Abriss Duschanbe

Ein Beitrag von Wladimir Sgibnev

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Auch die sowjetische Moderne ist Teil der Architekturgeschichte Tadschikistans. Photo:Wladimir Sgibnev, 2007.

Abrissbirnen bedrohen Architekturdenkmäler in Duschanbe. Entlang des Rudaki-Prospekt “der Prachtmeile, die Duschanbe von Nord nach Süd durchzieht“ und entlang des Ajni-Prospekts “der Ost-West-Magistrale, die den Flughafen an die Stadt anbindet“ sollen zahlreiche Häuser abgerissen werden, um Neubauten Platz zu machen. Damit soll das Erscheinungsbild der Hauptstadt aufgewertet werden, so die Planer. Im Amtsjargon heißen die beiden genannten Magistralen “Protokoll-Trassen”, weil ihr Zweck nicht im Verkehrsbedürfnis der Einwohner zu liegen scheint, sondern im repräsentativen Transport des Staatspräsidenten, seiner Entourage und seiner Gäste zu den wichtigsten Einrichtungen und dem Flughafen.

Als erstes sollen kleinere Geschäftsgebäude den Abrissbirnen zum Opfer fallen, wie etwa die unter Expats bekannte Diskothek Port Said sowie zahlreiche Wohnhäuser im Nordteil des Rudaki-Proskpekts. Aber auch einzigartige Architekturdenkmäler wie die Hauptpost und der gegenüberliegende Kinosaal Koh-i Jomi sollen abgerissen werden, ebenso wie das Landwirtschaftsministerium gegenüber dem Somoni-Denkmal und die “Safina”-Fernsehstudios neben der Firdausi-Bibliothek (link). Dabei ist z.B. die Hauptpost, erbaut 1933-1935, eines der seltenen Beispiele konstruktivistischer Architektur in Zentralasien.

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Die Hauptpost von Duschanbe 2005, Photo: http://photo.mail.tj/displayimage.php?album=24&pos=20

Insgesamt steht das Zentrum der tadschikischen Hauptstadt für ein sehr interessantes Kapitel sowjetischer Architekturgeschichte: über Generationen wurde die Stadt von Architekten aus Leningrad geprägt, den Grundstein dafür legte der erste Bebauungsplan von 1930 aus der Feder des Leningrader GIPROGOR-Instituts. Danach kamen aus ganz unterschiedlichen Gründen zahlreiche Leningrader Architekten nach Tadschikistan: Vaulin, Anisimov, Kutin und Veselovski prägten Generationen tadschikischer Architekten und ganz unmittelbar auch das Bild tadschikischer Städte, etwa durch die starke Anlehnung an den Sankt-Petersburger Klassizismus in ihren Projekten der 1940er-1950er Jahre.

Nur vier Gebäude im Stadtzentrum besitzen offiziell einen Denkmal-Status: der alte Präsidentenpalast, das Parlamentsgebäude, die Firdausi-Bibliothek und das Opernhaus. So herausragende Gebäude wie die Akademie der Wissenschaften, das Lohuti- und das Majakowski-Theater, das schneeweiße Wohnhaus Rudaki Nr. 35 im stalinschen Zuckerbäckerstil, das Haus der Politischen Bildung “das heutige Koh-i Vahdat“ und viele andere mehr sind in ihrem Erhalt gefährdet.

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Schmuckfassade des Hauses Nr. 35 am Rudaki-Prospekt. Photo: Wladimir Sgibnev, 2007.

An Stelle der Abrisskandidaten sollen “multifunktionale Wohnhäuser” errichtet werden, so der Pressesprecher der Stadt. Wenn darunter das zu verstehen ist, was in den letzten Jahren im Zentrum von Duschanbe aus dem Boden gestampft wurde, dann kann man sich gefasst machen auf Quadratkilometer Pfusch am Bau im “Eurasischen Stil”, wie etwa das Juni 2009 eröffnete Wohn- und Bürohaus “Pojtacht” des Staatsarchitekten Bahovajon Zuhuritdinov am Rudaki-Prospekt oder das gleichnamige Shopping-Center an der Tursunzodastraße.

