Leben und Werk des Sayed Muhammad Da’ud al Hossaini

Ein Beitrag von Hashmat Hossaini.

[inspic=527,left,,250]Der Künstler, Forscher und Dichter Professor Sayed Muhammad Da’ud al Hossaini, gehörte zu den produktivsten Kunstprofessoren und war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Kalligraphie in Afghanistan im 20. Jahrhundert. Hossaini wurde am 2. August 1897 (dem 12. des Monats Assad im Sonnenjahr der Hedschra 1276) in dem bei Kabul gelegenen Dorf Tipah geboren. Später wurde hier der Palast “Dar ol Aman-e-Kabol” erbaut. Professor Hossaini hat vom Beginn bis zum Ende seines öffentlichen Wirkens zahlreiche Medaillen, Ehrenurkunden und Preise durch Regierungsbehörden überreicht bekommen, Auszeichnungen für sein Wissen, seinen Diensteifer und seine Loyalität zum damaligen Staat.

Neben seiner wissenschaftlichen, künstlerischen und administrativen Tätigkeit und seinem Lehramt an den Fakultäten für Literatur und Jura (Fach: islamisches Recht) an der Universität von Kabul, war Hossaini während der 12. und 13. Wahlperiode des afghanischen Parlaments als Senator im Oberhaus tätig. Danach wurde er Kulturberater und enger Vertrauter des Königs Muhammad Zahir Schah und versah dieses Amt bis zur Zeit des Staatsstreiches des Sardar Mohammad Da’ud Chan. Bedauerlicherweise verstarb dieser unermüdlich tätige, hochgebildete, künstlerisch hochbegabte und wortgewandte afghanische Gelehrte abends am Abend des 24. Dezember 1979 (im Sonnenjahr der Hedschra 1358) infolge eines Herzversagens in seinem Haus in Baghnawab-e Kabol und wurde tags darauf im Hof der Pilgerstätte Baba-ye Chodi beigesetzt.

Studien
Seit seiner Kindheit war Hossaini Schüler namhafter Gelehrter und Künstler. Die ersten Grundkenntnisse der Kalligaphie hat er bei seinem Vater, dem verstorbenen Sayed Esmail Hossaini “Zabih” erworben, welcher ein Gelehrter und ein bedeutender Sayed war und die Naschi-Schrift im Stil des Mirza Ahmad-e Neyrizi und des Aqa Ebrahim-e Qomi mit großer Kraft und Klarheit schrieb. Danach hat er als Schüler eines berühmten Kalligraphen seiner Zeit, namens Sayed Ata Muhammad Schah-e Hossainiye Qandahari weitere Erfahrungen gesammelt. An den Schulen Habibiye und Dar al Muallimin führte er seine Studien zu Ende.

Die in der damaligen Zeit üblichen Kenntnisse und Grundlagen einer wissenschaftlichen Bildung erwarb er ebenfalls bei seinem Vater und bei einigen anderen Gelehrten seiner Zeit, wie Maulawi â Abdol Waseâ Chan und Maulawi Abdol Raâuf Chan.

Der Rang Hossainis auf dem Gebiet der Kalligraphie.
[inspic=526,,,0] Abdol Raâuf Fekri-ye Saldjuqi sah in Sayed Da’ud-e Hossaini im Bereich der Schriftformen Nastaliq und Schekaste eine der seltenen Begabungen seiner Zeit und einen der hervorragenden Meister dieser edlen und feinen Kunst, und er wies auch auf seine Geschicklichkeit in der Miniaturschrift hin. So gelang es Hossaini, auf ein winziges Reiskorn die Suren Fatiha und Echlas zusammen mit dem Datum und seiner Unterschrift zu schreiben, was jeden, der das gesehen hat, in fassungsloses Erstaunen versetzte. Seldjuki sah in Hossaini einen der großen Künstler seines Zeitalters und vor allem denjenigen, der das Licht, das Mir Emad, Abdol Raschid und Mir Abdol Rahman angezündet hatten, am Leuchten erhielt.

