Frühstück mit Kabiri

Ein Nachtrag zur Parlamentswahl in Tadschikistan

Am 26. März 2010 lud die Friedrich Ebert Stiftung zum “Arbeitsfrühstück” mit Muhiddin Kabiri, dem Vorsitzenden der Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (Hizbi Nahzati Islomi) und einer von zwei Abgeordneten dieser Partei im tadschikischen Parlament. Muhiddin Kabiri informierte die Teilnehmer dieser Gesprächsrunde über die kurz zuvor abgehaltenen Parlamentswahlen und die sich daraus ergebende politische Lage und Perspektive für Tadschikistan.

Die derzeitige Frustration bei Anhängern der Hizbi Nahzati Islomi sei sehr groß. Vor der Wahl, so Kabiri, bestand große Hoffnung in die Parlamentswahlen, da Emomali Rahmon persönlich die Verantwortung für deren demokratischen Ablauf übernommen hatte. Bis Mitte Februar gab es auch von Seiten der Opposition keinerlei Probleme zu vermelden. Dann allerdings sei aufgrund der Analyse der gesellschaftlichen Stimmung im Vorfeld der Wahlen, die vom Wahlkampfstab der Volksdemokratischen Partei Tadschikistans (d.h. der Partei Rahmons) durchgeführt wurde, eine Wende eingetreten. Der Wahlkampf der Oppositionsparteien sei von da an entschieden gestört worden. In Tadschikistan sind neben der Hizbi Nahzati Islomi nur noch die kleine Sozialdemokratische Partei, ein Flügel der seit 2004 gespaltenen Sozialistischen Partei und ein Flügel der 2006 gespaltenen Demokratischen Partei Oppositionsparteien. Alle anderen Parteien bezeichnen sich selbst als Pro-Regierungs-Parteien.

Mit den Aktionen “Säubert die Stadt” – bei der vor allem Plakate der Oppositionsparteien von Putztrupps aus dem Stadtbild entfernt wurden, konnte die Partei Kabiris noch kreativ umgehen. Schwieriger war es dann schon, als jugendliche Wahlkampfhelfer von einer überforderten Polizei vorübergehend festgenommen wurden. Diese Aktion wurde in Duschanbe bekannt als “die Verhaftung der Mäuse”. Einige junge Aktivisten hatten die witzige und äußerst publikumswirksame Idee, verkleidet in Mickey Mouse- und anderen Trickfilmhelden-Kostümen, die sie aus dem Fundus der örtlichen Fotografen ausgeliehen hatten, im Stadtzentrum Duschanbes auf Stimmenfang zu gehen. Auf den dadurch verursachten Rummel waren die auf Ordnung und Ruhe bedachten Sicherheitskräfte nicht vorbereitet. Überfordert vom unerwarteten Spektakel fiel ihnen nicht mehr ein, als die Mickey Mäuse festzunehmen um die Situation wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Ihr Argument: “Im Islam gibt es keine Mickey Mouse”.

Die schwerwiegenden Vorwürfe Kabiris richteten sich dann jedoch vor allem gegen angebliche Manipulationen am Wahltag selbst. Mit den offiziell erzielten 8% der Stimmen zeigt sich seine Partei und deren Anhänger nicht einverstanden. Kabiri geht von bis zu 40% der Stimmen für seine Partei aus. Kabiri hatte auch einige Kopien “gefälschter Wahlprotokolle” im Gepäck, die belegen sollen, dass in einigen Wahlbezirken einfach die ersten Ziffern der abgegebenen Stimmen vertauscht wurden. So habe dann seine Partei besipielsweise anstelle von 980 nur noch 180 Stimmen im Protokoll, während die Partei des Präsidenten anstelle der 150 ausgezählten Stimmen in der Endabrechnung dann 950 bestätigt bekommt. Viele derartige Fälle hätte seine Partei registriert und angemahnt. Allerdings war bisher kein Gericht in Tadschikistan bereit, derartige Klagen anzunehmen und ein Verfahren dahingehend zu eröffnen.

Um Ruhe zu bewahren, sei er selbst nach der Wahl für ein zwei Tage abgetaucht. Um die aufgebrachte Stimmung und die hochkochenden Emotionen vor allem der jungen Anhänger zu beruhigen, habe er dann eine Rede gehalten, mit dem vorrangigen Ziel keinen öffentlichen Protest zuzulassen.

