Ein Nachtrag zur Parlamentswahl in Tadschikistan
Am 26. März 2010 lud die Friedrich Ebert Stiftung zum “Arbeitsfrühstück” mit Muhiddin Kabiri, dem Vorsitzenden der Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (Hizbi Nahzati Islomi) und einer von zwei Abgeordneten dieser Partei im tadschikischen Parlament. Muhiddin Kabiri informierte die Teilnehmer dieser Gesprächsrunde über die kurz zuvor abgehaltenen Parlamentswahlen und die sich daraus ergebende politische Lage und Perspektive für Tadschikistan.
Die derzeitige Frustration bei Anhängern der Hizbi Nahzati Islomi sei sehr groß. Vor der Wahl, so Kabiri, bestand große Hoffnung in die Parlamentswahlen, da Emomali Rahmon persönlich die Verantwortung für deren demokratischen Ablauf übernommen hatte. Bis Mitte Februar gab es auch von Seiten der Opposition keinerlei Probleme zu vermelden. Dann allerdings sei aufgrund der Analyse der gesellschaftlichen Stimmung im Vorfeld der Wahlen, die vom Wahlkampfstab der Volksdemokratischen Partei Tadschikistans (d.h. der Partei Rahmons) durchgeführt wurde, eine Wende eingetreten. Der Wahlkampf der Oppositionsparteien sei von da an entschieden gestört worden. In Tadschikistan sind neben der Hizbi Nahzati Islomi nur noch die kleine Sozialdemokratische Partei, ein Flügel der seit 2004 gespaltenen Sozialistischen Partei und ein Flügel der 2006 gespaltenen Demokratischen Partei Oppositionsparteien. Alle anderen Parteien bezeichnen sich selbst als Pro-Regierungs-Parteien.
Mit den Aktionen “Säubert die Stadt” – bei der vor allem Plakate der Oppositionsparteien von Putztrupps aus dem Stadtbild entfernt wurden, konnte die Partei Kabiris noch kreativ umgehen. Schwieriger war es dann schon, als jugendliche Wahlkampfhelfer von einer überforderten Polizei vorübergehend festgenommen wurden. Diese Aktion wurde in Duschanbe bekannt als “die Verhaftung der Mäuse”. Einige junge Aktivisten hatten die witzige und äußerst publikumswirksame Idee, verkleidet in Mickey Mouse- und anderen Trickfilmhelden-Kostümen, die sie aus dem Fundus der örtlichen Fotografen ausgeliehen hatten, im Stadtzentrum Duschanbes auf Stimmenfang zu gehen. Auf den dadurch verursachten Rummel waren die auf Ordnung und Ruhe bedachten Sicherheitskräfte nicht vorbereitet. Überfordert vom unerwarteten Spektakel fiel ihnen nicht mehr ein, als die Mickey Mäuse festzunehmen um die Situation wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Ihr Argument: “Im Islam gibt es keine Mickey Mouse”.
Die schwerwiegenden Vorwürfe Kabiris richteten sich dann jedoch vor allem gegen angebliche Manipulationen am Wahltag selbst. Mit den offiziell erzielten 8% der Stimmen zeigt sich seine Partei und deren Anhänger nicht einverstanden. Kabiri geht von bis zu 40% der Stimmen für seine Partei aus. Kabiri hatte auch einige Kopien “gefälschter Wahlprotokolle” im Gepäck, die belegen sollen, dass in einigen Wahlbezirken einfach die ersten Ziffern der abgegebenen Stimmen vertauscht wurden. So habe dann seine Partei besipielsweise anstelle von 980 nur noch 180 Stimmen im Protokoll, während die Partei des Präsidenten anstelle der 150 ausgezählten Stimmen in der Endabrechnung dann 950 bestätigt bekommt. Viele derartige Fälle hätte seine Partei registriert und angemahnt. Allerdings war bisher kein Gericht in Tadschikistan bereit, derartige Klagen anzunehmen und ein Verfahren dahingehend zu eröffnen.
Um Ruhe zu bewahren, sei er selbst nach der Wahl für ein zwei Tage abgetaucht. Um die aufgebrachte Stimmung und die hochkochenden Emotionen vor allem der jungen Anhänger zu beruhigen, habe er dann eine Rede gehalten, mit dem vorrangigen Ziel keinen öffentlichen Protest zuzulassen.
