Auf der Suche nach dem Schwager des Präsidenten

Ene, mene, miste,
es rappelt in der Kiste.
Ene, mene, meck,
und du bist weg?

“Oriyonbonk head alive and in good condition, deputy Oriyonbonk head says”

Gegenwärtig sind in Tadschikistan Verschiebungen der Machtaufteilung zu beobachten, die mit Shakespears Königsdramen konkurrieren. Oder mit lateinamerikanischen Soaps.
Die in Duschanbe ansässige Zeitung Asia-Plus dementiert auf ihrer Internetplattform Gerüchte über einen angeblichen Mord am Direktor der tadschikischen Oriyonbank, Hasan Asadullozoda [Hasan Sadulloev]. In der Meldung bleibt jedoch unerwähnt, dass es sich bei Asadullazoda um den aufstrebenden Schwager des tadschikischen Präsidenten handelt, neben dem Präsidenten eine der einflussreichsten Figuren im Tadschikischen Machtgefüge. Emomali Rahmon ist mit Hasans Schwester verheiratet. Rustam Rahmon, ihr ältester Sohn, soll nun Anfang Mai seinen Onkel Hasan mit einem Kopfschuss getötet haben, was im Dementi von Asia-Plus natürlich auch keine Erwähnung findet. Die Website uzmetronom.com hatte bereits zwei Tage nach dem angeblichen Mord vermeldet, dass Präsident Rahmon keine öffentliche Aufklärung des Geschehens duldet.

Die Meldung im Einzelnen:

15.05.2008 12:29
Author: Asia-Plus

DUSHANBE, May 15, — Umed Davlatzoda, the deputy head of Oriyonbonk, said rumors about the death of the Oriyonbonk head Hasan Asadullozoda [Hasan Sadulloev] were unfounded.

Thank God he is alive, and his business running well, Davlatzoda said in an interview with Radio Liberty’s Tajik Service.

According to him, since the source of report about the alleged death of Asadullozoda was not mentioned, they did not publish a disclaimer.

Speaking in an interview with Asia-Plus, a number of other reliable sources also confirmed that Hasan Asadullozoda is alive and in good condition.

Last week, he attended the reception organized by the Russian Embassy in Dushanbe on occasion of the 63 rd anniversary of the Victory Day and the reception organized by the Azeri embassy in Dushanbe on occasion of jubilee of Geidar Aliyev.

We will recall that in early May, websites Ferghana.ru and Uzmetronom and a number of blogs dedicated to Tajikista released reported that Hasan Asadullozoda was allegedly lethally wounded in Dushanbeon May 2.

orienbank.jpgGerücht oder nicht – soviel ist mittlerweile klar: Es knirscht gewaltig im Gebälk des innersten Machtkreises in Duschanbe. Die kaum überstandene Energiekrise des kältesten Winters seit Jahrzehnten ist kaum vergessen, da erschüttern neue Fälle von Misswirtschaft, Korruption und Bilanzfälschungen die Regierungsclique in Duschanbe. Etwa das kürzlich aufgedeckte Verschwinden von 79 Mio US$ aus dem Topf für Armutsreduzierung des IWF. Mit dabei in diesem schwer durchschaubaren Geflecht an Geldhinterziehung, Selbstbereicherung und machtpolitischen Ambitionen ist/war Hasan Sadulloev, der einigen Beobachtern bis vor kurzem durchaus als möglicher Erbe der Macht Emomali Rahmons erschien. Als Chef der auf den British Virgin Islands registrierten Offshore-Firma CDH-Investments war er auch maßgeblich in das groß angelegte Aluminium-Betrugsgeschäft verstrickt, das seit nunmehr drei Jahren an einem Gericht in London verhandelt wird.

tadaz1.JPG Ursprünglich angestrengt wurde dieses Verfahren 2004 von Präsident Rahmonov gegen Avaz Nazarov, der bis 2004 das Aluminiumwerk in Tursunzoda leitete und seit seiner Absetzung in Großbritannien lebt. Mittlerweile belaufen sich alleine die Anwaltskosten für den Präsidenten auf skandalöse 120 Mio US$ (das entspricht etwa 5% des tadschikischen BIP) [vgl. hierzu die Kommentare auf beyond-the-river “Emomali’s Legal Team”].

