Neues Blog über Afghanistan

Der eine oder andere hat vielleicht daily outlook Afghanistan schon als elektonische Zeitschrift gelesen. Wer dies regelmässig tut, dem werden die nächsten Zeilen keine Neuigkeit sein. Wer die Zeitung über afghanische Politik und afghanischen Alltag noch nicht kennt, der sollte unbedingt hereinschauen. Denn seit wenigen Tagen ist die Zeitung auch als Blog zu lesen. Dass ist angenehmer, als die vorherige epaper Ausgabe.

Anders als bei der normalen epaper Ausgabe, die es weiterhin gibt, sind nun grössere Stories in die Katergorien National, International, Environment, Politics, Security und Health geordnet und besser bildschirmlesbar aufbereitet.

Wir sagen von Weitem nur Chapeau! Chapeau! Dr. Kaja. Ein eindrucksvoller relaunch…

Kabul’s eleven

Eine tolle Geschichte; und eine traurige. Lesenswert allemal. Es geht dabei um die Veruntreuung – eigentlich um den Raub – von sage und schreibe neunhundert Millionen Dollar; oder mehr. Und das alles mit Hilfe einer Bank; der Kabul Bank und den mit ihr verbandelten Politikern und Geschäftsmännern aus dem Umfeld der amtierenden Regierung in Kabul.

Diese Geschichte passt recht gut zu unserem letzten post – sie bildet gewissermaßen den Gegenpol zu dem dort angeführten Beispiel einer positiven und angemessenen Zusammenarbeit.

Die Geschichte der Kabul Bank hingegen steht exemplarisch für das, was mit den Abermillionen US-Dollars, die seit 2001 nach Afghanistan gepumpt wurden bisher erreicht wurde. Der von Dexter Filkins kürzlich im newyorker publizierte Beitrag (s.o.) zeigt einmal mehr das Ausmaß der westlichen Fehlinvestition, bei der die Clique international gut vernetzter Geschäftsmänner und Politiker, auf die Amerikaner und deren Mitläufer ihre sogenannte Afghanistan-Strategie aufbauen, den Löwenanteil kassieren. Die am Geschäft beteiligten kriminellen Strukturen laufen quer durch alle Lager, der an den militärischen Auseinandersetzungen beteiligten Gruppen, und scheinbar wie selbstverständlich bis nach ganz oben in die politische Führung in Kabul.

Wieviel von den Mitteln, die eigentlich für den Aufbau des Landes vorgesehen waren und sind wieder zurück nach USA und Europa fließen – etwa in Form von Militärausgaben, Gehältern und Projektmittel für zweifelhafte Großbauprojekte – oder in derartigen EZ-Projekten in den afghanischen Sand gesetzt werden, sollte aber durchaus auch einmal beziffert und beschrieben werden. Aber das wäre wohl weniger spektakulär, als ein dreister Bankraub in Milliardenhöhe – und müsste ganz allein auf die eigene Kappe genommen werden.

Auf 430 Millionen Euro hat die Bundesregierung in einer Regierungserklärung die “zivilen Mittel” für Afghanistan für das Jahr 2010 veranschlagt – verbal verpackt in einen “Strategiewechsel… hin zu einem sehr viel stärkeren zivilen Engagement”. Bleibt abzuwarten, was und für wen diesmal dabei etwas rumkommt.

NEU: Naturtrüber Apfelsaft aus Neustadt

Aus Duschanbe kommend, kurz vor der usbekischen Grenze, muss der Apfelsaftfreund in Neustadt (tad. Shahrinav) links abbiegen. Vorbei am Kulturhaus und einer ausgedienten Aeroflot-Maschine erreicht der Fruchtsaftliebhaber die Produktionsanlage der Natural Product GmbH. Begrüßt wird man vom 25-jährigen Firmeninhaber Iskandar Kholov, der vor vier Monaten aus dem mittelfränkischen Triesdorf nach Tadschikistan zurückgekehrt ist. Dort hat er an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf einen Master in Internationalem Agrarmanagement abgeschlossen und seine Abschlussarbeit den Investitionsmöglichkeiten in die Fruchtsaftverarbeitung Tadschikistans gewidmet. Eine mittelständische Agrarfirma aus Deutschland konnte er von seiner Investitionsidee überzeugen und nun steht er vor seiner Fruchtsaftanlage, mit der seine 10 Mitarbeiter und er in den letzten drei Monaten bereits 70 Tonnen Apfelsaft gepresst haben.

