Abdullah Jafar Ibn Mohammad Rudaki zählt zu den am meisten verehrten Dichtern im persischsprachigen Raum. In Afghanistan, im Iran und in Tadschikistan wird er bis heute als Nationaldichter gefeiert und seine Werke oder Teile daraus geliebt, gelesen und rezitiert. Eine Einschätzung und Würdigung des Vater der neupersischen Poesie von Dr. Haschmat Hossaini.
Im 3. Jahrhundert nach der Hedschra (9. Jh. nach Christus), als der Freiheitsgedanke in Xorassan an Kraft gewann und das Land vom Abbassidenreich losgelöst wurde, haben die ersten Wortgewaltigen der Sprache und Literatur des Dari im damaligen Xorassan und Sistan die Fackel der Dichtung und Literatur in die Hand genommen und mit ihr das Licht nach ZaranÄŸ, FÅÅ¡anÄŸ, Sistan, Herat, Ä År, Balx, ÄžÅzÄŸÄnÄn, Toxarestan, Kabol und Zabol getragen. Die Safariden von Sistan und die Samaniden von Balx waren die Vorreiter und Inspiratoren dieser Bewegung.
Die Dari-Dichtung, die mit Hanzala-ye Bada¡isi, Mahmud-e Warraq-e Herawi und Mohammad ebn-e Wasif-e Sakzi-ye Sistani in den südlichen Teilen des Landes ihren Anfang nahm, strebte mit Abu- Å ukur-e Balxi, AbÅl-Mo’ayyed-e Balxi, Å ahid-e Balxi, Rudaki-ye Samarqandi und Daqiqi-ye Balxi in den nördlichen Teilen Xorassans ihrer Vollendung entgegen. Mit Rudaki, dem großen Dichter aus Xorassan erlebte die Dari-Dichtung ihre volle Blüte.
Qari Abdullah, ein ehemaliger Dichterkönig und namhafter Literaturkenner Afghanistans, hat in seiner Literaturgeschichte Rudaki als den “Karawanenführer der Dichtkunst” und “Urvater der Poesie” bezeichnet. Einige verliehen ihm auch die ehrenden Beinamen “Architekt der Dari-Dichtung”, “Meister aller Dichter” oder “Herrscher der Dichter” und behielten ihn unter diesen Namen in Erinnerung.
Abu-Abdullah Äža`far ebn-e Mohammad-e Rudaki wurde im Jahre 858 n. Christus im Stadtviertel Banua, welches das Zentrum der Stadt Rudak östlich von Samarkand war, geboren und verstarb daselbst in hohem Alter im Jahre 941. Heute befindet sich Rudakis Geburtsort und Grabmahl in Panjrud, einem kleinen Gebirgsort zwischen Panjakent und Ajni im tadschikischen Zarafschantal. Das Mausoleum, eingerahmt von den Gipfeln der Fan-Berge stammt aus dem Jahr 1956.
Aus den Schriften der Gelehrten, vor allem des berühmten Gelehrten und Schriftstellers Mohammad-e A’ufi aus Buchara (12. Jhd. n. Ch.) geht hervor, dass Rudaki bereits im Alter von acht Jahren den Koran auswendig gelernt hatte und damit begann Gedichte zu schreiben. Er studierte in den Madrasas des nahegelegenen Samarqand und entwickelte sich dort zu einem hochgebildeten Dichter. Er beherrschte den Wortschatz des Dari in so hohem Maße, dass in den Wörterbüchern unserer Sprache noch heute ständig Belege aus seinen Gedichten angeführt werden.
Dichtung und Musik waren im 10. und 11. Jahrhundert nach Chr., genau wie auch in vorislamischer Zeit, eng miteinander verbunden. Die großen Dichter waren immer auch Kenner der Musik und trugen ihre Gedichte singend und mit Musikbegleitung vor. Dichter, die über keine schöne Stimme verfügten, oder unmusikalisch waren, beauftragte einen Rawi (berufsmäßiger Erzähler) damit, ihre Gedichte vorzutragen; besonders dann, wenn der Besungene, d.h. der in dem Gedicht Gelobte, beim Vortrag anwesend war. Unter den Dichtern, die Zeitgenossen Rudakis waren, gehörten MonÄŸik-e Termezi und nach ihm Farroxi-ye Sistani zu den Meistern der Musik ihrer Zeit. Auch Rudaki galt als äußerst musikalisch und besaß eine schöne Stimme und hat seine Gedichte mit Instrumentenbegleitung und wohlklingender Stimme vorgetragen. Er studierte Musik und erlernte das Harfenspiel bei AbÅl-A’bak-e Baxtyar, der zu den angesehenen Meistern der Musik jener Zeit zählte und im hohen Alter seinem Schüler Rudaki seine Harfe vermachte.
