Tadschikistan – die bleierne Zeit

Blick auf den Präsidentenpalast

Seit den Präsidentschaftswahlen bewegt sich hier praktisch gar nichts mehr”. Diese resignierte Feststellung eines Mitarbeiters der Europäischen Kommission in Tadschikistan bilanziert die Entwicklungen seit November 2006. Allerdings scheint diese inoffizielle “internationale” Erkenntnis die allgemeine Stimmung im Land erst verspätet aufzunehmen. Bereits im Jahr vor den Wahlen 2006 war in der tadschikischen Bevölkerung flächendeckend die Hoffnung der frühen Nachkriegsjahre auf eine schrittweise Verbesserung vor allem der wirtschaftlichen Lage verflogen. Es wurde immer deutlicher, dass sich auf absehbare Zeit an dem durch den Friedensschluss 1997 etablierten Machtgefüge nichts mehr grundlegendes ändern würde. Alle Claims waren abgesteckt und den an der Macht befindlichen Eliten gelang es im Laufe der Zeit, auch starke interne Widersacher auszuschalten. Anfänglich durch gezielte Gewalt, dann immer mehr durch “rechtsstaatliche”. Seither werden Positionen innerhalb des Staatsapparats bis in die untersten Ebenen mit Vertretern aus den eigenen Reihen besetzt.

Hingegen bleibt für Personen mit “falschem regionalen Hintergrund” praktisch kein Raum. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, doch mittlerweile verlassen auch diejenigen das Land (oder ziehen diesen Schritt in Erwägung), die bisher im internationalen Arbeitsmarkt von Duschanbe noch ganz gute Chancen, Positionen und Verdienstmöglichkeiten hatten.Für die bis zu einer Millionen junger, meist unausgebildeter Männer gibt es Verdienstmöglichkeiten ohnehin seit Jahren nur noch in Russland. Tadschikistan ist einer der Spitzenreiter bei Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten. Fast 40% des tadschikischen Bruttoinlandsprodukts wird durch Arbeiter im Ausland erarbeitet. Nur durch diese finanzielle Ünterstützung kann ein Großteil der ohne Einkunftsmöglichkeiten in Tadschikistan lebenden Bevölkerung am Leben gehalten und mit dem notwendigsten versorgt werden. Die Gehälter der zu Sowjetzeiten prestige- und einkommensstarken Berufe in Medizin, akademischer oder schulischer Bildung reichen nicht aus, um eine Familie auch nur ansatzweise zu versorgen. Landlose Bauern erarbeiten das “weiße Gold” defakto zum Nulltarif. Landbesitzende Bauern in den nördlichen und südlichen Baumwollregionen befinden sich oftmals in einer anhaltenden Schuldenspirale von der nur die derzeitigen Kolchosbesitzer und die wenigen Zwischenhändler mit ihren “Future-Krediten” profitieren.

Dushanbe nochmaliger Blick auf den Präsidentenpalast Die Verdopplung der Lebensmittelpreise im letzten Jahr haben diese Misere nur noch weiter verschärft. Ebenso wie die notorische Energieknappheit. Vor allem der letzte “Jahrhundert-Winter” hat die seit Jahren bekannte Misswirtschaft in diesem Kernbereich schmerzlich in Erinnerung gerufen. Der Strom der neuen Staudammbauten und -pläne bereits auf Jahre voraus gegen Investitionen ins Ausland verkauft und Norakstrom reserviert für die Produktion von Aluminium, dessen immenser Reingewinn in private Offshoreholdings auf den British Virgin Islands abgezweigt und dem tadschikischen Gemeinwesen in keinster Weise zugute kommt. Für den kommenden Winter sind bereits Strombeschränkungen auf zwei Stunden pro Tag angekündigt.

Die gegenwärtige tadschikische Regierung scheint nicht in der Lage oder Willens, an dieser prekären Situation im Land irgendetwas grundlegendes zu verändern. Die kosmetischen Eingriffe beschränken sich weitgehend auf die Oberflächen im Zentrum der Hauptstadt und auf ausländisch (vor allem Chinesisch) finanzierten Straßenbau. Man scheint sogar zufrieden mit dem Erreichten, mit der Sicherung und dem Ausbau von Macht und damit einhergehend, materiellem Besitz. Mit den Worten: “Alles was ich mache, mache ich zum Wohle der Nation” lässt sich der Präsident im ganzen Land auf Plakaten abbilden. In einem Land der neuen Armut, in einer bleiernen Zeit.

Der Autor dieser Zeilen ist der Redaktion bekannt. Er liebt das Land und seine Leute.

Siehe auch die letzen posts auf http://beyond-the-river.com/

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