Iskandar Kholv an seiner SaftproduktionsanlageIskandar Kholv an seiner Saftproduktionsanlage

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Radio im Verborgenen

Ein Beitrag von olim devona

Es ist Abend. Irgendwann im August 2010. Ich bin gerade in Mazar-e Sharif im Norden Afghanistans angekommen und habe hier nach längerem Suchen eine angenehme Bleibe gefunden. Nun leg ich mich aufs Hotelbett, zücke mein Mobiltelefon und schalte das Radio ein.

Automatische Sendewahl, denke ich mir. Mal sehen was so läuft:
88, 2, der erste Sender, indische Musik,
88.4, der zweite Sender, eher Musik aus der traditionellen afghanischen Ecke,
88.6 das nächste, turksprachige Programm, usbekische Musik.

Wow, denke ich, krasse Sendedichte. Das geht weiter so die gesamte Skale bis 106 hoch. Sender an Sender, und das in einer Stadt, die zwar die zweit oder dritt größte Stadt des Landes ist, in ihrer Bedeutung jedoch weit hinter Kabul zurücksteht. Continue Reading →

Schönheitsschule in Kabul

Selten liest man von einer gelungenen Idee, von einem gut gehenden oder gut gegangenen Projekt in Afghanistan. Nun hat mich eine Bekannte auf eine Seite aufmerksam gemacht, auf der Deborah Rodriguez von einem gemeinsamen Projekt mit Kabuler Frauen zu einem Friseursalon nebst Ausbildung berichtet. Gemeinsam mit afghanischen Frauen baute Deborah Rodgriguez dieses Projekt auf. Dinge die sie lernen musste: einen Friseursalon aufrechterhalten, wenn es keinen Strom oder kein heisses Wasser gibt. Dabei lernte sie in Afghanistan einen Bereich kennen, der fast 100 % Frauensektor ist und dazu Einnahmen verspricht, die Männer für ihre Arbeit kaum erhalten. Denn Friseure werden immer dann gebraucht, wenn geheiratet wird. Und wer heiratet, läßt schon mal ein paar Rupien springen, damit die Braut schön ist. Eine interessante grass root Geschichte ohne Antragstellung, ohne Evaluationsteam und vielleicht auf ihre Art auch wunderbar amerikanisch.

Eine spannende Diaschau zur Geschichte gibt es hier.

Einen kurzen Beitrag über ihre Arbeit hat ein amerikanischer Buchsender bereitgestellt.

Sarvoda – eine Tadschikisch-Amerikanische “Kooperation” oder Kleine Kapitalismusschule

Tadschikisch Amerikanischer Handschlag
Tadschikisch-Amerikanischer Handschlag in Sarvoda; Photo Christine Barthelme 2010

Kurz nachdem man den Anzobtunnel in Richtung Ajni hinter sich gelassen hat durchquert man die kleine Siedlung Sarvoda. Hier, am Zusammenfluss von Yaghnob-Darja und Pasrud-Darja stehen noch die Reste einer Festung aus der Zeit Alexander des Großen. Zur Zeit der Sowjetunion war das daneben liegende Dorf zu einer modernen Bergbausiedlung ausgebaut worden, die nicht von Duschanbe aus verwaltet wurde, sondern direkt Moskau unterstand. Heute haben amerikanische Investoren alle Förderanlagen übernommen. Die Wohnblöcke der Arbeiter, die Sportanlagen, die Musikschule, die Heizkraftwerkruinen und das örtliche Kino aber rotten seit dem Ende der Sowjetunion vor sich hin. Continue Reading →

Zugvögel über Kabul

Ein Beitrag von Just Boedeker und olim devona

Als vor fünfzig Jahren ein Schwarm Zugvögel von Europa über Afghanistan hinweg nach Indien ziehen wollte, wurden einige von ihnen schon vorher müde und ließen sich in Afghanistan nieder. Bevorzugter Rastplatz von ihnen war Kabul. Diese Zugvögel waren alle Mitglieder einer glücklichen Generation, die im Schoße des Wirtschaftswunders aufgewachsen waren, deren Eltern noch die Wirren und Unwägbarkeiten des Weltkrieges erlitten hatten und ihren Kindern aber nur das Beste mitgeben wollten: eine gute Erziehung, ordentliche Bildung, den Glauben an Fortschritt und ein besseres Leben. Es waren diese kleinen Aufsteiger, die den Glauben der Eltern als Bedrängung empfanden, sich in Studentengruppen gegen die verkrusteten Hierarchien verbünden wollten und schließlich als die 68er Generation zweifelhafte Berühmtheit erlangen sollten.

