Erster deutschsprachiger Reiseführer für Tadschikistan

von Sonja Bill

[inspic=700,left,,150]Nun ist es endlich soweit, und das kleinste zentralasiatische Land hat seinen ersten deutschsprachigen Reiseführer. Der Weg bis zum Buch war nicht ganz einfach, so wie das Befahren vieler Wege und Straßen in Tadschikistan eben nicht ganz einfach ist. Dafür warten aber hinter fast jedem Berg ein kleines Abenteuer und spannende Geschichten.

Fast eineinhalb Jahre habe ich – erst für den Deutschen Entwicklungsdienst, dann für die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit – in Tadschikistan gearbeitet. Während dieser Zeit durfte ich viel reisen und das Land, seine Menschen und seine verwunschenen Orte kennenlernen. Immer war ich auf der Suche nach kulturellen und kulinarischen Besonderheiten, nach den fantastischsten Fotomotiven und den schönsten Bergtouren, nach den angenehmsten Unterkünften und den interessantesten Informationen.
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Auch weil es meiner Meinung nach wichtig ist, den Tourismus in Tadschikistan zu fördern. Denn besonders in den strukturschwachen Bergregionen kann er Einkommen generieren. Während meiner Recherchezeit im Land ist mir besonders das Zerafschantal ans Herz gewachsen, die Sieben Seen bei Pendschikent, der Iskanderkul und die Alaudin Seen. Hier entstanden in den letzten Jahren viele Gästehäuser, die auf Touristen und Reisende warten und bislang kaum bekannt waren. Dies soll sich fortan ändern. [inspic=694,,,400]

Für den Reiseführer sprach ich mit dem Musiker Daler Nazarov, der durch die Filmmusik zu “Luna Papa” mit Moritz Bleibtreu auch in Deutschland bekannt geworden ist. Ich führte ein Interview mit einem Gesandten des Aga Khan, dem religiösen und weltlichen Führer der Ismailiten im Pamir und traf mich mit Bergführern in Tadschikistan. All diese Gespräche flossen in das Buch ein und ich hoffe, es wird für viele ein informativer und guter Begleiter sein.

Eine gute Reise durch ein spannendes Land wünscht
Sonja Bill

Sonja Bill: Tadschikistan, Zwischen Duschanbe und dem Dach der Welt, 267 Seiten,
17,95 €‚¬, Trescher Verlag (ISBN: 978-3-89794-160-1). Erhältlich im Internet, in jeder deutschen Buchhandlung und beim Verlag selbst.

tethysKurzrezension des Reiseführers Tadschikistan

Sonja Bills Reiseführer ist überzeugend aufgebaut. Er besteht aus zwei Teilen, einer überblicksartigen allgemeinen Beschreibung der Geschichte, Kultur und Natur Tadschikistans (“Land und Leute” S.19-70) und einem Reiseteil mit detaillierten Orts- und Routenbeschreibungen (S. 71-225). Daran schließt sich noch ein klitzekleiner “Sprachführer” (S. 226-234) sowie nützliche “Tipps von A bis Z”. Leider ist die Ausführung des ersten Teils weniger überzeugend. Vor allem der Geschichtsteil bedarf bei einer Neuauflage unbedingt einer Überarbeitung und Straffung. Natürlich ist es eine Herausforderung, mehr als 2000 Jahre auf weniger als acht Seiten überzeugend darzustellen. Versucht man es aber, sollten die Grundlinien klarer herausgearbeitet werden. Die dafür nötige wissenschaftliche Literatur ist auch auf Deutsch vorhanden. Leider findet sich davon im Anhang “Literatur” (S.253-254) zu wenig. Schade ist auch, dass hier die in der DDR herausgegebenen Literaturübersetzungen von Werken Sadriddin Ajnis und Rahim Dschalils nicht aufgeführt sind. Auch die umfangreiche Reiseliteratur des frühen 20. Jahrhunderts und auch die Bergsteigerliteratur aus DDR-Zeiten hätten gut hierher gepasst. Auch für einige empfehlendwerte Filme tadschikischer Filmemacher der letzten Jahre wäre auf Seite 254 durchaus noch Platz gewesen.

Im Reiseteil hingegen kommen die Vorzüge dieses Reiseführers zum Tragen. Und in der Tat ist dies ja auch der durchaus wichtigere Teil dieser Literaturgattung. Die Auswahl und Beschreibung der Orte und Routen bieten auch für “Tadschikistan-Erfahrene” durchaus noch überraschendes und wissenswertes. Tolle Wanderrouten, Ausflugsziele und Sehenswürdigkeiten machen Lust auf ein Land, in das die Touristenströme bislang noch nicht angekommen sind. Die Leser erhalten hier viele hilfreiche und äußerst praktische Reise-Tipps. Leider fehlen die einen oder anderen Reiseziele und Gegenden, wie etwa Vahdat, Faizobod oder die Sehenswürdigkeiten und Gebirgsgegenden nord-östlich der Stadt Kulob.

Aber es bleibt festzuhalten, dass es bisher weder auf Deutsch noch auf Englisch einen derart akribisch und auf das praktische Reisen angelegten Reiseführer zu Tadschikistan gibt. Für diese Pionierleistung gebührt der Autorin allergrößter Respekt und Dank. (Der 2008 erschienene englischsprachige Reiseführer von Robert Middleton “Tajikistan and the High Pamirs” konzentriert sich vor allem auf letzteres und passt auch nicht in den Rucksack).

