Reiseführer Tadschikistan neu aufgelegt

Titelbild der Neuauflage

Titelbild der Neuauflage

“Besuchen Sie Tadschikistan bevor die Touristen kommen!”

Dieses Motto könnte auch der zweiten, überarbeiteten und deutlich erweiterten Auflage des im Trescher Verlag erschienenen Reiseführer: Tadschikistan vorangestellt sein. Auch sechs Jahre nach der Erstauflage sind die Touristenzahlen in Duschanbe, dem Zerafschantal und im Pamir noch recht überschaubar, von anderen, nicht weniger interessanten Gegenden ganz zu schweigen. Der neu aufgelegte Band ist fast doppelt so dick wie sein Vorgänger – und dabei ist keine Seite zuviel! Auch die Autorinnen haben sich verdoppelt: Sonja Bill bildet diesmal zusammen mit Dagmar Schreiber ein Autorinnenteam. Im deutschen Sprachraum ist der Reiseführer damit auch weiterhin konkurrenzlos.

Neben kurzen Einführungen in die Geschichte, Kultur und Natur des Landes findet sich auch eine Beschreibung der aktuellen politischen Lage, die mit dem im Herbst vergangenen Jahres erfolgten Verbot der Partei der islamischen Wiedergeburt endet, der bis dahin einzigen ernst zu nehmenden Oppositionspartei in Tadschikistan. Auch hier zeigt sich die Neuauflage auf dem neuesten Stand. Deutlich erweitert wurden die Abschnitte zu den verschiedenen Regionen Tadschikistans. Neu hinzugekommen ist unter anderem der sehr informative und kurzweilige “Kleine Pamir-Knigge” von Stefanie Kicherer, der sich von Reisenden getrost auch in den anderen Landesteilen anwenden lässt.
Ein weiteres Highlight des Reiseführers möchte ich im folgenden ganz vorstellen:
Es handelt sich dabei um die Beschreibung einer Region im Süden Tadschikistans, über die bisher nur sehr wenig geschrieben wurde und die auch nur selten auf dem Reiseplan von Tadschikistanurlaubern zu finden sein dürfte: “Temurmalik und die grünen Hügel” zwischen Danghara und Kulob ist mit Sicherheit einer der Orte in Tadschikistan, die man noch bereisen und erleben kann, “…bevor die Touristen kommen”.

Die grünen Hügel von Temurmalik
Der Kreis Temurmalik liegt zwischen Danghara und Kulob. Der gleichnamige Haupt- und Verwaltungsort liegt im Tal des ›roten Flusses‹ (usbekisch: Qizilsu, tadschikisch: Surchob oder Surkhob); er hieß bis 1953 Qizilmazor (›roter Schrein‹), danach bis 2003 Sovyet. Seitdem heißt der Hauptort (und somit auch der zugehörige Landkreis) Temurmalik – und trägt damit den Namen eines tadschikischen Volkshelden aus der Zeit mongolischer Eroberungen im 13. Jahrhundert. 2010 zählte der Kreis etwa 60.000 Einwohner, davon lebten rund 10.000 im Hauptort. Im Tal des ›Roten Flusses‹ und im links und rechts angrenzenden Hügelland siedeln Tadschiken (2010 etwa 40.000) und Usbeken (2010 etwa 20.000). Viele Tadschiken wurden in sowjetischer Zeit aus den angrenzenden Bergregionen hierher umgesiedelt.

Hügellandschaft am 'alten Pferch' (Kuhna-Qutan) im Bezirk Temurmalik, Ende Februar

Hügellandschaft am ‘alten Pferch’ (Kuhna-Qutan) im Bezirk Temurmalik, Ende Februar

Noch um 1910 beschäftigten sich die usbekischen Gruppen, etwa die Laqay und die Qarluq, vorwiegend mit Viehzucht (Pferde- und Schafzucht), und die hier ansässigen Tadschiken eher mit Ackerbau, der aufgrund günstiger Niederschläge im Hügelland in Höhen von 700 bis 1200 Metern auch ohne künstliche Bewässerung gute Ernten bringt. Nicht nur Getreide, sondern auch Leinsaat, Kichererbsen, Melonen und sogar Weintrauben gedeihen hier im Regenfeldbau (›lalmi‹). Bewässerte Landwirtschaft gibt es in nennenswertem Umfang eigentlich nur im Talbecken des Qizilsu. Heute ist diese wirtschaftliche Spezialisierung der ethnischen Gruppen nicht mehr so stark ausgeprägt wie einst, wiewohl man immer noch große Viehherden eher in usbekischen als in tadschikischen Dörfern findet. Seit den 1990er Jahren ist die Arbeitsmigration (vor allem nach Russland) zur Haupteinkommensquelle der ländlichen Bevölkerung geworden, wie an so vielen Orten in Tadschikistan.

Überweisungen aus Russland subventionieren ein Dorfleben, das auf den ersten Blick sehr traditionell und gemächlich anmutet und vom Rhythmus der morgens zur Weide in die Hügel getriebenen und nachmittags von dort zurückkehrenden Schafe, Ziegen und Kühe bestimmt wird. Truthähne und Esel gehen ihre eigenen Wege. Die Esel dienen den Kindern als Reit- und Lasttiere, wenn es Trinkwasser aus Brunnen und Quellen für ihre Höfe herbeizuschaffen gilt.

