Was ist los in Rascht? Ein Nachtrag

Genau zwei Monate ist es her, dass in Tadschikistan die heftigsten Kämpfe seit dem Ende des Bürgerkriegs ausbrachen. Am 19. September 2010 wurde im Kamarob-Tal ein Militärkonvoi beschossen und viele, vor allem junge unerfahrene Soldaten kamen dabei ums Leben. Wir fragten, ist Tadschikistan im Strudel der Unruhen? Jetzt scheint sich die Situation im Rascht-Tal beruhigt zu haben. Aber noch immer ist die Mobilfunkverbindung in die Region unterbrochen und auch die Armee ist noch überall präsent.

Dass die Regierung in Duschanbe die Situation zu Nutzen wusste, scheint mittlerweile außer Frage. Es wird sogar vermutet, dass die ganze Aktion (samt vorangegangenem Ausbruch von 25 “Terroristen” aus einem Gefängnis der Hauptstadt) geplant und durchgeführt wurde, um eigene Ziele zu erreichen. Berichte von Augenzeugen aus der Region Gharm und auch ein kürzlich in zwei Teilen publizierter Bericht über die Region und die Ereignisse im September und Oktober diesen Jahres legen diesen Schluss nahe. (Hier geht es zum zweiten Teil des Beitrags über die Region Rascht) Schlagworte wie “Islamisten” und “ausländische Terroristen” werden demnach von Regierungsseite als Alibi benutzt um die eigentlichen Beweggründe für den massiven Militäreinsatz zu verschleiern: Die Herrschaft und Kontrolle über diese zentrale Gebirgsregion weiter auszubauen, potentielle Unruheherde (wie zum Beispiel marginalisierte junge Männer – etwa die zurückgekehrten und ob der wirtschaftlichen Situation in Tadschikistan höchst unzufriedenen Arbeitsmigranten) im Keim zu ersticken, den Druck auf ehemalige Kommandeure und Oppositionskräfte in der Region Gharm zu erhöhen und diese wenn möglich “auszuschalten”. Dass damit gleichzeitig handfeste wirtschaftliche Ziele (wie etwa die Übernahme einer wichtigen Kohlemine) verfolgt werden, ist in Tadschikistan ein offenes Geheimnis.

Daher gibt es in Tadschikistan kein gesteigertes politisches Interesse an einer freien journalistischen Berichterstattung und keine Hoffnung auf eine Klärung der Ereignisse dieses Sommers. Die Menschen werden systematisch eingeschüchtert, ebenso die Medienvertreter. Seit den Militäraktionen stieg auch die Angst vor Repressionen stark an. Kaum jemand traut sich mehr laut etwas politisches zu sagen – schon gar nicht wenn er oder sie aus Rascht kommt – aus Sorge um sich und die seinen. Aber eine Ahnung davon, was da gespielt wird, haben praktisch alle.

Die Menschen in Rasht wissen ganz genau, dass sie bestraft werden, sobald sie gegen die herrschenden Strukturen aufbegehren; von der einen oder von der anderen Seite. Und wenn nicht sie persönlich, dann eben ihre Eltern oder Verwandten.

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