Nicht hinter verschlossenen Türen. Ãœber den verstorbenen usbekischen Theaterregisseur Mark Weil.

(Beitrag von Elisabeth Wellershaus, Journalistin)

“Es ist einfach eine kleine Geschichte über die verborgenen Aspekte des menschlichen Lebens”, sagte Mark Weil vor wenigen Monaten über sein Stück “Weißer, weißer, schwarzer Storch”. Der Kommentar über seine letzte große Inszenierung beschreibt das Understatement, mit dem der usbekische Regisseur sein eigenes Werk betrachtete. Denn so unbedeutend war die Geschichte um den homosexuellen Koranschüler Makhzum nicht.

Das beweist nicht nur der große Erfolg, den Weils Ilkhom Theater damit feierte. Sondern auch der brutale Mord am Regisseur.

taschkentilhomtheater.jpgEinen guten Monat ist es her, seit man dem Direktor des Ilkhom Theaters in seinem Hauseingang in Taschkent auflauerte, ihn mit einer Flasche niederschlug und dann erstach. Mittlerweile lässt sich ein Raubmord ausschließen. Die Vermutung liegt also nahe, dass der Mord einen politischen oder doch zumindest persönlichen Hintergrund hatte, der im Verhältnis zu Weils Arbeit stand.

Mark Weil war kein politischer Dissident. Aber er war ein kreativer Aufrührer, einer der sich Zeit seines Lebens für die Freiheit der Kunst einsetzte. Ilkhom bedeutet so viel wie “Begeisterung”. Und tatsächlich steckte von Beginn an ein gehöriger Enthusiasmus in Weils Arbeit. Seine progressive Company gründete er zu einer Zeit, in der Regimekritik auf sowjetischen Bühnen fast noch undenkbar war. Weitab der Hauptstadt und des Kremls, entstand 1976 ein kleines Theater in Taschkent, das die politischen Zustände im Land anprangerte und das auch nach der Unabhängigkeit Usbekistans provokant blieb.

“Wir waren die erste unabhängige Company in der ehemaligen Sowjetunion” erzählte Weil mir im Mai während eines seiner letzten Interviews. “Deshalb hängt Ilkhom eine gewisse Legende, fast schon ein Mythos an. Dabei haben auch wir nur mit Wasser gekocht. Wir wollten einfach nichts mit der damaligen Regierung, nichts mit dem kommunistischen Regime zu tun haben. Auch nicht mit den offiziellen Staatstheatern. Wir wollten neue Ideen, neue Texte auf die Bühne bringen. Und da wir weit weg von Moskau waren, hat man uns zunächst einfach gewähren lassen. Erst als wir 1982 die erste Produktion in die Hauptstadt brachten, horchte man auf. Von da an konnte man uns nicht mehr übersehen. Auf einmal wollten alle wissen, wer diese Company ist, und wer dieser Freak, der sie gegründet hatte.”

Seither spielt die Ilkhom Company in Usbekistan vor einem kleinen ausgewählten Kreis, während sie international riesige Erfolg feierte. Dass Weil mitunter mit Inszenierungen wie “Weißer, weißer, Schwarzer Storch” im In- und Ausland schockierte, tat er bis zu seinem Tod mit einigem Unverständnis ab: “Unsere Störche gelten als kontrovers, nur weil sich im Stück ein Mann in einen anderen verliebt. Das ist absurd.”

Immer wieder betonte Weil, dass er mit seinen Stücken nicht einfach provozieren wollte, sondern, dass es ihm um die Vielschichtigkeit seiner Charaktere ging. “Ich habe mich für die Problematik des jungen Makhzum entschieden, um eine Geschichte zu erzählen, die letztlich viel komplexer ist, als die der sexuellen Orientierung. Es geht darin vielmehr um die Konflikte zwischen Tradition und Moderne, zwischen den Fundamentalisten und der neuen Generation.”

Zudem geht es um etwas, das Weil als eines der “größten Ãœbel” seiner Gesellschaft verortete: “Du kannst bei uns machen was du willst”, erklärte er die Restriktionen im heutigen Usbekistan. “Aber du darfst es auf gar keinen Fall öffentlich tun.”

Er selbst hat sich daran nie gehalten. Möglicherweise ist ihm dies zum Verhängnis geworden. Denn Weil sprach all jene Dinge öffentlich aus, die die Öffentlichkeit nicht hören wollte.

(Elisabeth Wellershaus, 33, lebt als freie Journalistin in Berlin. Sie arbeitet unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Die Zeit, Die Welt, Kulturspiegel und die taz. Mark Weil hat sie im Mai 2007 in Jerusalem getroffen.)

(Fotos : Michael Angermann)

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