Moulana Chal Muhammad Chasta bezeichnete Hossaini, welcher die Schriftformen Nastaliq, Naskh, Schekasta, Tulth, sowie einige Varianten der Kufi-Schrift von seinem Vater sowie von einigen anderen Kalligraphen erlernt hatte, als einzigartig in seiner Zeit. Qari Abdullah Malek-u-Schuâara hat in seinem Lobgesang auf die Schreibkunst dieses Künstlers folgendes gesagt:

Die Schriftkunst unseres Da’ud ist von schöner Art.
Sie ist mit der Schriftkunst des Mir Emad vergleichbar.

Am Schluß von zwei Ghazelen über seine Schriftkunst schrieb Meister Hossaini die folgenden Verse:

So wie Gott dem Hossaini eine schöne Schrift geschenkt hat
So sollt auch ihr (d.h. die Schüler) euch im Stil des Meisters üben!
Hossaini, wir haben die Schönschrift von den schönen Wangen der Geliebten gelernt
Unsere Rohrfeder besitzt einen schönen und flüssigen Stil.

Tätigkeiten
[inspic=528,,,0]Hossaini schrieb in der Zeitschrift “Saradj-ol-Achbar” seit dem Beginn des Erscheinens. In dieser Zeit machte er auch Bekanntschaft mit Mahmud-e Tarzi und wurde zu einem seiner engen Freunde und Gesinnungsgenossen. Dazu arbeitete Da’ud Hossaini eng mit der Zeitschrift “Aman-e Afghan” zusammen. Zeitgleich mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben bei “Saradj-ol-Achbar” und “Aman-e Afghan” widmete er sich als Lehrer für Schriftkunst und persische Literatur der Bildung und Erziehung an Schulen.

König Amanullah Chan betraute den Kunstprofessor mit dem Amt des Direktors einer Schule, und hin und wieder erteilte der König selbst an dieser Schule Unterricht. Erwähnenswert ist, daß die erste Spezialschule für die Unterrichtung von Frauen im Privathaus des Vaters von Da’ud Hossaini gegründet wurde. Diese Schule wurde von einer großen Anzahl von Frauen und Mädchen besucht. Bedauerlicherweise wurde diese Tatsache in keiner der Forschungsarbeiten über die Geschichte des Bildungswesens Afghanistans jemals erwähnt. An dieser Schule unterrichteten Sayed Muhammad Esmail Hossaini, “Zabih”, seine Frau Bibi Djan Saheb, seine beiden Töchter Fateme und Saheb Zadeh, seine Söhne Sayed Ischan-e Hossaini und Sayed Muhammad Da’ud-e Hossaini sowie die Ehefrauen der beiden Brüder Kubra und Safura. Folgende Fächer wurden an dieser Schule unterrichtet: Der heilige Koran, Religion, Kalligraphie und persische Sprache und Literatur.
Unter den Frauen, die bei Muhammad Da’ud Hossaini die Kalligraphie erlernt hatten und später berühmte Kalligraphinnen wurden, ist Tadjwar, die Ehefrau des Abd al Qudus Chan Etemad od Douleh zu nennen.

Werke
Folgende von Muhammad Da’ud Hossaini künstlerisch gestaltete Inschriften sind besonders erwähnenswert:

  • Die Inschrift am Siegestor (Taq-e Zafar) in Paghman
  • Die Inschrift am Minarett “Elm-o Djahl” in Dahomzang in Kabul
  • Die Inschrift am Minarett “Nadjat-e Watan” an der Straßenkreuzung “Kenar-e Bala Hisar” in der Mitte der Straße Djadeye Bozorg-e Tschaman-e Hozuri, die im Jahre 1357 (1979) auf Befehl der an die Macht gekommenen Regierung zerstört wurde.
  • Die Inschriften an zwei Minaretten zum Gedenken an den Unabhängigkeitskrieg am Ende der Straße “Dar al Aman” in Kabul.
  • Die Inschrift am Minarett Abdol Wakil Chan in Dehmzang, einem Stadtteil Kabuls.
  • Die Inschriften an dem Gedenkminarett für die Unabhängigkeit Afghanistans auf der Mitte der Straße Djade-ye Arg und auf der Mahmud-Chan-Brücke, sowie zahlreiche andere Inschriften.