Allerdings wolle die Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW) von nun an eine härtere Gangart in der Oppositionsarbeit anschlagen als bisher und fortan auch öffentlich die mangelnde Regierungsarbeit kritisieren. Die Partei hat aus Protest den sogenannten “Gesellschaftsrat” verlassen – eine offizielle Plattform für den Dialog zwischen Regierung und Zivilgesellschaft. Um dennoch einen Kanal für Gespräche mit der Regierung offen zu halten werde jedoch die Parlamentsarbeit mit zwei Sitzen für die PIW fortgesetzt. Dass dieses Vorhaben durchaus Risiken birgt weiß Muhiddin Kabiri. Repressionen von staatlicher Seite – wie etwa gegen die Demokratische Partei Tadschikistans, deren Führer Muhammadruzi Iskandarov vor den Präsidentschaftswahlen 2006 zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt wurde – fürchte er schon.

Aber auch der deutschen Seite hatte Muhiddin Kabiri durchaus kritisches mitzuteilen. Als ein generelles Problem werte er die “Unverständlichkeit der diplomatischen Sprache”. Klar, einfach und konkret müsse die Haltung der westlichen Regierungen gegenüber den Machthabern Zentralasiens formuliert werden, damit alle – Regierungen und Volk – verstehen, welche Position Deutschland (gleiches gilt auch für die anderen westlichen Staaten) in dieser Region einnimmt. Wenn das nur so einfach wäre. Stellt sich doch dann sogleich die Frage, ob es denn diese klar formulierbare Position überhaupt gibt. Und ob eines der lauthals verkündeten Ziele, nämlich “Demokratisierung”, überhaupt ernst gemeint ist.

Eines jedenfalls stellte Muhiddin Kabiri beim Arbeitsfrühstuck auf bestechend klare Weise fest: Seiner Meinung nach ist “der Westen” (noch) gar nicht bereit, Demokratisierungsprozesse der islamischen Gesellschaften auch als solche anzuerkennen. Da vertraut man schon lieber den “starken Männern” und ihren “Präsidialdemokratien”.

Laut der Selbstdarstellung auf der Webseite der Partei ist Muhiddin Kabiri 1965 in der Nähe von Fajzobod in Zentraltadschikistan (im Dorf Kasamdara) geboren und studierte nach Schulabschluss Orientalistik in Duschanbe und im Jemen. Religiöse Unterweisung erhielt er bereits als Jugendlicher, unter anderem von Muhammadsharif Himmatzoda, dem Anfang März verstorbenen geistigen Führer der PIW. Er leitete die Studentenzirkel der Partei und gehört zu deren Gründungsmitgliedern. In den 1990er Jahren vertrat er die Interessen der Partei der Islamischen Wiedergeburt in Moskau. Seit 1996 besitzt er einen Abschluss der Diplomatischen Akademie dieser Stadt (Dipakademiia MID RF). Auf Einladung Sayyid Abdullah Nuris kehrte Kabiri 1997 – nach dem Friedensschluss – zurück nach Tadschikistan und wurde 1999 zum Stellvertreter, später zum ersten Stellvertreter des damaligen Parteichefs gewählt. Muhiddin Kabiri leitet auch das Zentrum “Dialog” der Partei der Islamischen Wiedergeburt. Seit Nuris Tod im Jahr 2006 ist Muhiddin Kabiri Vorsitzender der PIW. Hier kann man seine Rede am 14. Februar vor Mitgliedern der Hizbi Nahzati Islomi in Duschanbe anschauen.

Eine Homestory mit dem begeisterten Angler, Tennisspieler und Fußballfan war im Juli 2008 in “VIP zone”, dem Hochglanzmagazin von Asia Plus zu lesen. Der Titel des Beitrags lautete “Muhiddin Kabiri – der reichste Abgeordnete im Tadschikischen Parlament…” – Aber erst der leicht zu überlesende Untertitel machte dieses Kurzportrait des Politikers und Geschäftsmannes Kabiri rund “…laut Steuererklärung”! Muhiddin Kabiri ist verheiratet. Er ist Vater von fünf Söhnen und einer Tochter.

In einer kurzen Selbstdarstellung in “Vip zone” sagt er, dass es sein Traum als Politiker sei, “dass Tadschikistan aufhört ein armer und korrumpierter Staat zu sein – ich möchte, dass wir dem Heute und Morgen mehr Aufmerksamkeit widmen und wir uns nicht damit begnügen, historisch ein Teil der Arischen Zivilisation zu sein. Ja, es gibt die Geschichte, aber was soll man mit ihr? Wen interessiert denn unsere Vergangenheit, wenn wir keine Gegenwart und Zukunft haben? Als Vater möchte ich meine Kinder so erziehen, wie mich meine Eltern erzogen haben. Aber ich habe schon viel Zeit verloren, und die Kinder sind schon nicht mehr ganz klein. Ich habe sehr viel Zeit in die Erziehung der Gesellschaft investiert und so zu wenig Zeit für meine eigenen Kinder gehabt.”