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Für viele dieser vielleicht einzigen “glücklichen” deutschen Generation des 20. Jahrhunderts, deren Leben so ganz ohne biographische Brüche verlief (keine Weltwirtschaftskrise, keine Kriegserfahrungen, keine Honnecker Stagnation), war jedoch Behütetsein, Aufstiegseros und Wirtschaftswunder ein Graus. Sie wurden Aussteiger, die genug Geld hatten, die Welt zu bereisen. Sie hatten den Willen dazu, dieses Geld länger zusammenzuhalten, als es ihre Klassenkameraden und Studienkollegen taten, die mit dem Auto nach Norditalien reisten, um dort den Espresso auf den Piazzas zu schlürfen und sich Sommerfrischegeschichten von Tante Marta anzuhören. Das waren also die Zugvögel, die in den späten 1960er und 70er Jahren aufbrachen, um den Raum zwischen der Türkei und Indien oder sogar Indonesien zu bereisen. Viele nutzten dafür eigens gecharterte Space Buses mit denen unter den Einfluss verschiedener Substanzen die oft ebenfalls berauschenden Landschaften der Region durchquert wurden. Die Ziele hießen Kalkutta, Bombay oder Hyderabad und eine der berühmten Routen dieser Zeit waren die drei Ks: Kabul, Kalkutta und Kuta.
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Tadschikistan im Strudel der Unruhen

So jedenfalls lautet eine Schlagzeile der tadschikischen Zeitung Ozodagon vom 15. September 2010. Vier Tage später kamen in der Region Rascht, ca. 180 Kilometer östlich von Duschanbe, bei einem Angriff auf einen Militärkonvoi im Kamarobtal zwischen den Dörfern Schulmak und Schule mindestens 25 Soldaten ums Leben. Seitdem brodelt in Duschanbe die Gerüchteküche.

Fahndung im Stadtbus in DuschanbeFahndung nach den ausgebrochenen Gefängnisinsassen im Stadtbus in Duschanbe

Von einem heißen Sommer und Herbst in diesem Jahr munkelte man in Tadschikistan bereits seit längerem. Und nach dem spektakulären Ausbruch von über zwanzig Gefangenen aus einem Hochsicherheitsgefängnis des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit in der Hauptstadt (Ende August), einem Selbstmordanschlag auf eine Station der Behörde für die Bekämpfung organisierter Kriminalität in Chudschand (Mitte September, der erste Selbstmordanschlag in Tadschikistan überhaupt) reißen auch in der tadschikischen Presse die Spekulationen darüber nicht ab, wer hinter diesen Taten steckt und welche Ziele eventuell damit verfolgt werden. Genaues aber weiß man nicht. “In Gharm wird gerade gekämpft” sagen die Leute auf der Straße. Die Zeitung Pajkon (22.09.) titelt “Ist in Gharm Krieg ausgebrochen?” Vorsichtshalber wurde die Stadtbevölkerung gebeten, nach 22 Uhr nicht mehr auf die Straßen zu gehen.

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Afghanistan kurz vor der Wahl

Ein Bericht von olim devona

Seit Wochen sind sie unterwegs, Autos mit Lautsprechern und Wahlkampfplakaten auf Dächern und an Fensterscheiben. Sie spielen entweder traditionelle Musik, spulen kurze Reden von Parlamentskandidaten ab oder lassen Parolen durch die Straßen schallen. Diese sind mit Wahlplakaten gepflastert, jeder Quadratmeter scheint besetzt.

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Kommenden Sonnabend werden in Afghanistan Parlamentswahlen abgehalten. Die Medien in Afghanistan berichten ständig darüber. Im Ausland scheint sich die Meinung etabliert zu haben, dass die Wahlen nur von pro westlichen Politikern ausgerichtet werden und eine große Gruppe bewaffneter Gruppierungen sie zu verhindern wünscht. Die Realität in Afghanistan ist jedoch weit davon entfernt, solch einem einfachen schwarz-weiss Muster zu folgen. Auch die Taliban schicken ihre Kandidaten ins Rennen.
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