Auch eine Tafel über dem Eingangstor des Mausoleums des vierten islamischen Kalifen Hazrat-e Ali Karamullah in der Umgebung von Balch sowie Grabsteine historischer Persönlichkeiten des Landes wie Sanaiye Ghaznawi, Baber Schah-e Mogholi, das Grabmal des Abdol Qader-e Bidel in Chodja Rawasch in Kabul wurden von Hossaini mit kalligraphischen Inschriften versehen. Die letzte Grabtafel, die Meister Hossaini beschriftet hat, befindet sich auf der Ruhestätte des Meisters Salahoddin-e Saljuqi.

[inspic=529,,,0]Im Jahr 1308 der Hedschra (1929) wurde Daud Hossaini wieder in den Staatsdienst berufen und als Chef der Abteilung Schriftgestaltung der öffentlichen Druckerei in Kabul eingesetzt. Dort hat er über einen Zeitraum von zehn Jahren hervorragende Dienste in den Abteilungen für Kalligrahie und Tabellenzeichnung sowie auch bei der Leitung der technischen Angelegenheiten und in der Verwaltung der Druckerei geleistet. Bald besaß Sayed Da’ud Hossaini die vollständige Oberaufsicht über das Druckereiwesen.
Es ist unbestreitbar, daß Sayed Muhammad Da’ud Hossaini zu den Persönlichkeiten zählte, die nicht zugelassen haben, daß die ästhetischen Regeln der Schrift, der Einbandgestaltung und des Buchschmuckes im Laufe der letzten 30 Jahre außer Kraft gesetzt wurden. Diese idealistische Mission hat er ein halbes Jahrhundert hindurch auf sich genommen, und dadurch wurde verhindert, daß es zu einem Bruch in dem allmählichen Entwicklungsprozeß des Schrift- und Buchwesens kam.
Der Heilige Koran, der in der Regierungszeit des Königs Muhammad Nadir Schah unter Aufsicht von Sayed Muhammad Ischan Hossaini und Sayed Muhammad Da’ud Hossaini in der öffentlichen Druckerei Kabul gedruckt wurde, gehörte hinsichtlich seiner künstlerischen Druck- und Einbandgestaltung zu den auserlesenen und schönst gedruckten Ausgaben des Heiligen Koran in dieser Region.
Die Werke Da’ud Hossainis zeigen, daß er das Schreiben der dünnen wie der fetten Schrift gleichermaßen souverän beherrschte und die künstlerischen Regeln und Prinzipien der Kalligraphie in seiner kalligraphischen Arbeit in vollendetem Maße befolgt hat. Mehrere Male hat er auf ein Reiskorn die Bismillah, die Suren Fatiha und Echlas sowie seinen Namen in kunstvoller kalligraphischer Schrift geschrieben und diese Kunstwerke dann auch auf Ausstellungen gezeigt.
Hierzu muß gesagt werden, daß solche kunstvoll beschrifteten Reiskörner seitens der Regierung Afghanistans als Beispiel für die afghanische Kunst in verschiedene Länder wie z.B. Ägypten, Frankreich, Deutschland, Japan, die Türkei, Iran, England Indien, Saudi-Arabien und andere Länder gesandt wurden, und sicher werden diese Reiskörner in Museen dieser Länder noch vorhanden sein.
Es ist erwähnenswert, daß gegen Ende der 1340er Jahre (Sonnenjahre der Hedschra), als Kronprinz Ahmad Schah Chan, der Sohn des Muhammad Zahir Schah aufgrund einer offiziellen Einladung Muhammad Reza Schahs, des Kaisers des Iran in dieses Land gereist ist und ein solches Reiskorn mit den beiden Koransuren und dem Namen des Künstlers dem Schah des Iran als Geschenk überreicht hat. Einige dieser Reiskörner befinden sich noch im Besitz seiner Söhne Sayed Heschmatullah Hossaini und Sayed Refat Hossaini .
