Seit ein paar Monaten wuselte es in der Region Berg-Badachschan und im Besonderen in der beschaulichen Gebietshauptstadt Chorog. Investitionsprojekte zum 20. Geburtstag der Republik Tadschikistan wurden aus dem Boden gestampft, die bis zum Unabhängigkeitstag am 9. September 2011 abgeschlossen sein müssen. Besser gesagt hätten sie bis zum 16. August, dem Tag des Präsidentenbesuchs, fertig sein sollen.
Zu den generösen Präsidentengeschenken ans Volk zählen die Präsidentenschule, ein Wohnheim und auch die Grenzbrücke zu Afghanistan in Vandsch. Dass diese jedoch ausschließlich mit internationalen Geldern finanziert wurde, blieb allerdings unerwähnt.
Mitte Juli rollten in Chorog die Asphaltmaschinen des Exekutivkomitees des Präsidenten aus Duschanbe an, die an ausgewählten Standorten zwischen den Investitionsobjekten zur Freude der Fahrzeughalter kosmetisch die Asphaltdecke glätteten. Dann versagte das Asphaltwerk und die Arbeiten schliefen ein. Eine Woche vor dem Besuch bekamen die Anwohner an den vom Präsidenten zu passierenden Hauptstraßen die Anordnung, ihre Häuser mit Farbe zu benetzen. Gesagt, getan und schon schnellten die Farbpreise auf dem Basar in die Höhe. Bald darauf waren sie ausverkauft. Alle großen Werbeplakate wurden abgenommen und mit Bildmaterial des Präsidenten ersetzt. Eine Unmenge von Banderolen tauchte an den Straßenrändern auf, die die zwanzigjährige Unabhängigkeit Tadschikistans und die damit einhergehenden Erfolge und natürlich auch die präsidialen Geschenke ans Volk ins rechte Licht setzte.
Eine Woche vor dessen angekündigten Besuch wurde klar, dass der Zeitplan so nicht einzuhalten ist. Das größte Investitionsprojekt der Stadt, die neue Präsidentenschule, bedurfte erheblicher Mehranstrengungen, um eine Fertigstellung zu gewährleisten. Aus allen Landkreisen und Verwaltungen der GBAO wurden Staatsbedienstete zur praktischen Arbeit abkommandiert. Da fuhren Verwaltungsleiter mit ihren Dienstfahrzeugen Baumaterialien durch die Stadt, Buchhalter verputzten Wände und eine Abteilung des kardiologischen Krankenhauses begrünte den Garten. Es ging voran rund um die Uhr. Ein Problem stellte noch die Ausstattung der Schule dar, insbesondere deren Bibliothek. Damit sich die Regale füllten, war die Universität Zentralasiens auf eindringliche Nachfrage so freundlich und entsandte ihre komplette englischsprachige Bibliothek an die neue Schule.
Der große Tag des Besuches rückte näher, Blumentöpfe wurden aus den Häusern auf den Straßen platziert wie ein prunkloses Blumenmeer auf Asphalt. Auf dem Hausberg wurde die tadschikische Fahne gehisst. Mit Winkelementen ausgestattete Kindergruppen wurden aufgestellt, die Verwaltungsangestellten daneben, ein wahrer Festtag. Der Präsident fuhr im offenen Wagen vorbei und grüßte die Massen, eröffnete im Zehn-Minuten-Takt die Investitionsprojekte und flog weiter. Die Verwaltungsangestellten und die englischsprachigen Bücher fuhren wieder an ihren angestammten Platz zurück und die Menschen trugen ihre Blumentöpfe wieder nach Hause.
Der Unabhängigkeitstag rückte näher. Jetzt setzte jeden Abend im Dunkeln der Gesang von 500 jungen Männern auf dem zentralen Versammlungsplatz ein, aus den Lautsprechern dröhnte Marschmusik – die Militärparade wurde geprobt. Die Studenten, die am 1. September ihren Studienplatz einnehmen wollten, jäteten und hakten die ersten zwei Tage den besagten Versammlungsplatz. Die Verwaltungsangestellten malten Plakate und bauten chinesische Kleinlaster in Paradefahrzeuge um. Die Feierlichkeiten wurden zwei Tage vorverlegt, so dass am 9. September alle relevanten Persönlichkeiten an der Zentralparade in Duschanbe teilnehmen konnten. Die Parade aller Institutionen wurde abgenommen und mit einem Konzert mit Feuerwerk neigte sich der Zauber der letzten Monate dem Ende.