Nachruf auf ein religiöses Gebäude

Ein Beitrag von Thomas Loy

[inspic=412,,,0] Jetzt ist der Blick endgültig frei auf den neuen Präsidentenpalast in Duschanbe. Mitsamt den letzten Resten der ehemaligen jüdischen Mahalla hinter dem Putovski (jetzt Barakat) Basar ist auch die einzige Synagoge in Duschanbe abgerissen worden. Bereits im Sommer 2006 hatten Regierungsbulldozer das ehemalige jüdische Badehaus (Miqve) und eine der Synagoge angegliederte Wohnung zerstört, um Platz zu schaffen für einen neuen Zufahrtsweg zum damals noch im Rohbau befindlichen Palast des damals noch Rahmonov genannten Präsidenten.

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Die Nacht und Nebelaktion wurde weltweit mit Ablehnung und verständnislosem Kopfschütteln ob der Ungeschicktheit und Unbekümmertheit der tadschikischen Regierung quittiert. Jüdische Interessenverbände, allen voran der Weltkongress der Bucharischen Juden unter Leitung seines Initiators und Finanziers Lev Leviev protestierten lautstark und suchten das Gespräch mit den Verantwortlichen vor Ort. Erst kürzlich kam es anscheinend zu erneuten Verhandlungen zwischen dem in Taschkent gebürtigen einflussreichen israelischen Geschäftsmann und Multimillionär und Emomali Rahmon und Mahmadsaid Ubaidulloev, dem Bürgermeister Duschanbes. Dabei ging es laut der israelischen Tageszeitung Haaretz vor allem um den Wiederaufbau der Synagoge. “But, addressing reporters after talks with Rakhmon, Leviev declined to give further details, saying it was a ‘subtle and delicate issue’.”

Die Tadschikische Regierung bietet als Entschädigung lediglich eine Parzelle am Stadtrand, wie es im Zuge der programmatischen Innenstadterneuerung in den letzten Jahren üblich geworden ist. Der neue Hauptstadt-Masterplan sieht vor, dass alle Viertel mit einstöckigen Häusern (Havlis) im Zentrum Duschanbes repräsentativeren Neubauten zu weichen haben und mit ihnen natürlich auch die alteingesessenen Bewohner. Auch hier gibt es für die lukrativen Grundstücke lediglich das schon Eingangs erwähnte Stück Land unerschlossen, abgelegen, wertlos. Widerstand ist zwecklos. Grund und Boden ist in Tadschikistan Staatsbesitz und nicht veräußerbar, nur Nutzungsrechte können erworben oder zugeteilt werden. Schon seit einigen Jahren kann man in der Innenstadt Duschanbes das bunte Nebeneinander bonbonfarbener, mehrgeschossiger Luxusneubauten und den aus den Resten der sowjetischen Mangelwirtschaft errichteten ebenerdigen Gehöften bewundern. Mit dieser augenfälligen Nachbarschaft von neureicher Oberschicht und abgehängter Normalität sollen die zukünftigen Besucher des neuen Duschanbe nicht mehr konfrontiert werden.

Zu dieser abgehängten perspektivlosen tadschikischen Normalität zählen dann auch die in Duschanbe verbliebenen Juden. Bei diesen handelt es sich sowohl um sogenannte Bucharische Juden, das heißt persischsprachige Zentralasiatische Juden, die vor allem nach der Gründung der Sowjetrepublik Tadschikistan aus den urbanen Zentren der Uzbekischen SSR nach Duschanbe kamen, als auch Aschkenasim, das heißt Osteuropäische Juden, die vor allem in der Folge des Deutschen Überfalls auf die Sowjetunion von dort nach Zentralasien flohen oder dorthin evakuiert wurden. Wie alle Juden der Sowjetunion so waren auch die Juden Tadschikistans Teil der in den 1970 Jahren und dann wieder Ende der 1980er Jahren einsetzenden Auswanderungsbewegung. Aber erst der ein Jahr nach der unfreiwilligen Unabhängigkeit einsetzende tadschikische Bürgerkrieg führte zur endgültigen Massenemigration und praktischen Auflösung der ehemals großen jüdischen Gemeinde Duschanbes. Laut Volkszählung von 1989 lebten 16.000 Juden, davon 12.000 Bucharische in Tadschikistan und die weitaus meisten davon in Duschanbe. 1992 wurden die meisten Juden Duschanbes in einer Rettungsaktion von israelischen Flugzeugen aus der schwer umkämpften Hauptstadt nach Israel ausgeflogen. Zurück blieben vor allem Alleinstehende und Familien, die nach USA auswandern oder (meist aufgrund jüdisch-muslimischer Mischehen) in Tadschikistan bleiben wollten oder mussten. Heute liegt die Größe der jüdischen Gemeinde in Duschanbe bei (großzügig geschätzten) 350 Personen.

Für diese bildete bisher die von Rabbi Michael Abdurahmanov geleitet Synagoge in der Nazim Hikmat Straße (ehemals Dehkanskaja Straße) das Zentrum ihres religiösen und sozialen Lebens.

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Vor ihrer Zerstörung gab es im Nebenhof der Synagoge einen Mittagstisch für die verarmten Gemeindemitglieder und die monatliche Ausgabe von Lebensmitteln. Auch für die heute vor allem in Israel und USA lebenden ehemaligen Gemeindemitglieder war die Synagoge in Duschanbe zentraler Anlaufspunkt in ihrer Sorge um die Zurückgebliebenen. Private Spenden ergänzen dabei oft die von jüdischen Organisationen bereitgestellte humanitäre Hilfe.

1924 eröffnete in Duschanbe die erste kleine nicht private Synagoge. Damals lebten in der neugegründeten sowjetischen Modellstadt etwa 70 bucharisch jüdische Familien. In den 1930ern und 1940ern wuchs diese jüdische Gemeinde rasch an. In den späten 1930ern wurde diese Synagoge geschlossen und erst 1947 konnte ein neues, etwas größeres Gebetshaus wiedereröffnet werden. Dieses wurde weitere drei Jahre später in ein altes vorsowjetisches Gebäude an der Dehkanskaja Straße verlegt.

Diese Synagoge und mit ihr ein letztes Stück jüdischer Geschichte Tadschikistans wurde nun im Juni 2008 beseitigt.

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