I call it a massacre!

Tolkun Umaraliev, der noch vor wenigen Tagen hier bei uns am Zentralasien-Seminar der Humboldt Universität zu Gast war und über die Bloggerszene in Kirgistan und Zentralasien gesprochen hat, ist wieder in Kirgistan.

Auf seinem Blog ist der letzte Eintrag den grauenhaften Ereignissen in Südkirgistan gewidmet. “I call it a massacre!” Laut Augenzeugenberichten begann das Massaker in Osh, als am 10. Juni das unbestätigte Gerücht kursierte, dass in einem Studentenwohnheim Kirgisen von Uzbeken umgebracht worden seien.  Daraufhin formierten sich zwei Gruppen von auswärtigen Jugendlichen (20-30 Uzbeken in schwarzen T-shirts und Kirgisen mit roten Basecaps) die gegeneinander vorgingen. In der darauffolgenden Nacht dann eskalierte die Situation. Diese Eskalation wird vor allem dem im April aus seinem Amt vertriebenen Ex-Präsidenten Kurmanbek Bakiev und seinem Netzwerk zugeschrieben. Bakiev hält sich seit dem Putsch in Weißrussland auf.

Bis heute kamen bei den Unruhen laut offiziellen Angaben des kirgisischen Gesundheitsministeriums 249 Menschen ums Leben. Uzbekische Quellen sprechen von über 2000 Toten. Die Zahl der nach Uzbekistan geflüchteten schwankt je nach Quelle zwischen 100.000 und 200.000. Insgesamt sind derzeit wohl bis zu einer Million Menschen (Uzbeken, Kirgisen, Tadschiken, Uighuren und andere im Süden Kirgistans lebende Gruppen) auf der Flucht.

Wie das Referendum über die neue Verfassung, die Legitimität der Übergangsregierung und die Neugestaltung der Rolle des Präsidenten am kommenden Sonntag (27. Juni 2010) unter diesen Umständen durchgeführt werden kann, bleibt abzuwarten.

Der einzige Lösungsweg für Afghanistan ist der Föderalismus…

In den letzten Tagen wurden auf bbc zwei für Afghanistan relevante Beiträge veröffentlicht, die nicht direkt mit Krieg und Zerstörung zu tun haben, sondern einen konstruktiven Ansatz zur Lösung der Dauerkrise anbieten.

Am Osterwochenende gab es eine Mitteilung, dass die Paschtunischen Stammesgebiete in Pakistan einen neuen Namen erhalten sollen. Die bisherige North-West-Frontier-Province (NWFP) soll laut einem Beschluss vom 31. März in Khyber Pakhtunkhwa umbenannt werden. Pakhtunkhwa (wörtl. Historisches Gebiet der Paschtunen) ist die literarische Variante des umstrittenen Begriffs Pashtunistan. Khyber verweist darauf, dass es sich um die paschtunischen Gebiete auf Pakistanischem Territorium handelt. Bei den Feierlichkeiten der National Awami National Partei (ANP), die diese seit langem geforderte Namensgebung begleiteten, kam es zu einem Selbstmordanschlag, bei dem ca. 50 Personen ums Leben kamen.

Beim zweiten Beitrag, der hier in einer deutschen Übersetzung und Zusammenfassung vorgelegt wird, handelt es sich um ein Interview mit dem Politiker Dr. Latif Pedram aus Afghanistan.

Auch dieses Interview, das in der bbc-persian-reihe “mit anderen Worten” (ba ‘ebarat-i digar) als Tondokument und als Text auf Dari veröffentlicht wurde, handelt von einer angestrebten Namensänderung. Gleichzeitig wirbt Dr. Pedram für einen politischen Systemwechsel in Afghanistan. Der Zentralstaat soll von einem föderalen System abgelöst werden. Sowohl der Namenswechsel als auch die föderale Lösung waren in Afghanistan bisher öffentlich weitgehend Tabuthemen. Continue Reading →

Alle reden über die Taliban – aber kaum einer traut sich zu ihnen hin

Die Taliban oder “Neo-Taliban”, wie sie seit einiger Zeit in Wissenschaftskreisen genannt werden, erfreuen sich seit einiger Zeit großer publizistischer Aufmerksamkeit. Vom 26.-28. März findet in Bonn die wissenschaftliche Tagung “Wer sind die Taliban?” die gemeinsam von der Evangelischen Akademie des Rheinlands, der Aga (Arbeitsgemeinschaft Afghanistan) und dem Zentrum für Entwicklungsforschung ausgerichtet wird. Neben Thomas Ruttig, der über die Organisationsstruktur der Taliban sprechen wird, sind an den beiden Konferenztagen 20 weitere Vorträge zum Phänomen Taliban vorgesehen.

