shí, jiǔ, bā, qī, liù, wǔ, sì, sān, èr, yī, líng oder wie China Tadschikistan verbindet


Ein Beitrag von Michael Angermann

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Nach ein paar Sekunden ertönt ein lauter Knall hoch über dem Tal des Fan-Flußes, so ziemlich in der Mitte zwischen dem nördlichen und südlichen Teil Tadschikistans, zwischen der zweitgrößten Stadt des Landes Chudschand und der im Süden gelegenen Hauptstadt Duschanbe. Gesteinsbrocken wirbeln durch die Luft. Während ein Wolgafahrer noch ein paar Meter vorfährt, um den fliegenden Lackkillern hinter sich zu entgehen, verfolgt ein Vater mit seinem zweijährigen Sohn auf dem Arm das Geschehen aus unmittelbarer Nähe, zusammen mit ein paar Dutzend interessierten Beobachtern.

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Die Wagenkolonne steht eingekeilt zwischen zwei chinesischen Sprengkommandos, während der chinesische Sprengmeister bereits die nächste Sprengladung gemäß den Sicherheitsrichtlinien direkt neben den Autos in die Löcher stopft, unter den fachsimpelnden Augen der einheimischen Beobachter [Bild SprengmeisterBeobachter]. Es ist abends, kurz vor sieben Uhr, im Spätsommer 2007. Vor einer Stunde hätte die Strasse geöffnet werden sollen, doch der Termindruck ist immens und so rollen bereits die Fahrzeuge von beiden Seiten in die noch aktiven Sprengabschnitte ein. Den ganzen Tag war die Strecke geschlossen und erst jetzt mit dem Sonnenuntergang wird die Piste für die Nacht freigegeben.
Bis zu 10.000 chinesische und 2.000 tadschikische Straßenarbeiter verwirklichen das derzeit größte Infrastrukturvorhaben in Tadschikistan. Die 410 Kilometer lange, einzige Verbindung zwischen Nord- und Südtadschikistan soll in einem gewaltigen Kraftakt innerhalb von zwei Jahren runderneuert und ausgebaut werden.

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Insgesamt drei Tunnel werden dafür sorgen, die Straße ganzjährig befahrbar zu machen, die aufgrund der Passüberquerungen bisher nur sechs Monate im Jahr geöffnet werden konnte. Der Bau des Anzobtunnels, der den 3370 Meter hochgelegenen Anzobpass hinfällig werden lässt, wurde bereits in der Sowjetunion begonnen und wird derzeit durch die iranische Sobir International fertig gestellt. Obwohl der Tunnel bereits eröffnet wurde, sind die Arbeiten noch längst nicht abgeschlossen. Fehlende Deckenverkleidungen und Luftschächte sowie Wassereinbrüche machen die Fahrt durch den Tunnel nicht minder risikobehaftet wie den Weg über den Pass.

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Die zwei weiteren Tunnel Maichura und Schahristan am ebenfalls 3370 Meter hochgelegenen Schahristanpass sind Teil des im Juli 2006 begonnenen chinesisch-tadschikischen Strassenbauprojektes. Die Gesamtlänge der Strassenverbindung angefangen von der usbekischen Grenze bei Buston im Norden über Chudschand nach Duschanbe wird durch die Tunnel um 53 Kilometer auf 357 Kilometer verkürzt. Die Reisezeit vermindert sich um ein Vielfaches durch die wegfallenden zu überwindenden Höhenunterschiede.
Die Volksrepublik China hat für dieses Projekt einen 281 Millionen US-Dollar Kredit zu zwei Prozent jährlichen Zinsen über 20 Jahre zur Verfügung gestellt. Tadschikistan steuert noch 15 Millionen US-Dollar als Eigenbeteiligung zu dem Projekt dazu. Die staatliche China Road and Bridge Corporation war demnach auch förmlich prädestiniert dazu, als Auftragnehmer für dieses Projekt der chinesischen Entwicklungszusammenarbeit zu agieren. Bereits in Kirgisien hat diese Firma einen Teil der Bischkek-Osch-Magistrale ausgebaut.
Die Tadschiken ärgern sich zwar über die chinesischen Arbeiter, die ihnen die Arbeit wegnehmen, aber die schweren Bedingungen, unter denen die Chinesen arbeiten, sind nach Ansicht der meisten Tadschiken die 300 US-Dollar Monatslohn und ein Leben im Zelt neben der Piste nicht wert.

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Ein zeitweiliger Aufenthalt in Russland als gastarbeiter ist da in den meisten Fällen lukrativer und ungefährlicher. Schon einige chinesische Arbeiter kehrten von den riskanten Baustellen im tadschikischen Hochgebirge nicht mehr zurück in ihre Heimat.
Der nächste Knall ertönt und die letzten Absprachen zwischen Geschäftsleuten, die die Zeit genutzt haben, werden getroffen.

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Jetzt setzen sich die Kamaz-LKWs, deren Bremsen durch die Wartezeit inzwischen abgekühlt sind, mit der PKW-Flut in Bewegung, um einige hundert Meter später auf der einspurigen Strecke auf die Fahrzeugkolonne der Gegenrichtung zu stoßen. Für staatliche Strukturen wie die Verkehrspolizei lohnt sich hier kein Einsatz. Nach einer weiteren Stunde haben sich die angestauten Fahrzeugkolonnen in einer Art Gratwanderung zwischen Überhang und Abgrund aneinander vorbeigeschoben. Ein kleiner Geröllabgang von oben auf einige Fahrzeuge hatte zwischendurch noch für ein Stimmungstief gesorgt, aber niemanden wirklich aus der Fassung geworfen.

Es ist inzwischen Nacht und vor den Zelten der chinesischen Arbeiter köcheln die Nudelsuppen, während das Rauschen und Brausen des Windes, des Fan-Flußes und der Fahrzeugkolonnen die ganze Nacht vorbeiziehen.

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Übrigens shí, jiu, ba, qi, liù, wu, sì, san, èr, yi, líng ist der Countdown auf Chinesisch.

Update: Aktuelles von der Strecke (Stand Mai 2008):

  1. Alle Hunde und Kriechtiere im Umkreis der Piste sind tot.
  2. Der Anzob – Tunnel steht mal wieder Unterwasser, 20 cm.
  3. Die Chinesen sprengen noch immer wie verrückt und für´s Aufräumen zahlt jeder, der vorbei will, einen Somoni (€ 0,20).

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