Der Dieb des Lichts – der neue Film von Aktan Arym Kubat
vorab gesehen von Wladimir Sgibnev
Strom lässt Glühbirnen und Fernseher leuchten, auch in den Bergen Kirgistans. Strom ist aber auch der Rohstoff für Geschichten an langen Abenden, für heiße Teekessel, für die moderne Zeit schlechthin. Dabei ist zwanzig Jahre nach dem Ende der Sowjetunion nicht nur das Stromnetz marode, auch das soziale Netz ist brüchig geworden. Die Zeiten sind rauer und die Strompreise unbezahlbar. Der Elektriker, von den Dorfbewohnern liebevoll “Svet-Ake” genannt, “Herr Licht”, kann zwar nichts grundlegend gegen die neue Zeit ausrichten, aber den Stromzähler kann er schon mal rückwärts laufen lassen. So wie das russische Wort svet, das nicht nur “Licht” heißt, sondern auch “Strom”, so ist auch die Hauptfigur, gespielt von Regisseur Aktan Arym Kubat selbst, für beides zuständig. Er klettert auf Strommasten und stochert in Trafo-Häuschen, gleichzeitig hält er mit einem freundlichen Wort und einem guten Rat die Dorfgemeinschaft zusammen und bringt, in allen Facetten des Wortes, Licht in ihr Leben.
Und auch Herr Licht hat Träume: der Wind, der ständig durchs Dorf fegt, soll den Menschen in Zukunft Strom bringen. Dafür hat er ein Windrad konstruiert und Pläne für einen ganzen Windpark auf der anderen Seite des Flusses hat er auch schon in der Schublade. Doch selbst seine Frau hält ihn für einen Schwärmer. Auch die (vor allem im Westen bejubelte) Tulpenrevolution von 2005, die die politische Rahmenhandlung des Films bildet, bringt weder die Glühbirnen auf dem Dorf zum Leuchten, noch bringt sie die Menschen zueinander. Die politischen Ereignisse der Hauptstadt berühren das harte Leben auf dem Land kaum.
Aber sie spülen einen windigen kirgisischen Geschäftsmann ins Dorf am Fuß der Alatau-Berge, Bekzat, der gerne Abgeordneter des nationalen Parlaments werden will. Er verspricht Herrn Licht, bei der Realisierung des Windkraftprojekts zu helfen, im Gegenzug verlangt er dafür die Unterstützung seiner Kandidatur. Als Bekzat chinesische Investoren ins Dorf holt, kommen dem Elektriker Zweifel. Da er keinesfalls seine Traditionen den ach so verheißungsvollen Investitionen opfern will, gerät er in Konflikt mit den Mächtigen und zieht dabei wie so oft den Kürzeren.
“Der Dieb des Lichts” ist ein unterhaltsamer, um Authentizität bemühter Film, mit Charakteren, die der Zuschauer gern ins Herz schließt. Aktan Arym Kubat schafft es, die Alltagsprobleme, mit denen die Menschen im ländlichen Kirgistan zu kämpfen haben von Ausbeutung bis Arbeitsmigration darzustellen und es gelingt ihm Alternativen aufzuzeigen. Das ist für Kirgistan durchaus bemerkenswert, vor allem angesichts der beiden Revolutionen 2005 und 2010, die so hoffnungsvoll begannen und dann so schnell im Sande verliefen. Dieser filmische Rundumschlag zeigt aber zugleich die Grenzen des Films auf: die Erzählstränge sind in erster Linie schöne Anekdoten und lassen die erzählerische Verbindung an mancher Stelle vermissen. Und die titelgebende Figur des Svet-Ake wird zu einer Licht-Gestalt erhoben, die alles gleichzeitig sein soll – fröhlicher, mittrinkender Tröster, engagierter Helfer, erfinderischer Handwerker, romantischer Träumer, liebender Familienvater, Verteidiger der Moral, schließlich sogar Märtyrer. Aktan Arym Kubat (der neben der Regie auch für das Drehbuch verantwortlich war) hätte sich diese Rolle des Heiligen nicht unbedingt anmaßen brauchen. Trotz dieser Einschränkung ist “Der Dieb des Lichts” ein eindeutig sehenswerter Film, nicht nur für Zentralasien- und Windkraft-Fans.
Dass der Film durchaus vor internationalem Publikum bestehen kann, hat er bereits bewiesen. Aktan Arym Kubat hat mit “Der Dieb des Lichts” unter anderem, den Großen Preis der Jury beim Filmfestival von Amiens gewonnen sowie den Publikumspreis des Filmfestivals Cottbus. Am 14. April kommt er in die deutschen Kinos.
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