“Hell aus dem dunklen Vergangenen …”

(Ãœber die politische Relevanz des Lichts und seine Umbewertung. Ein Beitrag von Olim devona)

Als Zaratushtra vor 4000 Jahren vom Berg herabstieg und seinen Anhängern etwas von der Wahrheit, dem Licht und der Finsternis berichtete, war der Keim des Dualismus in den monotheistischen Religionen gelegt. Wir wissen nicht, ob dualistisches Denken, die Aufteilung der Welt in Gut und Böse, in ein Reich des Lichtes und der Finsternis, in zwei zu sich gegensätzliche Paare auch schon bei den Höhlenmalern von Lascaux zum spirituellen Repertoire gehörten. Wir wissen auch nicht ob yin und yang, als chinesisch philosophisches Prinzip dualistische Impulse erhielt, als es um 1000 v.u.Z. in China aufkeimte, wir wissen aber das die Aufteilung der Welt in Gut und Böse, die Metapher vom Dunkel und der Erleuchtung verdammt erfolgreich war.

In Mittelasien erfuhr die Metapher des “von der Dunkelheit zum Licht” namentlich durch die islamische Aufklärung der Reformer ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Renaissance, auch wenn die Suche nach der Wahrheit, die mystische Suche nach Gott seit dem islamischen Anbeginn von der Lichtmetapher geprägt war.

Als nach 1921 die Oktoberrevolution in russisch Mittelasien siegte und aus dem russischen Kolonialimperium ein Sowjetimperium wurde, trafen sich zwei Weltdeutungen. Die Bolschewiki sahen in der Vorzeit ein dunkles Vergangenes, in dem nur die Zukunft hevorleuchtete, die islamischen Reformer wollten ihre Brüder ebenfalls zur Sonne und zur Freiheit führen. Doch je fester die Macht in den Händen der Bolschewiki war, desto klarer dominierte ihre europäische Weltsicht in der eine jegliche nationale Vergangenheit ein dunkles Kapitel der eigenen Geschichte war. Ab Anfang der 1930er Jahre begann die Kollektivierung, die Terrorisierung der Bauern auf dem Lande und die Säuberung der Gesellschaft von Schädlingen. In dieser Zeit als Nationalist bezeichnet zu werden und in Verbindung mit der Vergangenheit gebracht zu werden, bedeutete im besten Fall eine ode mehrere Dekaden Arbeitsaufenthalt im Archipel GULAG, im schlimmsten Fall die standrechtliche Hinrichtung am Stadtrand. Wie groß die Angst davor war, mit den gefallenen Persönlichkeiten aus dem Umkreis, ja sogar der übergeordneten Politik in Verbindung gebracht zu werden, zeigt folgendes Klassenfoto, in denen Fotos von Mitschülern, von Lehrern und von usbekischen wie russischen Politikern (Akmal Ikromov, Leon Trotzkij) herausgerissen wurden. [inspic=316,,,0] Die Gegenwart musste vom dunklen Vergangenen sauber gehalten werden.

Ab dem zweiten Weltkrieg jedoch wandelte sich die Einstellung zur Vergangenheit. Um die Soldaten im Schlachtfeld zu motivieren brauchte es weniger Internationalismus als eine nationale Kultur auf allen Ebenen, in den Regionen, den Sowjetrepubliken, der Völkerfamilie. So wurde ab 1941 wieder Unterweisung in islamischer Religion zugelassen, ein nationaler Zirkus gegründet und Nationalhelden aus dem dunklen Vergangen herausgeholt und mit einem Glanz versehen, der sie deutlich aus ihrer Umgebung abzuheben schien. Nach der Stalinzeit erfuhr die vorrevolutionäre Vergangenheit eine weitere Umbewertung. Das Vorrrevolutionäre konnte zum Teil der nationalen sozialistischen Kultur gemacht werden, wenn es sich zum bolschewistischen System geneigt deuten ließ. Der werktätige Handwerker, der Kleinbauer, der antikoloniale Dichter – um nur einige Beispiele zu nennen, wurden im übertragenen Sinne zu Lichtgestalten der Vergangenheit.

Die Metapher blieb indess bestehen. Das Vergangene blieb Dunkel und nur die Zukunft leuchtete hell.

Eine beliebte Art einen Glanz zu erzeugen war die Schaffung eines schwarzen Hintergrundes. Die alten Zeiten sollten demzufolge auf schwarz getrimmt sein. Der Plakatmaler Tursunali Achmadaliev, der 40 Jahre damit zubrachte, tagtäglich Plakate und Standbilder für Kollektive, Parteizentralen und öffentliche Plätze zu entwerfen, brachte dies auf den Punkt: Die Vergangenheit bekam Grautöne und die Farben Schwarz zugesprochen, es war verboten hierfür die Farbe Rot zu benutzen. Diese Farbe war der Revolution und ihren Protagonisten vorbehalten.

Statistiken waren ein beliebtes Mittel, die Vergangenheit Schwarz zu malen. Hier fallen die schwarzen Balken, die auf Diagrammen die Armut der vorrevolutionären Zeit verdeutlichten, genauso auf, wie die roten Balken, die gegenwärtigen und wachsenden Wohlstand anzeigten.[inspic=313,,,0] Darüber hinaus wurden den Symbolen der Vorzeit neben schwarzen Mänteln auch gern ein langer Bart beigegeben, der die Vorstelllung religiöser Fanatiker heraufbeschwören und in ihre unreines und Vergangensein in ihre Körper einschreiben sollte. Die Metapher des Hell Dunkel wurde über die Jahre mächtig und wirkte lang auf die Vorstellungswelten und lokalen Repräsenationen historischer Perioden.

Eine weitere Metapher, die in den Vorstellungswelten von der Vergangenheit eine Rolle spielte, könnten man mit dem “vom Rohem zum Gekochten”’ umschreiben. Demzufolge wurden fotographische Inszenierungen der Vorzeit gern in der Natur, auf nacktem Boden, vor dem porösem Hintergrund einer Lehmwand usw. gemacht.[inspic=310,,,0][inspic=318,,,0] Die ornamentalen Traditionen Mittelasiens, die zum überwiegenden Teil aus Naturdarstellungen, Pflanzen und Tieren bestanden, begünstigten solche Vorstellungen. Die Moderne jedoch bekam einen weißen Hintergrund, etwa die sterile Umgebungen einer weissen Wand oder ein sauber geputzte Neubauwohnung. [inspic=311,,,0]

In der Fotografie finden sich jedoch Beispiele, in denen Fotografien von Handwerkern in den 1980er Jahren im Sinne der Helldunkelmetapher mit der Betonung des Dunklen gemacht wurden, um sie als Nachfolger einer vorrevolutionären Handwerkstradition zu huldigen. Teile der Vergangenheit und mit ihr das vorrevolutionäre Handwerk waren längst rehabilitiert und als ein wichtiges Element in der folklorisierten Kultur der mittelasiatischen Sowjetrepubliken angekommen. Doch Umbewertung der Vergangenheit ging hier nicht einher mit der Umstellung der Farbtöne, sondern mit einer Neubewertung dieser.[inspic=314,,,0] Das Schwarze und das “Rohe” waren zum festen Bestandteil der Sehgewohnheiten der lokalen Bevölkerung geworden. Das Schwarze und das Rohe führten nun in die Vergangenheit, ohne dabei düstere Assoziationen zu wecken. Aus dem Dunkel wurde ein romantisches “Es war einmal … ”

(Olimdevona ist Mitwisser am Institut für Zentralasienwissenschaften der Humboldt Universität Berlin)

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