In Transoxanien kam es zu Rudakis Lebzeiten zu tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Durch die Wissenschaftsbegeisterung einiger Samanidenherrscher sowie durch die Anstrengungen und die Klugheit hervorragend gebildeter und erfahrener Minister wie AbÅl-Fazle Bal’ami, und Abu-A’li Mohammad-e Ažayhani bot der Hof der Samaniden ein sehr günstiges Klima für Diskussionen und intellektuellen Gedankenaustausch, wodurch Kulturschaffende und Dichter von Nah und Fern angezogen wurden. Dank dieser günstigen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen entwickelte sich Buchara zu einem bedeutenden kulturellen und literarischen Zentrum. Die größte Bibliothek dieser Epoche befand sich ebenfalls in Buchara.
Der Ruf des jungen Dichters Rudaki drang bis an den Hof der Samaniden, und Nasr ebn-e Ahmad-e Samani (Amir Nasr II. 914 – 942 n.Chr.) rief ihn zu sich. Einige Wissenschaftler vertreten jedoch die Auffassung, dass er schon vor Nasr ebn-e Ahmad an den Hof der Samaniden gekommen sei. Unbestritten ist, daß er dort zu einer geistig-kulturell einflussreichen Stellung gelangte, die ihm auch materiellen Wohlstand brachte. Der Einfluß seiner Dichtung und seines Gesanges bei Hofe waren so gewaltig, dass einmal, als er ein Gedicht zum Lobe Bucharas vorgetragen hatte, Nasr ebn-e Ahmad, welcher nach Herat gekommen war und sich dort für längere Zeit aufgehalten hatte, so tief davon ergriffen war, dass er nach dem Anhören des Gedichtes, unverzüglich und barfuß wie er war, sein Pferd bestiegen und sich sofort auf den Weg in seine Heimat Buchara machte.
Die bedeutendsten Werke der Wissenschaften, der Literatur und der Geschichtsschreibung, wie etwa das Å ahnama-ye Abu-Mansuri, das Å ahnama-ye AbÅl-MÅa’yyed-e Balxi, die Werke AÄŸÄ’eb-ol-boldan (Wunder der Länder) , Hudud -ol- alam (Die Grenzen der Welt), Tafsir-e Tabari (eine verkürzte Übersetzung des Korankommentars von Tabari), die von mehreren Gelehrten zusammengestellt wurde, Tarix-e Tabari (die Übersetzung der Chronik Tabaris von Abu-Ali Mohammad-e Balami), sowie die Werke Abu-Rayhan-e Birunis und Abu-Ali Sina-ye Balxis (in Europa als Avicienna bekannt) entstanden in der Epoche der Samaniden.
Rudaki war der erste Dichter des Farsi-ye Dari, der in seinem Zeitalter zu Ruhm gelangte. Der Rang Rudakis in der Rethorik und Dichtkunst war so bedeutend, dass unter seinen Zeitgenossen berühmte Dichter wie Å ahid-e Balxi und Marufi-ye Balxi ihn verehrten und unter den Literaten, die nach ihm lebten, solche Persönlichkeiten wie Daqiqi-ye Balxi, Nezami-ye Aruzi, FarrÅxi-ye Sistani, Naser Xosrau-e Qobadiyani-ye Balxi seine Größe rühmten.