Es bleibt abzuwarten, wieviel neues wir in diesen Tagen über die/von den Taliban tatsächlich erfahren. Da es an Ansichten aus der Innenperspektive der Taliban seit jeher mangelt, wird wohl wieder vieles sehr spekulativ bleiben.

Auf der Seite von theunjustmedia.com, die sich zur Aufgabe gemacht haben, der westlichen Berichterstattung über Afghanistan den Blick der anderen Seite entgegenzusetzen, gibt es seit der derzeitigen Offensive namens “Mushtarak” eine interessante Einladung an (unabhängige) Berichterstatter zu lesen.

Da der Text auf der theunjustmedia-seite nicht leicht zu finden ist, gibt es den Aufruf noch einmal bei uns:

Invitation of the Islamic Emirate to (independent) Journalists to Visit Marjah Tuesday, 16 February 2010. Since the enemy have forced the international media through coercion and cash incentives to make partial reporting about (the current fighting) to make it possible to hide their shameful defeat in the Marjah area of Nad Ali district, Helmand province, therefore, the Islamic Emirate of Afghanistan requests all independent mass media outlets of the world to send their reporters to Marjah; see the situation with their own eyes and convey the facts to the public of the world. Such visit will portray the ground realities and will show who have the upper hand in the area; what are the facts and who control vast areas of Marjah? In fact, the invading forces have made no spectacular advancement since the beginning of the operations. They have descended from helicopters in limited areas of Marjah and now are under siege. The invaders are not able to come out of their ditches. Wherever they intend to move, they come under severe attacks of Mujahideen and face explosions of planted mines. Then they retreat hastily. The enemy troops have lost their morale. The local people are beholding the foreign troops crying loudly. If the coalition invading forces give permission to independent reporters, they will unearth many secrets.

Einladung des Islamischen Emirats an alle unabhängigen Journalisten: Besuchen sie Marjah! Da der Feind (die USA) die internationalen Medien durch Zwang und finanzielle Anreize zu einer teilweisen Berichterstattung über (die gegenwärtigen Kämpfe) zwingt, die es ermöglichen, ihre schändlichen Niederlage im Marjah Bereich, im Bezirk Nad Ali, der Provinz Helmand, zu verbergen, fordert das Islamische Emirat Afghanistans alle unabhängigen Massenmedien der Welt auf, ihre Reporter nach Marjah zu versenden. Sehen sie was vor sich geht mit ihren eigenen Augen und vermitteln sie dann die Fakten der Weltöffentlichkeit. Ein solcher Besuch wird den Boden der Realität darstellen und zeigen, wer die Oberhand in der Umgebung, und die Kontrolle über weite Gebiete Marjah hat? In der Tat haben die Invasoren (die westlichen Armeen) keine spektakulären Fortschritte seit Beginn der Operationen erzielt. Sie haben sich von Hubschraubern abgeseilt in einige Bereiche von Marjah und sind nun unter (unserer) Belagerung. Die Eindringlinge sind nicht in der Lage, aus ihren Gräben hervorzukommen. Überall dort, wo sie sich bewegen wollen, fallen sie unter den schweren Angriffen der Freiheitskämpfer (Mudschaheddin) und fallen durch die ausgelegten Minen. Dann ziehen sie sich hastig zurück. Die feindlichen Truppen haben ihre Moral verloren. Sehen die Bewohner Marjahs ausländischen Truppen, fangen sie an laut zu weinen. Wenn die Koalitionstruppen unabhängigen Journalisten die Erlaubnis zur Berichterstattung geben würden, könnten diese viele Geheimnisse ans Tageslicht bringen.

Wie wir erfahren haben, wird die Operation “Mushtarak” in Afghanistan auch Operation “Staub-aufwirbeln” genannt. Der Volksmund wird auch in Afghanistan immer zynischer, und hat Ähnlichkeiten mit dem Ton, den die Mujahedin in der oben abgedruckten Meldung anschlagen. So nennen die Afghanen die bewaffneten Gruppen, die mit den Amerikanern verbündet sind American Taleban.

