Dieser Beitrag lehnt sich an eine Publikation in der 1. Ausgabe der Zeitung Omuzgor-i javon vom 1. September 2014 – anlässlich des Tags des Buches, der in Tadschikistan immer am 4. September begangen wird. Der einseitige Artikel auf Seite 13 besteht aus einer kurzen biographischen Notiz und einem Gespräch, das M. Chodschaeva mit Zafar-i Dūst führte. Text und Übersetzung, Thomas Loy
Sucht man Zafar-i Dūst in Duschanbe, so findet man ihn von Montag bis Freitag von etwa 10 bis 14 Uhr in seinem “Bücherladen” unter freiem Himmel auf dem Gelände der Pädagogischen Universität. Der Laden besteht aus drei im halbrund unter Platanen angeordneten Bänken vor dem Gebäude der Abteilung für Fremdsprachen. Jeden Vormittag legt Zafar auf zwei dieser Bänke seine Bücher aus. Eine hält er frei – für sich und seine Kunden. Aber nur wenige setzen sich zu ihm. Die meisten seiner studentischen Kunden halten lieber Abstand zu dem hageren alten Herren. “Die besten Freunde des Menschen, nach Gott, dem Propheten und seinen Nachkommen, sind die Bücher” sagt er freundlich verschmitzt. Klar, dass die Studierenden von heute, die er mit Büchern aus zweiter und dritter Hand versorgt, den Alten eher kauzig finden, wie aus einer anderen Welt. Diejenigen, die sich doch zu Zafar setzen sind meist Dozenten oder Rentner, die mit ihm über Literatur reden wollen, über die Vergangenheit oder das Leben im Allgemeinen. Einige von ihnen kommen regelmäßig in den Laden – auf eine Tasse mit Zafar und seinen Büchern.
Zafari Dūst kam am 8. Februar 1944 in Hisor zur Welt. Seine Eltern arbeiteten als Lehrer in der kleinen Stadt, die von 1870 bis 1920 zum Emirat Buchara gehörte und bis zur Gründung Duschanbes im Jahr 1924 neben Kulob die größte städtische Ansiedlung auf dem Gebiet Ostbucharas war, dem heutigen Südtadschikistan. Zafar besuchte in Hisor die Schule und ging anschließend zum Studium der tadschikische Sprache und Literatur nach Duschanbe. Dort arbeitete er parallel zum Studium für den Irfon-Verlag. Nach dem Studium arbeitete er 46 Jahre als Lehrer an verschiedenen Schulen seiner Geburtsstadt. Hisor und ihre Geschichte beschäftigen Zafar-i Dūst seit jeher. Bis heute schreibt und veröffentlicht er Bücher und Artikel über Hisor.
Das Interview
Wie lange schon sind Sie mit dem Verkauf von Büchern beschäftigt?
Ich mache das seit 2003. Damals ging ich in Rente. Aber ich kann nicht zuhause sitzen. Ich flüchte vor allen Problemen des Lebens und komme hierher. Hier ist mein Fluchtort, meine Zuflucht.
Für welche Bücher interessieren sich die Studenten und woher bekommen Sie ihre Bücher?
Ich habe zwei Quellen für Bücher. Zum einen hole ich sie aus den Geschäften. Aber hauptsächlich bekomme ich sie von den Leuten. Ich arbeite mich von Viertel zu Viertel und von Straße zu Straße und sammle dabei die Bücher zusammen. Das heißt ich kaufe sie billig ein. Das ist ja auch eine Art die literarischen und historischen Werke zu retten. Sehen sie, es gibt kein Gas, die Stromversorgung ist rationiert und im Ergebnis werden eben Bücher verbrannt um Essen zu kochen. Oder Händler kaufen die Bücher billig auf um damit das Obst einzuwickeln, das dann nach Russland geliefert wird. Ich bin also eine Arte Retter dieser Werke, indem ich diese zu Lesern gelangen lasse. Ich rette die Bücher also vor den Menschen, bringe sie hierher und biete sie dann günstig zum Kauf. Die Studenten kaufen in erster Linie Unterrichtsbücher. Außerdem, da sie ja jung sind, lieben sie die Poesie. Unsere Jugend steht vor allem auf tadschikische Literatur. Das ist gut. Unsere Literatur ist vielfältig und wertvoll. Russische Literatur wird leider kaum gelesen. Es wäre auch wichtig von der Weltliteratur etwas mitzubekommen. Dafür muss man allerdings Russisch und Englisch verstehen…
Seit einigen Jahren gibt es an unserer Hochschule auch Studierende aus Iran, Afghanistan, Deutschland, Frankreich und Turkmenistan. Wonach suchen denn diese Studenten?
Da Tadschikisch derzeit in vielen Ländern unterrichtet wird und wir Literaten von Weltrang haben, wächst auch das Interesse bei den Ausländern. Die tadschikische Sprache ist ja weit verbreitet. Im Iran sprechen 75 Mio und in Afghanistan 25 Mio Menschen Farsi…in Uzbekistan sprechen etwa 10 Mio Menschen Tadschikisch. Persisch wird heute in vielen Ländern unterrichtet. Man sagt nicht umsonst, dass die Persische Sprache wie Zucker ist. Da sie so schön klingt, wollen alle sie erlernen. Es heißt ja auch, dass die Engel im Himmel Persisch sprechen. Die Ausländer suchen einfachere Bücher. Wörterbücher … Und noch immer sind die Werke Ajnis und Tursunzodas gefragt. Da müssen sich unsere heutigen Schriftsteller schon ein bisschen anstrengen.
Arbeiten auch Schriftsteller mit Ihnen zusammen, um ihre Werke an die Leserschaft zu bringen?
Da der Ort, den ich gewählt habe, die Pädagogische Universität nahe an den Lesern dran ist und die meisten Käufer Studenten sind, sind diese natürlich auch hinter neuen Werken der Schriftsteller her. Wenn diese ihre Bücher zu mir bringen, dann verkaufe ich diese natürlich auch mit größter Freude. Aber neue Bücher kosten heute sehr viel Geld. 20, 25 oder 35 Somoni (30 Somoni entsprechen etwa 5 Euro). Ich denke man müsste Wege finden, Bücher billiger zu machen. Im Jahr 1918 forderte Lenin, dass zuallererst die Werke der Russischen Klassiker zu einem erschwinglichen Preis gedruckt werden. Falls nötig sollten diese Bücher umsonst ans Volk verteilt werden. Aber heute, in unserer kapitalistischen Gesellschaft, sind auch die Produktion und der Verkauf von Büchern ein Geschäft geworden.