Eselsreiterkampf der Dorfjugend

Eselsreiterkampf der Dorfjugend

Wer es sich erlauben kann, hält und züchtet auch Pferde. Es handelt sich dabei um eine Rasse von Bergpferden, eigentlich Ponys, die bis etwa 1940 ›Laqaypferd‹ hieß und heute – nach diversen Einkreuzungen – als tadschikisches Pferd bezeichnet wird. Diese Pferde kommen als Reittiere sowie bei Wettkämpfen wie Pferderennen und ›Ziegenziehen‹ (›buzkashi‹) zum Einsatz. Letzteres ist ein Reiterkampf, der in alten Zeiten zur Vorbereitung auf Raubzüge und Kriege diente – eine Art Militärtraining ohne Kasernen und Kommandos. Es geht dabei darum, den Kadaver einer Ziege anderen Kämpfern zu entreißen und in einen Kreis zu werfen. Ellbogen und Reitpeitsche können nach Belieben eingesetzt werden. Sieger in diesem ‹Sport für echte Männer‹ gewinnen neben den ausgelobten Preisen (das kann auch schon einmal ein Gebrauchtwagen sein) großes Ansehen. Der Marktwert für Pferde, die sich in diesem Härtetest bewähren, kann auf über 50.000 Dollar steigen, was wiederum Pferdezucht und -sport zu einem recht einträglichen Geschäft macht.

Ein Sieger im Reiterwettkampf mit Freunden und Fans, Bezirk Temurmalik, März 2015

Ein Sieger im Reiterwettkampf mit Freunden und Fans, Bezirk Temurmalik, März 2015

Ein anderer Volkssport ist das Ringen. Aus dem Kreis ist mit Saidmumin Rahimov sogar ein Ringkampfweltmeister hervorgegangen, dem sein Heimatdorf ein Denkmal setzte. Leidenschaftliche Reiterwettkämpfe und Ringkämpfe spielen bei den Feiern zu Beginn des Frühlings (›Navruz‹) – aber nicht nur dann – eine besondere Rolle in der Region.

In den Dörfern um Temurmalik möchte man gern in den Ökotourismus einsteigen. Man hat auch alle Voraussetzungen dafür: Idyllische Dörfer, eingebettet in eine schöne Landschaft aus sanften Hügeln und Bergen, die besonders zwischen Anfang März und Ende Mai üppig grün und voller Blumen und Kräuter sind und neugierige Reisende zu Entdeckungstouren zu Fuß, zu Pferd oder auch auf dem Esel einladen.

Eine Teilnahme am Alltag der hier lebenden Menschen kann zeigen, wie man dünne Fladenbrote oder kräutergefüllte Teigtaschen bäckt, wie man schmackhafte Kräutersuppen und Reisgerichte zubereitet, oder wie man Jogurt herstellt. Man kann melken und reiten lernen, oder beim Abbau des Steinsalzes an einem Felsabbruch am Schrein von Khoja Sartez zusehen. Die Männer kommen mit Eseln hierher und graben das Salz mit Meißeln und Schaufeln aus den Steilhängen. Wem das alles zu viel ist: Auch einfach nur über die Hügel spazieren, den Hirten zuschauen und vor sich hin träumen ist möglich.

Die Unterbringung erfolgt im Kurheim (Sanatorium) der Kreisstadt Temurmalik oder/und bei Familien, die lernen wollen, wie Tourismus beiden Seiten Freude und Nutzen bringt. Wem dieses Konzept gefällt, der kann sich bei Rustam Abdunazarov melden (rustam-0878@mail.ru). Rustam kann maßgeschneiderte Aufenthalte inklusive Touren bis zu drei Wochen in diesem vom Tourismus noch völlig unberührten Gebiet – sowie in den angrenzenden Bergregionen – organisieren.

Die grünen Hügel von Temurmalik

Die grünen Hügel von Temurmalik

Beste Reisezeit ist Mitte September bis Ende Mai. Die Sommermonate sind sehr heiß und nur hartgesottenen Hitzefreunden zu empfehlen. In diesen Sommermonaten kann Rustam jedoch Touren in die angrenzenden, kühleren Bergregionen organisieren.

Wer auf eigene Faust Temurmalik entdecken will, sollte wissen, dass in diesem Gebiet – anders als etwa im Pamir –bislang nur wenige Leute Englisch sprechen. Sammeltaxis, die nach Temurmalik fahren, sind in Duschanbe am Nordende des Bazars ›Sakhovat‹ zu finden. In Temurmalik gibt es in der Nähe der Kreisverwaltung eine Behörde für ›Jugend, Sport und Tourismus‹, deren Leiter, Asliddin Gadoev, Englisch und Deutsch spricht.

Der Textabdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors (Wolfgang Holzwarth) und der beiden Autorinnen und Herausgeberinnen des Reiseführers.

One Thought on “Reiseführer Tadschikistan neu aufgelegt

  1. redaktion on April 5, 2016 at 19:38 said:

    Dass der neu aufgelegte Reiseführer auf dem deutschen Markt “konkurrenzlos” ist, muss revidiert werden. Heute erreichte uns ein Hinweis von Gerald Sorg, der seit 2007 einen jährlich überarbeiteten Reiseführer “Uzbekistan und die zentralasiatischen Republiken…” im Eigenverlag herausgibt. Uns war dieser praktische Reisebegleiter bisher nicht bekannt – Danke für den Hinweis Herr Sorg, der uns schrieb: “Schauen Sie doch einfach mal rein. ISBN: 978-3734780882”

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