Auch im Zeichnen von Tughren (Tughra wird der kalligraphisch gestaltete und kunstvoll verzierte Namenszug eines Herrschers genannt) besaß dieser Künstler eine an Zauberei grenzende Geschicklichkeit. Er hat auf diesem Gebiet zahlreiche Werke geschaffen, deren Stil und Arbeitstechnik nach ihm folgende Künstler übernommen haben.
Im Jahre 1336 (Mondjahr der Hedschra) wurde der erste moderne Kalender Afghanistans von diesem Gelehrten erarbeitet, mit Tabellen versehen und kalligrahisch ausgestaltet. Der Kalender wurde in der Zeitschrift “Sarradsch ul Achbar” veröffentlicht. Die kalligraphischen und miniaturschriftlichen Werke Sayed Muhammad Da’ud Hossainis in Jahrbüchern und anderen Publikationen in Afghanistan und allen anderen islamischen Ländern zeichnen sich durch ihre Vielzahl und Vielfalt aus. Er hat auch einmal für den Unterricht der Schüler des Landes eine Broschüre mit dem Titel “Führer durch die Schreibkunst” veröffentlicht.
Sayed Muhammad Da’ud Hossaini beherrschte auch die Kunst des Zeichnens. Von der Zeit unmittelbar nach der Erringung der Unabhängigkeit bis zur Errichtung des republikanischen Regimes waren alle graphischen Entwürfe für Staatswappen, Medaillen, königliche und nationale Fahnen, Militärflaggen verschiedener Zeitepochen sowie Banknoten und Münzen das Werk seiner Hände.
Im Stil von Hafiz, Maulana Esmat-e Bochari, Bidel und Saeb schrieb Meister Hossaini Gedichte und stellte auch einen eigenen Diwan (Gedichtsammlung) zusammen, welcher Ghazelen, Qassiden, Mochammas, Qitas und Rubaiyat umfaßte. Sein Diwan wurde nicht gedruckt, und es ist zu hoffen, daß trotz aller Schrecknisse und Katastrophen, die das Land in jüngster Zeit erleiden mußte, dieser Diwan nicht verlorengegangen, sondern noch bei seinen Hinterbliebenen in Kabul vorhanden ist.

Forschungen
[inspic=530,left,,250]Ein umfangreiches Werk Hossainis über das Grabmal Bidels in Chodja Rawasch-e Kabol sowie diesbezügliche Dokumente von Gelehrten, Fachleuten und Sachkundigen aus dem In- und Ausland, konnten leider wegen des Staatsstreiches des Sardar Muhammad Da’ud Chan nicht gedruckt werden.
Auch der Wiederaufbau des Grabmals des Bidel in Chodja Rawasch-e Kabol, welcher auf Befehl des verstorbenen Königs unter Leitung der Baudirektion des Ministeriums für nationale Verteidigung in Angriff genommen werden sollte, konnte nicht durchgeführt werden. Eine Anzahl von Anhängern der Verwirklichung dieses Vorhabens haben ihre Meinung im Internet geäußert. Professor Hossaini hat große Anstrengungen unternommen, damit der Leichnam des verstorbenen Mahmud-e Tarzi in seine Heimat überführt werden kann, doch leider haben es die Ereignisse im Lande nicht erlaubt, daß dieser Wunsch erfüllt werden konnte.

Dieser Beitrag von Dr. Hashmat Hossaini wurde von Herrn Uwe Feilbach aus dem Dari ins Deutsche übertragen.

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