Besonders gelungen ist auch die visuelle Gestaltung des Reiseführers! Die Fotos geben sowohl die Landschaften wie auch den Alltag in Tadschikistan hervorragend wieder. Sie sind nahe dran am Leben und niemals hat man das Gefühl, dass Effekthascherei oder Lust am Exotischen die Kamera geführt haben. So fangen auch noch die unscheinbarsten Motive die Stimmung im Land und den Charakter seiner Menschen sehr schön ein. Wer möchte, kann hier ein paar Probeseiten ansehen.

Für eine noch bessere Les- und Nutzbarkeit des flüssig und frisch geschriebenen Reiseführers hätte nicht nur bei Usbekistan und Tadschikistan die im Deutschen übliche Schreibweise gewählt werden sollen, sondern auch bei anderen Orts- und Personennamen – allen voran bei der tadschikischen Hauptstadt – Duschanbe. Die Orientierung an russischem Kartenmaterial, Aussprache und Schreibweisen führt dabei oft in die Irre und ist der Realität in Tadschikistan auch nicht mehr angemessen. Die drei von Markus Hauser in den letzten Jahren bei gecko-maps herausgegeben Karten wären ein guter Ausgangspunkt für eine plausiblere und stimmigere Umschrift gewesen. Seit Kurzem gibt es sogar eine hervorragende tadschikischsprachige Karte. Allerdings ist diese in der Schweiz für das tadschikische Bildungswesen produzierte Karte nicht einfach zugänglich. Ihr Maßstab (1:800 000) eignet sich auch nicht für das Wandern. Dennoch sollte sie in der Zukunft die Grundlage für alle Ortsbenennungen in Tadschikistan sein.

An dieser Stelle ist eine kleine Anmerkung, das gegenwärtige Verlagswesen betreffend, angebracht. Ein Lektorat findet auch im wissenschaftlichen Publikationswesen nicht mehr statt. Oder es ist so oberflächlich und nur auf das Layout beschränkt, so dass selbst grobe inhaltliche Schnitzer und einfache Schreibfehler nicht mehr auffallen. Beim Lesen wirkt dieses Versäumnis dann doch etwas störend. Mit nur ein wenig redaktionellem Aufwand ließen sich die meisten dieser Fehler aus den Texten schaffen. Ein ordentliches Lektorat kostet natürlich Zeit und Geld. Aber soviel sollte dann trotz des harten Verlagsgeschäfts doch noch aufzubringen sein.

Auch der kurze, durchaus hilfreiche “Sprachführer” weist einige kleinere, durchaus verzeihbare Fehler auf. Die gröberen Schnitzer wären aber bei einer einmaligen Durchsicht ebenfalls leicht zu vermeiden gewesen: “Hammel” wird hier mit “osmon” wiedergegeben, was aber “Himmel” heißt. “Pass” als “shinosnoma” wäre besser unter der Rubrik “Offizielles” als “Ausweis” aufzuführen. In der Rubrik “Orientierung” wäre für Pass eher “aghba” zu erwarten gewesen. Das völlig verunglückte “huqoq” für “rechts” muss dann als fälschlicherweise vom englischen “rights” (“huquq”) abgeleitet angenommen werden. Woher das “o” kommt, weiß wohl nur der Gott der Transkription.

Insgesamt gesehen ist der Reiseführer trotz aller genannten Schwächen unbedingt zu empfehlen. Neben dem Reiseteil sind auch noch die Essays, die Rezepte und andere kleinere Exkursionen unbedingt positiv zu erwähnen. Man erhält hier seltene Einblicke in das Leben auf einer Hochweide im Pamir, einen genauen Überblick über die Welt der Wildtiere. Gemeinsam mit der Autorin steigt man in den Zug von Duschanbe nach Chudschand in Nordtadschikistan, der die Reisenden gleich durch mehrere Länder bringt, oder folgt der Autorin im Auto über den Pamir Highway. Außerdem kann man hier die dramatische Geschichte zweier kleiner Volksgruppen in Tadschikistan nachlesen – der Deutschen und der Jaghnobi.

Sonja Bills “Tadschikistan” gehört ins Gepäck all derer, die sich auf den lohnenden Weg nach Tadschikistan machen. Hoffentlich sind es so viele, dass sich eine zweite überarbeitete Auflage lohnt. Bis dahin wünscht tethys allen eine gute Reise. Rohi safed!
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Im Sommer 2010 wird im Iatros Verlag ein weiteres Buch von Sonja Bill erscheinen (“Unterwegs in Tadschikistan”), diesmal mit absurden und spannenden Geschichten aus dem tadschikischen Alltag. Sonja Bill lebt mittlerweile wieder in Europa und arbeitet als freiberufliche Autorin und Journalistin für verschiedene deutsche Verlage und Medien.

One Thought on “Erster deutschsprachiger Reiseführer für Tadschikistan

  1. Fira on May 11, 2010 at 02:28 said:

    Hi,
    ich bin ein Tadschike aus Duschanbe, lebe aber in BRD und sehr froh und stolz darüber, dass dieser Reiseführer endlich erschinen ist.
    Vielen Dank Sonja für Ihre hervorragende Arbeit. Eins kaufe ich mir auf jeden Fall ! Salom

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