Kalamfur und Sowjetstern – Ein Nachruf auf den tadschikischen Maler Mirzorahmat Olimov

Ein Beitrag von Caroline Bunge – die Bilder sind aus dem Familienbesitz der Olimovs, bei denen sich die Autorin an dieser Stelle noch einmal herzlich für die freundliche Zusammenarbeit bedankt.

[inspic=610,,,0]
In der Rudakistrasse, die im Stalinschen Stil gebaute Allee und die Prachtstraße Duschanbes schlechthin, befindet sich neben vielen anderen repräsentativen Gebäuden auch das größte Teehaus der Stadt, das Rohat. Dort gibt es die traditionellen Speisen des Landes zu essen und an warmen Tagen kann man im schattigen Hof am Springbrunnen sitzen. Vor allem aber können die Gäste eine riesige Deckenmalerei im Festsaal des Rohat bestaunen, die in den 60er Jahren von Mirzorahmat Olimov, einem der wichtigsten Künstler Tadschikistans, geschaffen wurde. Es handelt sich um eine Kassettendecke, die aus sich kreuzenden Rippen und Balken, abschnittweise sehr kleinteilig und in regelmäßiger Anordnung aus kastenförmigen Vertiefungen besteht.

[inspic=602,left,,290]

[inspic=603,right,,290]
Nicht nur der Festsaal, sondern auch die Decke der oberen Etage des Teehauses ist mit einer Vielzahl von Bildern verziert, die Olimov zusammen mit seinen Studenten der Kunsthochschule in Duschanbe gemalt hat. In all diesen Arbeiten kann man bei genauem Betrachten eine Kombination traditioneller Formen mit der einer Baumwollknospe erkennen.

[inspic=604,left,,350] Olimovs vollendete ornamentale Freskenmalerei ist in Tadschikistan einzigartig. Für die Herstellung eines Bildes verwendete Olimov bis zu 40 verschiedene Farbtöne und überwiegend florale Formen. Charakteristisch für seine Werke ist der von ihm verwendete Kundalstil, der sich durch fragile, ineinander verschlungene Formen und besonders ausgestaltete Kreuzungspunkte auszeichnet.

[inspic=605,left,,350] Sein Spektrum an floralen Formen reichte von Drachenblumen, Narzissen, Kugelblumen, dreiblättrigen Pfefferschoten (die titelgebenden Kalamfur), Stiefmütterchen bis hin zu traditionellen Motiven, wie Mandeln, Knötchen, Ketten und Pfauenschwänzen.

[inspic=606,left,,350] Teilweise kombinierte er jene Vielfalt traditioneller Formen mit den von der sowjetischen Regierung vorgegebenen emblematischen Motiven wie Hammer und Sichel, dem fünfzackigen Stern, einer Taube und jener Form der Baumwollknospe.

Geboren wurde Mirzorahmat Olimov im Jahre 1891 in dem Dorf Dschonbahoron in der Nähe der Stadt Khujand im Norden Tadschikistans. Dort verbrachte er auch seine Kindheit und Schulzeit. Sein Vater Mirsoolim Nosirov war Bildhauer, sowie Maler und hatte als sein erster Lehrer frühen Einfluss auf die künstlerische Entwicklung des Sohnes. Von ihm lernte er erste Techniken der dekorativen Malerei, als er ihn auf einige Reisen in Städte und Dörfer im Ferghanatal begleitete und bei der Bemalung von Decken in Moscheen und Privathäusern unterstützte. Später ging Olimov bei mehreren angesehenen Malern, wie Mirsoleh Hodschiewho oder Qori Mirnemat in die Lehre. Seinem Lehrmeister Hosi Mirhalim diente er bei der Ausführung von Auftragsmalereien in Samarkand und Buchara.
Neben seiner Tätigkeit als Maler war er aktiv am politischen Geschehen in Zentralasien beteiligt. Im Jahre 1916 schloss er sich in Khujand dem Aufstand gegen die Zarenherrschaft an. Darauf hin folgte die Verbannung nach Kersch auf der Krim und zwei Jahre Zwangsarbeit in einer Fabrik für Eisenbahnbau. Dort traf er auf Vertreter der russischen Arbeiterbewegung und lernte ihre politischen Überzeugungen kennen. 1918 nach Khujand zurückgekehrt, setzte er sein politisches Engagement fort. Bereits seit 1913 hatte er das Amt des stellvertretenden Präsident des Exekutivkomitees übernommen, welches er nach seiner Rückkehr wieder aufnahm und bis 1929 fortführte. Außerdem wurde er Vorsitzender des Rates der Arbeiter, Soldaten und Muslime. Zwei Jahre vor seinem Tod 1971 trat er der KPSS (Kommunistische Partei der Sowjetunion) bei.

[inspic=609,,,0]
Im Zuge des Verbots des Traditionellen in den 30er Jahren wurde auch Olimovs künstlerisches Schaffen für mehrere Jahre stark eingeschränkt. Erst mit dem politisch gewollten Wiederaufleben “nationaler” Kultur seit dem 20. Jahrestag der Oktoberrevolution konnte er seine Tätigkeit als Maler wieder aufnehmen. Und spätestens mit dem Beginn des 2. Weltkriegs im Jahr 1941 waren er und sein Malstil politisch wieder rehabilitiert. Fortan schmückte man sich in Moskau mit ihm als einem der herausragenden Repräsentanten der Tadschikischen Schnitz und Malkunst. Das Orientmuseum in Moskau nahm seine Arbeiten in die Museumssammlung auf und er wurde Mitglied im sowjetischen Künstlerverband. Es folgten eine Reihe hoher  Auszeichnungen auf Republiks- wie auf Unionsebene. 1967 verlieh ihm das Gremium des obersten Sowjets schließlich den Leninorden.

[inspic=608,,,0]

1934 hatte das Volkskomissariat für Bildung in Duschanbe den Bau einer Kunsthochschule beschlossen, die 1936 eröffnet wurde. Olimov war dort ab 1938 bis zu seinem Tod im Jahr 1971 als Lehrer tätig. Die Schule hat auch heute noch ein vielfältiges Angebot an Fächern. Von den freien Künsten Bildhauerei und Malerei bis hin zur angewandten Kunst, wie Textil- und Modedesign oder Keramik. Im Theaterbereich gibt es die Möglichkeit, Bühnen- und Maskenbild zu studieren. Seit 1959 wird die Kunst der Dekorationsmalerei gelehrt.

[inspic=601,,,0]

In einem kleinen Pavillon auf dem Hof der Kunsthochschule wurde eine Ausstellung mit einer Reihe von Studentenarbeiten der letzten Jahre zusammengestellt, die man sich als Besucher ansehen kann. Und im Foyer des Erdgeschosses hängt heute ein imposantes Olimovgemälde. Mirzorahmat Olimov hat ein bewundernswert akribisch gemaltes Werk hinterlassen. Sein Name wird in Tadschikistan in allen Ehren gehalten und die Schule, an der er Zeit seines Lebens großen Einfluss auf die Ausbildung der Studenten nahm, ist heute nach ihm benannt.

One Thought on “Kalamfur und Sowjetstern – Ein Nachruf auf den tadschikischen Maler Mirzorahmat Olimov

  1. Pingback: Readers Edition » Kalamfur und Sowjetstern - Ein Nachruf auf den tadschikischen Maler Mirzorahmat Olimov

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Post Navigation