Der Einfluß Rudakis auf die Dichter, die nach ihm kamen, ist unbestritten. Immer, wenn er neue Dichtungsformen in die Dari-Lyrik eingeführt hatte, dann folgten die anderen diesem Weg und übernahmen seinen Stil. Er machte auch viele arabische Dichtungsformen für die Dari-Sprache nutzbar und förderte deren Verbreitung. Er war es, der zuerst Qassida (Elegie, Ode), Massnawi (Gedicht bestehend aus zwei sich reimenden Halbversen), Ä azal (lyrisches Gedicht), Qeta (Kurzgedichte) Madhiya (Lobgedicht) und Marssiya (Trauerlied) in Dari verfasst hat. Vor Rudaki hatte es außer dem Rubai (Vierzeiler) die anderen Gedichtformen in ausgeprägter Form in der Dari-Literatur nicht gegeben. Rudaki war der erste, der die gesamte persische Metrik in vollendeter Form entwickelt hat. In den Gedichten, die von ihm erhalten geblieben sind, finden sich 35 verschiedene Versmaße.
Rudaki war auch der erste Dichter des Farsi-ye Dari, der eine Gedichtsammlung (Diwan) seiner Gedichte zusammengestellt hat. Seine Gedichte verkörpern einen beweglichen und lebendigen Geist, und sie haben eine Bewegung hervorgebracht, die zu einer grundlegenden Veränderung des literarischen Stils und Geschmacks geführt hat.
Sein dichterisches Genie, das in seinem poetischen Werk zum Ausdruck kommt, ist bemerkenswert. Onsori-ye Balxi, der in der glanzvollsten Epoche der Dichtung in der Geschichte unserer darisprachigen Literatur, Dichterkönig (Malek-o-Å¡o’ara) von 400, und nach anderen Aussagen von 600 Hofdichtern des Sultans Mahmud-e Ä aznawi gewesen war, hat das Talent Rudakis beim Dichten von Ä azelen einmal so beschrieben:
“Ä azelen,wie sie Rudaki geschrieben hat, waren großartig
Meine Ä azelen sind nicht vergleichbar mit denen Rudakis”
Was uns bis heute von seinem Werk erhalten geblieben ist, übersteigt leider die Zahl von tausend Versen nicht. Schätzungen gehen dagegen von einem bis zu 100.000 Verse umfassenden dichterischen Gesamtwerks Rudakis aus. Zu seinen Werken zählt die Dichtung “Kalila o Demna“, welche AbÅl-Fazl Mohammad-e Balami aus dem Arabischen ins Farsi-ye Dari übersetzte und Rudaki dann auf Wunsch Amir Nasrs und Balamis in Verse übertragen hat. Leider sind von diesem Werk nur 129 Verse erhalten geblieben.
Gegen Ende seines Lebens musste Rudaki erfahren, dass er bei Hofe keine Beachtung mehr fand, und so kehrte er in seinen Geburtsort zurück. Die Gedichte, die er im Alter geschrieben hat, waren voll von Klage über das Schicksal, Sehnsucht nach der Vergangenheit und Schilderung seiner Armut.
Legenden besagen, dass Rudaki von Geburt an blind gewesen sei. Untersuchungen des sowjetischen Anthropologen und Archäologen Michael Gerassimow an Rudakis Schädel und seinen Knochen legen jedoch nahe, dass man dem Dichter wohl im höheren Alter mit glühendem Eisen die Augen geblendet hatte. Gerassimows Forschungen weisen auch darauf hin, dass Rudaki der Religionsgemeinschaft der Ismaeliten zugeneigt war und dies möglicherweise im Zusammenhang mit dessen Blendung stand.
Auch über 1000 Jahre nach seinem Tod ist das Leben des Abu-Abdullah Äža’far ebn-e Mohammad-e Rudaki-ye Samarqandi in eine Aura aus Symbolik und Geheimnissen gehüllt und der Schleier des Zweifels und der Unbestimmtheit liegt immer noch ausgebreitet über dem Stammvater der persischen Dari-Dichtung.
Dr. Hossaini ist Germanist und Iranist, er stammt aus Kabul und lebt mit seiner Familie seit 1985 in Berlin und unterrichtet Dari an der Humboldt-Universität.
ich würde mich über einen kontakt bei intresse freuen,
betreff dari handgeschrieben bücher ca 150 jahre alt,
themen über arzt,chemie und astrologie
http://de.sevenload.com/videos/KN4idvj-Arabisch-dari-sprache
mit freundlichen grüssen manfred aus hamburg
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