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Shopping-Center “Pojtacht”, Dushanbe. Photo: Wladimir Sgibnev, 2009.

Die Hochhäuser werfen aber nicht nur ästhetische Probleme auf: zum einen sind die Versorgungsnetze nicht darauf ausgelegt, eine dichtere Bebauung als heute mit Strom und Wasser zu versorgen. Bereits jetzt sind Strom- und Wasserausfälle alltäglich, mit den neuen Hochhäusern könnten sich diese Probleme noch verschärfen. Zum anderen gibt es ein statisches Problem: die Böden im Zentrum von Duschanbe sind sehr weich und instabil. Daher haben sowjetische Stadtplaner darauf verzichtet, dort vermehrt Hochhäuser zu errichten und stattdessen Gebiete an der gegenüberliegenden Flussseite, beziehungsweise perspektivisch das Nordufer des Kofarnihon dafür ausgewiesen. Um Planungskosten zu sparen, entstehen im Stadtzentrum bereits Gebäude, die nichts anderes sind als sowjetische Standardprojekte für zwölfgeschossige Wohnhäuser, wenn auch mit aufgehübschten Fassaden und Sockelgeschossen. Nur entstehen sie nicht auf den Böden, für die sie ausgelegt wurden. Durch die erhöhte Gefahr von Bodenabsenkung sind die neuen Hochhäuser im Zentrum von Duschanbe damit alles andere als erdbebensicher.

Ein weiteres Fragezeichen ist der wirtschaftliche Sinn der neuen Gebäude. Neben den Neubauten entlang des Rudaki- und Ajni-Prospekts entstehen weitere “elitäre” Projekte, wie etwa das von Qatar finanzierte “Dior-i Duschanbe” in Nähe des Hyatt-Hotels. Damit entsteht ein Überangebot an Wohnungen im Hochpreis-Segment, deutlich über 1000 US-$ pro Quadratmeter. Viele in Tadschikistan werden sich diese Preise nicht leisten können, der Verdacht der Geldwäsche liegt hier nicht fern. Gleichzeitig steigt der Druck auf dem “nicht-elitären” Wohnungsmarkt. Dieses Problem wurde bereits in der Entwurfsphase des aktuellen Bebauungsplans 2008 angesprochen, fand aber offensichtlich keine Reaktion bei der Entscheidung.

Die umgesiedelten Familien sollen eine angemessene Entschädigung oder eine Ersatzwohnung erhalten, beteuert die Stadtverwaltung. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt aber, dass es für die Bewohner in der Realität sehr problematisch ist, die eigenen Ansprüche gegenüber der Staatsmacht durchzusetzen (link).

Angesichts der massiven Abrisskampagnen in Taschkent, Aschgabat (dazu auch ein sehr lesenswertes Buch), oder der aktuell im Zusammenhang mit dem Eurovision Song Contest bekannt gewordenen Vertreibungen in Aserbaidschan erscheinen die Abrisspläne in Duschanbe noch moderat. Jedoch wurde bereits für den Bau des neuen Präsidentenpalastes ein Wohnviertel von zwei Quadratkilometern dem Erdboden gleich gemacht, darunter die einzige Synagoge des Landes.

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Abriss von Wohnhäusern für die Gartenanlagen des Präsidentenpalastes (im Hintergrund), Duschanbe. Photo: Wladimir Sgibnev, 2007.

Uneingeschränkter Repräsentationsdrang wurde auch hier als notwendige Modernisierung verkauft und auf dem Rücken der Bewohner ausgetragen. Es bleibt zu befürchten, dass die rücksichtslose Durchsetzung des Bebauungsplans zur weiteren Zerstörung von Architekturdenkmälern und Familienexistenzen führen wird.

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