Alle reden über Afghanistan, doch nur wenige gescheit

In Leipzig gibt es seit kurzem ein Internet Radio, Detektor fm, dass ich regelmäßig und gerne höre. Auch dieses Radio widmete sich in den letzten Tagen Afghanistan als Thema und bewies dabei in der Auswahl seiner Gesprächspartner ein außergewöhlich gutes Händchen. Denn sie haben Conrad Schetter interviewt. Und Conrad Schetter versteht es gut, Inhalte auf den Punkt zu bringen und tut dabei so, als plaudere er mit einem Studie auf dem Gang. Na, da kann ich nur sagen: Unbedingt anhören!!!

Hier gehts zum Artikel und zur Audiodatei.


Sind Afghanen Israelis? Israel will DNA-Analyse der Afridi-Paschtunen

Wie die Jerusalem Post kürzlich berichtete, ist das Israelische Aussenministerium gerade dabei, ein recht altes Thema wieder aufzuwärmen. Die wirklich wichtige Frage, ob nun die Paschtunen einer der Zehn verlorenen Stämme Israels sind oder nicht, soll jetzt durch ein hochtechnisiertes naturwissenschaftliches Forscherteam per DNA-Analyse endgültig geklärt werden. Geleitet wird dieses Projekt angeblich von einem israelischen Wissenschaftler, der mit “bahnbrechende[n] Entdeckungen in der Erforschung jüdischer Genetik” aufwarten kann und einer indischen Wissenschaftlerin, die sich in Bombay mit einem 600$ Stipendium an die Arbeit macht. Auch n-tv berichtete.

Natürlich stellt sich da die Frage, warum gerade jetzt dieses Problem gelöst werden soll? Nach Angaben der Jerusalem Post sollten so die Differenzen zwischen Muslimen und Juden überwunden werden. Oha! Aus verschwörungstheoretischer Perspektive ließe sich eine naturwissenschaftliche Bestätigung dieser seit jeher mit kräftig ideologischem Impetus diskutierten Abstammungsthese aber auch durchaus anders einsetzen.

“Seeing the circumstances, which caused the emergence of this theory, its inconsistencies, and the evidences of recent research, this theory seems least plausible. However, as a tool for political and cultural propaganda against Pakhtoons, this theory still holds much worth for vested quarters.”

Und das wäre in den Augen vieler bestimmt nicht das schlechteste Ergebnis, das man für schlappe 600$ im Monat erzielen kann.

Spendenaufruf der Deutsch-Tadschikischen Gesellschaft e.V.

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen wollen wir Sie gerne hinweisen auf einen Spendenaufruf der Deutsch-Tadschikischen Gesellschaft für ein Schulinternat für Waisenkinder in Südtadschikistan:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Sympathisanten der DTG e.V.,

hiermit erlauben wir uns, einen vorweihnachtlichen Spendenaufruf zu starten. Unserer Anliegen ist die Reparatur und Ausrüstung eines Schulinternats für Waisenkinder im Süden Tadschikistan (Khatlon-Gebiet, Ortschaft Dschaloleddin Rumi (weiter gekürzt: D.Rumi).

Die Region-Khatlon hatte besonders unter dem Bürgerkrieg zu leiden, neben materiellen Verlusten hat es dort auch viele menschliche Opfer gegeben, so dass dort viele Kinder als Waisen und Halbwaisen leben. Diese Kinder sind die Zielgruppe der Spendenaktion, die einen direkten Beitrag zur Verbesserung Lebenssituation solcher kriegsgeschädigten Kinder leisten wird.

Die Zielgruppe sind 190 Schüler des Internats. Von diesen Schülern sind 11 Vollwaisen, 92 Halbwaisen leben ohne Vater 92 und ohne Mutter 17. Von diesen Schülern wohnen und lernen 75% im Internat, während die restlichen 25% der Schüler nach dem Unterricht nach Hause gehen.

Das Schulinternat gehört zum Bildungsministerium Tadschikistan. Schon seit Jahren, besonders aber wegen der derzeitigen schwierigen wirtschaftlichen Situation im Land bekommt das Internat nur sehr niedrige staatliche Zuwendungen.

