… und dann zersplittern beide unter lautem Gelächter!


Ein Beitrag von Michael Angermann

Am frühen Morgen sieht Mann sie das erste Mal auf der Straße, in Rot und Orange trägt Frau sie durch Chorog, der Hauptstadt der Autonomen Region Berg-Badachschan im Osten Tadschikistans. Schnell tuschelt sich die Neuigkeit durch den kleinstädtischen Sommermorgen: chinesische Händler sind gekommen. In großer Anzahl setzen sich Menschenmassen in Bewegung und überqueren die Gunt, die nur wenige Kilometer flussabwärts in den afghanisch-tadschikischen Grenzfluss Pjandsch mündet, um sich dann auf einem abenteuerlichen Pfad zum Gelände eines ehemaligen LKW-Hofs hinaufzuwinden. Ein orange-rotes Farbenmeer quillt ihnen entgegen.

Chinesischer Markt in Chorog

In zu 4-er Gruppen aus chinesischer Feder aufgereihten Buchstaben thront es auf der Hallenruine beim Eintritt auf das Marktgelände: “Diev erst ärku ngde rfre unds chha ftli chen bezi ehun gen, dief örder ungd erzu samm enar beit undd erge samt entw ickl ung”. Daneben haben sich zwei zügig angereiste Lada Nivas als exchange office positioniert, die durch Wechselkursschilder auf der Motorhaube imponieren.

Wechselstuben und Verkaufs-LKW

 

Menschentrauben umringen die chinesischen Lastwagen, die die rund 600 Kilometer lange Strecke aus der in der VR China gelegenen Stadt Kaschgar über die mehr als 4000 Meter hohen Pamirgebirgspässe gemeistert haben. Jetzt ruhen die Stahlrösser, haben ihre Ladeluken geöffnet aus denen heraus Waren feilgeboten werden. Kisten mit je “960 täglich frischen Eiern”, die wegen ihrer ewigen Frische kein Legedatum tragen, wechseln die Besitzer. Auch Motorräder werden bestaunt, doch solvente Kunden finden sich kaum.

Motorrad- und Frischeihändler

Stattdessen interessieren die nicht gerade robust wirkenden neuen chinesischen Kleinbusse, die im wenig Verdienstmöglichkeiten bietenden Pamir eine Grundlage für 1-Mann-Sammeltaxiunternehmen bieten. In der Hauptstadt Duschanbe brausen bereits über 5000 dieser “Tangem” durch die Straßen und konkurrieren um Passagiere. “Tangem” wurden vom Volksmund benannt nach einem schönen aber gebrechlichen Mädchen aus einer ebenfalls importierten koreanischen Fernsehserie.

Tangemwerbung und Tangem nach Steinbefall

Nun ist Chorog an der Reihe, für rund 3800 Euro kann der fragile Traum vom eigenen biznes wahr werden. Noch vor drei Jahren konnten die ersten Käufer das gleiche Modell für 2000 Euro kaufen, doch jetzt wo der Markt erobert ist, werden kräftige Gewinne eingefahren. Hinter dem Lastwagen mit den Motorrädern campieren an den Schlafbussen die uigurischen Fahrer und trinken Tee. Ihre Aufgabe ist nach der Fahrt vorerst erledigt, das Geschäft machen bis auf eine Ausnahme ethnische Han-Chinesen.

Schlafbus und Geschäftigkeit

Neben den Lastwagen mit Motorrädern, Eiern, Teekannen, Reis, Kleinbussen und Plastikbehältern schimmert im Dunst der Schaschlikbrätereien das spärliche Aufgebot der einheimischen Produzenten, immerhin ist die Veranstaltung als “Tadschikisch-Chinesische Freundschaftswarenmesse” deklariert. Dort präsentiert sich die Heilkräuterfirma “Pamir” auf einem kleinen Tisch und bietet verschiedene Kräuter, Salben und ein Hagebuttengetränk zum Kauf.

Schaschlik- und Heilkräuterstand

Das Gros der Käuferinnen hat es jedoch auf den chinesischen Lastwagen mit den Plastikbehältern abgesehen, der von einem wendigen uigurischen Marktschreier geführt wird. Dieser preist lauthals seine Eimer und Schüsseln an und demonstriert bühnengerecht für die gesamte Käuferschaft die Qualitätseigenschaften. Doch was als Happy End geplant ist, endet als Tragikkomödie. Bei der Zusammenführung einer roten und einer orangenen Schüssel prallen diese aufeinander und dann zersplittern beide unter lautem Gelächter!

Uigurischer Haushaltwarenstand

 

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