Chudoybergan Devanov

(Beitrag von Olim devona)

Es gibt immer wieder Ereignisse, bei denen ich mich frage, klaue ich Inhalte, den andere erstellten, wenn ich einfach so auf die Neuigkeiten hinweise, oder sind diese Neuigkeiten so beachtenswert, dass ein Zeigefinger ausreicht? Ereignis, Inhalte, Neuigkeit? Ganz einfach: Vor ein paar Tagen veröffentlichte die Library of Congress ein wirkliches Meisterwerk kolonialer Fotografie: Das Turkestaner Album. Die Kongressbücherei hat es digitalisiert und stellt es in drei Abteilungen zur Verfügung:Archäologie (klein und groß), Ethnografie (klein und groß, groß), Handel, Handwerk (klein und groß) und Historisches (klein und groß).

Ein Schrei der Verzückung entfuhr mir, als ich die Fotografien aus diesem Album bestaunte …. die koloniale Zeit: Teetrinken in Jugendstilwintergärten. Benefiz- und Galaveranstaltungen. Rauschende Feste. Biergärten im Stadtpark. Doch dabei fiel mir auch gleich wieder das Wirken eines Mannes ein, der zur gleichen Zeit ohne kolonialen Auftrag Land und Leute fotografierte und durch seine Aktivitäten auf diesem Gebiet mancherorts vom Mob durch die Strassen gejagt wurde, aber schließlich zum Hoffotografen des Chans von Chiwa aufstieg.

So sei das “Turkestaner Album” Anlass, einmal mit dem Zeigefinger auf Chudoibergan Devanov zu deuten. Die Geschichte, die ich hier erzählen will, beginnt etwa 1878, als Chudoibergan in Chorezm das Licht der Welt erblickte, oder ein paar Jahre später (1883) als sich deutsche Mennoniten südlich des Aralsees in der Siedlung Ak Masdschid niederließen. Das Toleranzgebot Katharina II. galt in Rußland für sie nicht mehr. Fortan sollten sie im russischen Militär Wehrdienst leisten.

devanov.JPGNach Angaben des Kunsthistorikers Hamidullah Akbarov soll der chorezmische Fotopionier Chudojbergan Devanov das Handwerk der Fotografie von diesen deutschen Siedlern gelernt haben. Durch die Verbindungen der Lutheraner mit den europäischen Zentren gelangten Fotoapparate, Grammophone, Nähmaschinen und ab 1900 auch Filmkameras, Projektoren und andere Hightech der damaligen Zeit durch die Wüste nach Chiwa. Chudoibergan Devanov begeisterte sich für die Fotografie und erlernte bald auch das Handwerk der Filmkunst.
Er fotografierte und filmte turkistanische Bräuche, Feste, Städte und Landschaften, stieg auf Minarette und lichtete die Stadt Chiwa aus der Vogelperspektive ab. Ganz in der Gewohnheit der Zeit präsentierte er die Ergebisse seiner Kunst auf Marktplätzen, in Moscheen und in den Altstädten Turkistans. Zwangsläufig kam es dabei auch zu Zusammenstößen mit Zeitgenossen, die den Errungenschaften der Moderne eher abgeneigt waren. Und so wurde er mancherorts verjagt und oder bezog Prügel.

Da der Vater Devanovs im Staatsapparat des Chans von Chiwa als Sekretär angestellt war, hatte Devanov auch direkte Anbindung an den Hof. Der Chan von Chiwa war begeisterter Kinoanhänger und hatte sogar seinen eigenen Kinovorführsaal. Als ihm Devanovs Wirken zu Ohren kam, machte ihn der Chan von Chiwa zu seinem Hoffotografen und -kinematografen. Auch der Emir von Buchara beanspruchte seine Dienste. So kam es, dass er die beiden Staatsoberhäupter auf einigen ihrer Reisen begleitete und sie dabei filmte.

Das, was er filmte, ordnete Devanov in ein großes Bild- und Filmarchiv über Turkistan, von dem heute noch Teile erhalten sind. Er begann, um sich herum Schüler zu scharen. Sein Haus wurde zum Foto- und Filmlabor. Devanov war also der Begründer einer eigenen kleinen Filmschule. Als die Revolution kam, die einzelnen Sowjetrepubliken gegründet wurden und ab 1927 man an das Projekt eines usbekistanischen eigenständigen Kinos heranging, stellte auch Devanov sein Können in den Dienst Taschkents. Er half mit, die Dokumentarfilmschule aufzubauen und hier junge Filmer auszubilden. Am Ende der 30er Jahre wurde auch er Opfer des stalinschen Terrors.

Heute ist das Wohnhaus von Devanov in Chiwa ein Museum für Fotografie. Persönliche Gegenstände sind jedoch kaum erhalten geblieben. Das Archiv Devanovs lag lange hinter verschlossenen Türen des Staatsarchivs. Vor zwei Jahren unternahm die australische NGO Heritage Central Asia Anstrengungen, das Devanov Archiv zu restaurieren und so für die Nachwelt zu retten. Die NGO jedoch gibt es in Usbekistan nicht mehr. Was jetzt aus den Hinterlassenschaften Devanovs geworden ist, war leider bis Redaktionsschluss nicht zu erfahren.

(Olim devona ist Mitwissser am Zentralasienseminar der Humboldt Universität zu Berlin.)

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