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Seit fünf Tagen ist nun facebook in Tadschikistan gesperrt. Den meisten Menschen im Land dürfte das wohl herzlich egal sein – haben viele doch keinen Bezug, geschweige denn Zugang zum Internet. Doch wie reagieren die vielen, vor allem jungen urbanen facebook-user? Klar, dass sie mit der Entscheidung der Regierung nicht einverstanden sind. Aber wie auch in allen anderen Fällen, in denen in Tadschikistan Seiten vom www abgeklemmt wurden, nehmen sie auch diesmal einfach den Umweg über einen Proxy, um weiter über die Plattform ihre Ideen, Ansichten und Befindlichkeiten mitzuteilen und sich mit Freunden im In- und Ausland auszutauschen.
Natürlich wird facebook auch als politisches und das heißt im Fall Tadschikistan regierungskritisches Medium benutzt. Vor allem von den wenigen im Ausland übrig gebliebenen Oppositionellen. In vielen Diskussionsbeiträgen und posts wird das “System” und die Person Rahmon kritisch hinterfragt, beschuldigt und attackiert – oder scheinbar noch schlimmer aus Sicht der Regierung – vom Volk verlacht. Diese unkontrollierten “Angriffe” werden von den Regierenden als ungebührend, beleidigend und potentiell gefährlich wahrgenommen. Denn was die staatliche Macht nicht kontrollieren kann, das soll, kann und darf nicht sein und muss nach dieser in den zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion weit verbreiteten Staatslogik entweder umgehend kontrolliert oder ab- und ausgeschaltet werden.
Dass sich die Herrschenden dadurch in der Regel vor aller Welt lächerlich machen – sofern diese Welt überhaupt auf Zentralasien schaut – beweist auch dieses Mal wieder der Direktor für Kommunikationangelegenheiten Beg Zuhurov. In einem vorgetäuschten und auf youtube veröffentlichten skype-Interview mit einem selbsternannten Übersetzer von Mark Zuckerberg gibt er sich gänzlich der Lächerlichkeit preis. Und sofort ist das Netz voll von Kommentaren zu diesem offenbarenden Telefonscherz. Etwa dieser:
“Ich hätte nie gedacht, dass ein Regierungsbeamter, der ein derart hohes öffentliches Amt bekleidet, nur sprechen kann wie ein 10-jähriger Junge, der auf dem Markt Tüten verkauft. Die Tatsache, dass Beg (Zuhurov) ein Clown ist – versteht jeder. Aber wie kann eine Person, die nicht sprechen kann, und seine eigene Dummheit nicht verstecken kann, in eine leitende Regierungsposition gelangen? Er ist eine Schande, nicht nur für sich selbst, sondern für die ganze Regierung von Tadschikistan. Für die Regierung – das heißt für das ganze Land!”
Über eben jenen Beg Zuhurov kursierten auch schon Witze während der Krise im Pamir diesen Sommer. Hatte dieser nach einer Prüfung warum der gesamte tadschikische Pamir vom Internet abgeschnitten sei, doch herausgefunden, dass ein ungewollter Querschläger “das Internethauptkabel” getroffen habe. In der aktuellen Facebook-Affaire bemühte er nun den Willen des leidgeplagten tadschikischen Volkes, welches nicht weiter bereit sei, die auf facebook verbreiteten Schmähungen gegen das Land und den Staat zu dulden. Er habe auch schon mit einem Dolmetscher Zuckerbergs telefoniert…
Auch Emomali Rahmon wird in den Scherzattacken nicht außen vor gelassen: Mit “Faizbook who?” wird er allerorten zitiert. Bereits im Frühjahr diesen Jahres machte sich der Präsident selbst zur Zielscheibe für Spott. Da nämlich verbot er den neuen Film von Sasha “Ex-Borat” Baron Cohen. “The Dictator” wurde gleich in mehreren Ländern Zentralasiens verboten. In Tadschikistan, Turkmenistan und Kasachstan durfte der Film nicht gezeigt werden. In Tadschikistan wurde keine Lizenz für den Film erteilt, da er laut offizieller Verlautbarung “den ethischen und moralischen Werten unseres Volkes nicht entspricht”.
Ein Kommentar, wie das Verbot in Tadschikistan aufgenommen wurde – “Diktator” wurde durch die staatliche Intervention angeblich zur meist nachgefragten DVD in diesem Jahr – ist auf dem blog Der Eselreiter auf Russisch nachzulesen: Der Film hätte ohne das präsidiale Verbot in Tadschikistan kaum jemanden interessiert – doch jetzt sähen mit einem Mal alle die Parallelen zwischen fiktiver Filmfigur und täglicher Realität in Zentralasien.
Den sehenswerten Trailer zum Film und einen Kommentar auf Englisch gibt es hier
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