Allerdings wolle die Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW) von nun an eine härtere Gangart in der Oppositionsarbeit anschlagen als bisher und fortan auch öffentlich die mangelnde Regierungsarbeit kritisieren. Die Partei hat aus Protest den sogenannten “Gesellschaftsrat” verlassen – eine offizielle Plattform für den Dialog zwischen Regierung und Zivilgesellschaft. Um dennoch einen Kanal für Gespräche mit der Regierung offen zu halten werde jedoch die Parlamentsarbeit mit zwei Sitzen für die PIW fortgesetzt. Dass dieses Vorhaben durchaus Risiken birgt weiß Muhiddin Kabiri. Repressionen von staatlicher Seite – wie etwa gegen die Demokratische Partei Tadschikistans, deren Führer Muhammadruzi Iskandarov vor den Präsidentschaftswahlen 2006 zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt wurde – fürchte er schon.
Aber auch der deutschen Seite hatte Muhiddin Kabiri durchaus kritisches mitzuteilen. Als ein generelles Problem werte er die “Unverständlichkeit der diplomatischen Sprache”. Klar, einfach und konkret müsse die Haltung der westlichen Regierungen gegenüber den Machthabern Zentralasiens formuliert werden, damit alle – Regierungen und Volk – verstehen, welche Position Deutschland (gleiches gilt auch für die anderen westlichen Staaten) in dieser Region einnimmt. Wenn das nur so einfach wäre. Stellt sich doch dann sogleich die Frage, ob es denn diese klar formulierbare Position überhaupt gibt. Und ob eines der lauthals verkündeten Ziele, nämlich “Demokratisierung”, überhaupt ernst gemeint ist.
Eines jedenfalls stellte Muhiddin Kabiri beim Arbeitsfrühstuck auf bestechend klare Weise fest: Seiner Meinung nach ist “der Westen” (noch) gar nicht bereit, Demokratisierungsprozesse der islamischen Gesellschaften auch als solche anzuerkennen. Da vertraut man schon lieber den “starken Männern” und ihren “Präsidialdemokratien”.
Laut der Selbstdarstellung auf der Webseite der Partei ist Muhiddin Kabiri 1965 in der Nähe von Fajzobod in Zentraltadschikistan (im Dorf Kasamdara) geboren und studierte nach Schulabschluss Orientalistik in Duschanbe und im Jemen. Religiöse Unterweisung erhielt er bereits als Jugendlicher, unter anderem von Muhammadsharif Himmatzoda, dem Anfang März verstorbenen geistigen Führer der PIW. Er leitete die Studentenzirkel der Partei und gehört zu deren Gründungsmitgliedern. In den 1990er Jahren vertrat er die Interessen der Partei der Islamischen Wiedergeburt in Moskau. Seit 1996 besitzt er einen Abschluss der Diplomatischen Akademie dieser Stadt (Dipakademiia MID RF). Auf Einladung Sayyid Abdullah Nuris kehrte Kabiri 1997 – nach dem Friedensschluss – zurück nach Tadschikistan und wurde 1999 zum Stellvertreter, später zum ersten Stellvertreter des damaligen Parteichefs gewählt. Muhiddin Kabiri leitet auch das Zentrum “Dialog” der Partei der Islamischen Wiedergeburt. Seit Nuris Tod im Jahr 2006 ist Muhiddin Kabiri Vorsitzender der PIW. Hier kann man seine Rede am 14. Februar vor Mitgliedern der Hizbi Nahzati Islomi in Duschanbe anschauen.
Eine Homestory mit dem begeisterten Angler, Tennisspieler und Fußballfan war im Juli 2008 in “VIP zone”, dem Hochglanzmagazin von Asia Plus zu lesen. Der Titel des Beitrags lautete “Muhiddin Kabiri – der reichste Abgeordnete im Tadschikischen Parlament…” – Aber erst der leicht zu überlesende Untertitel machte dieses Kurzportrait des Politikers und Geschäftsmannes Kabiri rund “…laut Steuererklärung”! Muhiddin Kabiri ist verheiratet. Er ist Vater von fünf Söhnen und einer Tochter.
In einer kurzen Selbstdarstellung in “Vip zone” sagt er, dass es sein Traum als Politiker sei, “dass Tadschikistan aufhört ein armer und korrumpierter Staat zu sein – ich möchte, dass wir dem Heute und Morgen mehr Aufmerksamkeit widmen und wir uns nicht damit begnügen, historisch ein Teil der Arischen Zivilisation zu sein. Ja, es gibt die Geschichte, aber was soll man mit ihr? Wen interessiert denn unsere Vergangenheit, wenn wir keine Gegenwart und Zukunft haben? Als Vater möchte ich meine Kinder so erziehen, wie mich meine Eltern erzogen haben. Aber ich habe schon viel Zeit verloren, und die Kinder sind schon nicht mehr ganz klein. Ich habe sehr viel Zeit in die Erziehung der Gesellschaft investiert und so zu wenig Zeit für meine eigenen Kinder gehabt.”
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