Erinnerungen an Manfred Lorenz

Eine Rede gehalten von Sigrid Kleinmichel im Jahr 2009 anlässlich des 80. Geburtstags von Manfred, der mit einer kleinen Feier am Zentralasien-Seminar der Humboldt Universität zu seinen Ehren begangen und begossen wurde.

Manfred Lorenz in der Baumwolle. Tadschikistan 1957

2009 sprach ich davon, dass Manfred Lorenz im Internet nicht zu finden sei. Seine Bücher aber konnte man im Katalog der Staatsbibliothek finden. Bei meiner Suche nach Manfred Lorenz im Internet war mir allerdings ein Unternehmer desselben Namens begegnet, der eine Edelsteinschleiferei besaß oder leitete. Wegen der Rolle des Edelsteins, des Edelsteins der Worte in der persischen Poesie schien mir das recht gut zu Manfred Lorenz zu passen. Vielleicht war er in den Augen von irgendjemandem sogar selbst dieser Herr der Edelsteinschleiferei.

Dann hatte ich geschrieben: Meine Erinnerung. Humboldt Universität. Vorderasiatisches Institut. Man geht zum Eingang des Hauptgebäudes. Auf dem Hof steht, nein, sitzt grimmig in der linken Ecke Mommsen, Theodor. Warum so grimmig? Das habe ich gerade in einem Buch von Stefan Rebenich (2007) erfahren. Mommsen musste an der Universität unterrichten, und das machte ihm überhaupt keinen Spaß. Viel lieber erweiterte er in mühevoller Arbeit sein “Corpus der Lateinischen Inschriften”. Hinsichtlich der DDR irrt sich der Verfasser der Mommsen-Biographie ein wenig. Er schreibt: “Nach Mommsen fragte niemand. Von dem Müllhaufen hinter der Humboldt-Universität wurde das Denkmal erst nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten geholt.” Die kleine Korrektur lautet: Es war kein Müllhaufen, sondern der Anfahrtsweg für die in der Mensa benötigten Produkte und der Ausgang der Küchengerüche auf der linken Seite des Hauptgebäudes in der Universitätsstraße. Ich habe manches Mal beim Vorbeigehen gedacht: Wenn er auch so grimmig schaut, hätte man ihn doch nicht gleich in die Küchendämpfe setzen müssen. Ich weiß nicht genau, wann das geschehen ist. Aber 1961, als ich mein Studium abgeschlossen hatte und ihn zum ersten Mal sah, stand das Denkmal noch auf dem Hof am Haupteingang.

Ein Einschub aus heutiger Sicht (2017). Manfred Lorenz konnte ebenso genau sein wie Mommsen und sich in Kleinarbeit versenken, was z.B. an seiner intensiven Mitarbeit am “Junker – Alavi”, dem schon vielfach nachaufgelegten “Persisch-Deutschen Wörterbuch” zu erkennen ist. Was das Unterrichten betrifft, so unterschied er sich deutlich von Mommsen, der sich, wie sein Biograph sagt, häufig über die dummen Studenten ärgerte. Ich nehme an, dass Manfred Lorenz immer gern unterrichtet hat. Er liebte das Gespräch. Er gab gern weiter, was er wusste, wenn er nur ein wenig Wissbegierde vermuten konnte.

Dann weiter von 2009: Man ging damals an Mommsen vorbei zum Haupteingang hinein, wendete sich nach rechts, ging die Treppe hoch. Dort war das Vorderasiatische Institut von Professor Junker. Zwei oder drei Räume. Ähnlich bärbeißig wie Mommsen thronte Professor Junker da. Doch hatte er freundliche Leute um sich geschart: Werner Sundermann, Eckehard Fichtner, Professor Alavi, mit dem Manfred Lorenz intensiv zusammengearbeitet hat, und eben Manfred Lorenz.

Bei Professor Alavi gab es einen Mittwoch- oder Donnerstagtee der Iranisten, wahrscheinlich jede Woche. Die Atmosphäre habe ich im Winter 1962 erleben können, als der Winter eiskalt war und die Universität nicht genügend Kohlen zum Heizen hatte. Deshalb fand ein Teil der Lehrveranstaltungen im Arbeitszimmer von Professor Alavi in seiner Wohnung (Frankfurter Allee) statt. Von diesem Arbeitszimmer mit Büchern an den Wänden und auf dem Fußboden war ich begeistert.

1964 hieß es, das “Kommandantenhaus” sei fertig, wir zögen um und bekämen nun fünf Räume. Das war gut, doch fehlten uns – vielleicht in jeder Hinsicht – die Fenster. Wir hatten nur Oberlicht. Aber jeder hat daraus gemacht, was er konnte. Bei Manfred Lorenz waren es Lehrveranstaltungen zum Persischen, Tadschikischen, Paschto und wahrscheinlich zum Ossetischen. Die Buchprojekte gediehen, und das gesammelte Material war so umfangreich, dass auch nach der Emeritierung von Manfred Lorenz manche Arbeit erschien …

Dann habe ich damals (2009) mündlich hinzugefügt, dass es immer angenehm war, Manfred Lorenz etwas zu fragen. Er war in seinem Arbeitszimmer zu Hause in der Metzerstraße immer gut telefonisch erreichbar und gab gern Auskunft. War er nicht ganz sicher, sah er in den Büchern nach, die ihn umstanden. Das Arbeitszimmer war klein und die Bücherwände nah. Es war für ihn ein Leichtes nachzuschauen und er tat es gern. Niemals begnügte er sich mit einfachen Auskünften, immer fügte er hinzu, was er sonst noch zu dem erfragten Gegenstand zu sagen wusste. Angenehm war diese Kommunikation.

Seine akademischen Werke haben Bestand – seine menschliche Wärme werden wir vermissen.

Die Beisetzung fand statt am 23.06.2017 in Berlin Pankow auf dem Friedhof in der Roelckestraße 142.

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