen Oppositionsparteien bei den Präsidentschaftswahlen am 6. November. Tatsächlich hatten damit nur wenige gerechnet. Eine Frau wird zur Spitzenkandidatin der Vereinigung der Reformkräfte Tadschikistans, zu der sich die zwei größten Oppositionsparteien des Landes zusammengeschlossen haben – die Sozialdemokratische Partei mit ihrem Vorsitzenden Rahmatullo Zoirov und die Partei der Islamischen Wiedergeburt mit Muhiddin Kabiri an der Spitze.Oynihol Bobonazarova

Präsidentschaftskandidatin Oynihol Bobonazarova

Zoirov hatte seine Bereitschaft zur Kandidatur bereits seit Längerem bekundet. Von vielen wird er als der aktivste Oppositionspolitiker wahrgenommen. Dass er aus Usbekistan stammt, wird jedoch von einem Teil der Bevölkerung im heutigen Tadschikistan eher kritisch gesehen. Kabiri, der ebenfalls als Kandidat gehandelt wurde, gilt (vor allem im Westen) als gemäßigter und umsichtiger Politiker. Seine Präsidentschaftskandidatur wäre jedoch voraussichtlich von vielen reformwilligen Bürgern Tadschikistans, die ihn vor allem als Vorsitzenden einer religiösen und regional verankerten Partei wahrnehmen, nicht mitgetragen worden. Die Entscheidung für eine Frau als gemeinsame Kandidatin muss daher durchaus als gelungener Coup der Opposition bezeichnet werden.

Die einflussreichsten Reformkräfte haben sich auf Oynihol Bobonazarova geeinigt, die vor allem wegen ihrer Überparteilichkeit und ihrer Funktion als Wegbereiterin demokratischer Strukturen als Kompromisskandidatin einleuchtet. Als eine der Wegbereiterinnen für die Gründung der Demokratischen Partei Tadschikistans Ende der 1980er Jahre trat sie in den Zeiten von Perestroika und Glasnost öffentlich für ein Mehrparteiensystem und gegen die Aktivitäten des KGB ein. Während des tadschikischen Bürgerkrieges wurde sie wegen versuchtem Putsch und Hochverrat angeklagt und inhaftiert. Erst auf internationalen Druck wurde Oznihol Bobonayarova 1993 nach einem Monat wieder freigelassen. Danach engagierte sich die ausgebildete Juristin für Menschenrechte bei der OSZE und gründete die NGO „Perspektiva +“, die sich um die Rechte von Arbeitsmigranten und Frauen kümmert.

Bisher werden ihr seitens der Kommentatoren keine großen Chancen eingeräumt, die Präsidentschaftswahlen im November zu gewinnen. Allerdings gibt es noch keinen Gegenkandidaten, da der seit 1994 regierende Präsidente Emomali Rahmon bisher seine Kandidatur noch nicht bekanntgegeben hat. Lange Zeit sah es so aus als bewerbe sich überhaupt niemand um das Amt des Staatspräsidenten. Die Gründe für Rahmons Zögern werden durchaus kontrovers diskutiert: „Der Präsident hat seinen Kredit bei der Bevölkerung verspielt! Sein Machtapparat bröckelt! Er hat intern mittlerweile mehr und mächtigere Feinde als Gegner außerhalb! Wenn er noch einmal kandidiert, dann ist es soweit…“  Wie immer in Tadschikistan gibt es nicht viel mehr als Gerüchte und Spekulationen. Allerdings ist zu verzeichnen, dass die Unruhe und Unsicherheit vor den Wahlen diesmal spürbarer ist als 2006.

Im Vorfeld der letzten Präsidentschaftswahl war mit der Zweidrittelmehrheit seiner Partei (Volksdemokratische Partei Tadschikistans) im Parlament das tadschikische Wahlrecht dahingehend abgeändert worden, dass dem damals 54-jährigen die Möglichkeit für zwei weitere Amtszeiten (7 Jahre) eingeräumt wurden. An seiner Kandidatur und Wiederwahl ließ Rahmon 2006 nicht den geringsten Zweifel aufkommen. Die vier damals angetretenen „Gegenkandidaten“ bezeichneten sich in ihren Wahlauftritten als pro-Rahmon und ließen sich in einer hübsch inszenierten Abstimmung mit jeweils 5% der Stimmen abspeisen. Oppositionspolitiker waren gar nicht erst zur „Wahl“ angetreten oder erhielten nicht die nötigen Unterschriften, um sich als Kandidat registrieren zu lassen. Seit damals herrschte in Tadschikistan politischer Stillstand – eine bleierne Zeit. Vor allem bei der Jugend machte sich nach der aufkeimenden Hoffnung zu Beginn der 2000er Jahre, als sich das Land langsam von den Schrecken des Bürgerkrieg zu erholen schien, tiefe Resignation breit. Perspektiven für sich und ihre Familien sahen die meisten nur noch in der Arbeitsmigration oder ganz in Russland.

Daher ist es der Opposition hoch anzurechnen, eine Bürgerrechtlerin und die erste Frau überhaupt zur Präsidentschaftswahl aufzustellen, auch wenn auf einigen Foren Zoirov und Kabiri durch ihre Nicht-Kandidatur ein Einknicken vor dem jetzigen Präsidenten vorgeworfen wird. Oynihol Bobonazarova hat verlauten lassen, dass sie eine Interimspräsidentin sein möchte, die in Tadschikistan grundlegende Reformen zu mehr Demokratie und Rechtstaatlichkeit umsetzen möchte. Sollte sich Emomali Rahmon wieder um das Amt des Präsidenten bewerben, kann er gegen eine Frau nur verlieren – ganz egal ob er im Amt bleibt oder nicht. Chapeau! Oder besser: Ofarin!

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