Was hat es nun mit dem angeblichen Tod von Hasan Sadulloev auf sich? War er vom vorgesehenen Erben bereits zu einem gefährlichen Rivalen und Gegenspieler geworden? Der rasche Abstieg Hasan Sadulloevs zeichnete sich bereits im April ab, als sein durchaus regierungskritischer Radiosender “Imruz” wegen angeblicher technischer Mängel offiziell abgeschaltet wurde. In der Darstellung von Eurasia Insight vom 09.05.2008 wird auch von weiteren Begehrlichkeiten innerhalb der Präsidentenfamilie gegenüber dem 40-jährigen Großunternehmer berichtet.

Mittlerweile mehren sich Stimmen zu dieser Mordsgeschichte. Natürlich nicht in den offiziellen internationalen oder tadschikischen Nachrichtenkanälen, sondern weiterhin auf der Ebene der von Asia-Plus angesprochenen Blogs. Auf Ferghana.ru sucht man nach der Meldung mittlerweile vergeblich. Der Dank gebührt dem “beyond-the-river” blog, der einen ausgezeichneten Überblick liefert über den Betrugskandal um die staatliche tadschikische Aluminiumproduktion und den “unbestätigten” Mord an einem der dabei Hauptbeteiligten. Übrigens soll Hasan Sadulloev in Deutschland verstorben sein, wohin er nach der Tat zur medizinischen Behandlung ausgeflogen worden sein soll. Ist hier eigentlich eine Stellungnahme der Bundesregierung zu erwarten? Neuerdings meldet nicht nur Asia-Plus Zweifel am Verschwinden von Hasan Sadulloev.

Wir werden hoffentlich sehen, wie die Suche weitergeht.

Der Autor ist der Redaktion bekannt, möchte aber weiterhin ins schöne Tadschikistan reisen und nimmt daher von einer namentlichen Nennung seiner Person Abstand.

Update 1: Gerade veröffentlichte beyond the river einen aus dem Tadschikischen übersetzten Blogpost zum gleichen Thema.

Update 2: Die Gerüchteküche brodelt weiter…zentralasiatische Webseiten und blogs mit Meldungen über den angeblichen, unbestätigten, abgestrittenen Mord an Hasan Sadulloev, einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im heutigen Tadschikistan, verzeichnen Rekordbesucher und bestätigen erneut: Das Gerücht ist die wirksamste Nachrichtenform in der gesamten Region.

Update 3: Ein frischer Beitrag auf Eurasianet lässt weiteren Spekualtionen über einen möglichen Machtkampf in Tadschikistan freien Lauf und stellt eine Liste der potentiell daran beteiligten Akteure vor…

Update 4: Wer mehr zur Aluminiumaffäre wissen will. Hier ein ganz frischer Beitrag

5 Thoughts on “Auf der Suche nach dem Schwager des Präsidenten

  1. Pingback: Wie stabil ist Tadschikistan? Das politische Erbe des Bürgerkrieges und die Machtkämpfe der Eliten | tethys. Central Asia Everyday

  2. Pingback: Tethys

  3. Pingback: “Beyond The River” ends - vorerst? | Tethys. Central Asia Everyday

  4. -- on May 28, 2008 at 20:25 said:

    tja, so ganz klar scheint das bisher nicht und niemandem zu sein. zumindest wenn man die diskussionen im netz zu dieser frage verfolgt. ganz frisch etwa: http://blogistan.asia/2008/05/25/tadschikistans-aluminiumgeschafte/
    zu beginn ging es wohl vorrangig darum (von den falschen) abgezweigte gelder wieder zurückzubekommen.

  5. ++ on May 28, 2008 at 10:06 said:

    Was ist eigentlich der tiefere Sinn dieses Prozesses in UK?
    “Ursprünglich angestrengt wurde dieses Verfahren 2004 von Präsident Rahmonov gegen Avaz Nazarov, der bis 2004 das Aluminiumwerk in Tursunzoda leitete und seit seiner Absetzung in Großbritannien lebt. Mittlerweile belaufen sich alleine die Anwaltskosten für den Präsidenten auf skandalöse 120 Mio US$ (das entspricht etwa 5% des tadschikischen BIP)”
    Geht es dabei Rahmon um die Durchsetzung seiner Macht, bzw. mehr Geld für sich oder ist das ein Kampf gegen Korruption und für mehr Steuereinnahmen?

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