Die Ampel des Pamir

Irgendwo am Rande dieser Welt, im Herzen Asiens gibt es eine Ampel. Für die einen ist sie einfach nur ein Verkehrszeichen auf 2010m Meereshöhe in Chorog, der tadschikischen Hauptstadt des Pamirs, für den anderen ein Drehkreuz der besonderen Art.

Ampel vor Tangem

Ampel vor Tangem

Jeder farbenfrohe Plastebeutel oder geschmackvolle Synthetikmantel, der aus China in die tadschikische Hauptstadt Duschanbe möchte, muss über diese Ampelkreuzung. Auch jedes Kilo edler Handelsware aus Afghanistan, das über die Pamirautobahn nach Osch in Kirgisien will, um von dort weiter nach Russland und Europa zu reisen, passiert diese Ampel. Ganz zu schweigen von den Bewohnern Chorogs, die gestapelt und mit Tüten bepackt in Tangems (Kleinstbusse chinesischer Bauart) der Route “1” oder “3” vom Basar nach Hause fahren.

Jeder muss sie überqueren. Grund genug für die Wegelagerer genau hier zuzuschlagen. Man sieht sie sonst nie auf dem riesigen Territorium des Autonomen Gebietes Berg-Badachschan, aber an DER Ampel des Pamirs lauern die Verkehrspolizisten auf Beute. Am Vorabend des 100. Internationalen Frauentages steht unter der Ampel ein Rudel von zehn wackeren Knaben, die nur ein Problem haben: ihre eigenen Verwandten, denen sie außer einem warmen Gruß nichts abknöpfen können. Etwas unglücklicher sind die Auswärtigen dran, die bereits aus einem Reflex heraus rechts ranfahren, um ihren Wegzoll zu entrichten.

10 wackere Wegelagerer

10 wackere Wegelagerer

Die Ampel, das muss der Autor eingestehen, hat seit dem Ende Sowjetunion eigentlich nie funktioniert. Nur an besonderen Feiertagen, wie den recht seltenen Präsidentenbesuchen, wurde sie in Betrieb genommen. Aber da war sie immer. Selbst das Lenindenkmal musste letzten Sommer vom Zentralplatz an die Peripherie Chorogs wandern. Seit einer Woche aber leuchtet die Ampel täglich.

Ampel vor Bergpanorama

Ampel vor Bergpanorama

Im dichten Schneegestöber wurden neue Löcher ausgehoben und eine niegelnagelneue LED-Ampelanlage installiert. Seit drei Tagen strahlt sie nun Autofahrer und Passanten an. Letztere ignorieren jedoch den Farbdreiklang noch vollkommen. Das wiederum beunruhigt niemanden. Am wenigsten die Verkehrspolizei, die ihrer harten Arbeit am Volk nachkommen muss. Die Zuschauer des russischen Fernsehens kennen zwar nicht die Verkehrspolizisten, aber die Ampel in Chorog kennen viele. Ist doch sogar schon einem Mitspieler der russischen Version von “Wer wird Millionär” durch Nichtbeantworten der Frage nach der einzigen autonomen Gebietshauptstadt der ehemaligen Sowjetunion mit nur einer Ampel, eine Million Rubel flöten gegangen.

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