Die Deutsch-Tadschikischen Gesellschaft e.V. führte in 2008 ein Survey dieser Schule durch. Die Lebensbedingungen im Internat sind sehr ärmlich, es fehlt praktisch alles, was zu guter Verpflegung und guter Organisation des Unterrichts und Schulalltags benötigt wird. Die Gebäude des 1956 eröffneten Internats sind in sehr schlechtem Zustand. Ebenso desolat ist die Unterbringung der Kinder und die Küchensituation. Sportgeräte oder Sportbekleidung sind nicht vorhanden und selbstverständlich gibt keine PCs.

Das Ziel der Spendenaktion ist Mittel für das Nötigste in den Bereichen Schulbücher, Ausrüstung des Sportsaales und der Küche, auch für den Kauf einiger PCs zu sammeln und an das Internat weiterzuleiten.

Jeder EURO zählt. Falls Sie sich für eine Spende entscheiden würden, bitten wir Sie die auf unser Konto 653 352 107 bei der Postbank Berlin, BLZ 10010010 mit dem Vermerk “Waiseninternat” zu überwiesen.

Spendenbescheinigung und Presseinfo ist selbstverständlich

Mit herzlichen Vorweihnachtlichen Grüßen
Dr. Alexander Heiser

Vorsitzender der Deutsch-Tadschikischen Gesellschaft e.V.
Colditzstrasse 34-36
D – 12099 Berlin
Tel.: +49-30 7002 49 40
eMail: detage@web.de
Web: www.detage.de

Afghanistan nach der Wahl

Das weitgehend unabhängige Forschungszentrum AREU hat eine kleine aber feine Studie herausgegeben, in der sie der Frage nachgehen, haben die Wahlen und der sie begleitende Prozess eigentlich Karzais Legitimation geschadet? Sie kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis:

Die Reputation Karzais in den Gemeinschaften, die wir unter die Lupe genommen haben, scheint kaum gelitten zu haben, jedenfalls viel weniger als das, was die jetzige internationale Presse suggeriert. Mit der Ausnahme einiger Tadschiken, die früher für Karzai stimmten, dann aber abgewandert sind zu Abdullah, gibt es eigentlich kaum größere Meinungsverschiebungen innerhalb des Wahlprozesses. Die meisten, die Karzai früher stützten, stützen ihn auch heute, diejenigen die ihn früher ablehnten, lehnen ihn nach wie vor ab und nutzen die Wahlen nur als einen weiteren Beweis seiner Probleme, ein Land zu führen.

Die meiste Kritik jedoch wurde an Karzais politischen Allianzen laut. Ein Wähler in Qarabagh meinte, “Sein Bruder ist der Führer aller Schmuggler und sein (Karzais) erster Assistent der Mafiakönig in Afghanistan.” Ein ander sagte: “Die Regierung Afghanistans ist in der Hand von Hinterhältigen, von Schmugglern, Dieben, und der Mafia.” Karzai wurde auch kritisiert wegen der Art seiner Beziehungen zum Ausland, dafür dass er kaum etwas gegen die sich häufende Anzahl von zivilen Opfern unternimmt, dafür dass er die konservativen religiösen Führer so stark kritisiert, was viele glauben nur auf Geheiß der Internationalen Gemeinschaft hin geschieht. “Wenn Karzai weiterhin seine frühere Strategie betreibt, dass ausländische Soldaten nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie sich an zivilen Leuten vergehen, und wenn Karzai weiterhin alle religiösen Führer Afghanistans ‘Al Qaeda’ nennt, dann wird seine Regierung noch schwächer.”

Andere haben weiterhin eine recht positive Meinung zu Karzai, weil dieser wenigstens etwas Stabilität und ökonomisches Wachstum bringen würde und vor allem, weil er bisher alle ethnischen Konflikte unterdrücken konnte. Einer drückte es so aus: “Die meisten sind hier für Karzai, weil dieser als ein Symbol der Vereinigung aller Ethnien Afghanistans gilt. Er ist der einzige, der Frieden und Sicherheit für Afghanistan bringen kann, da er mit allen Ethnien in gutem Kontakt steht.”

Soweit die Einschätzung des Forscherteams, dass sich in einigen Teilen Afghanistans unter den Leuten umgehört haben. Wie sie das angestellt haben, welche Methoden sie benutzen, damit ihre Studie nicht nur das Sammeln diverser Einzelmeinungen darstellt, der lese bitte in der nur 11 seitigen Studie selber nach.

Duschanbe plant Riesenmoschee

Wie ferghana.ru kürzlich vermeldete plant Emomali Rahmon(ov) mit Mitteln des Emirs von Qatar in der Hauptstadt Tadschikistans den Bau einer gigantischen Moschee. Sage und schreibe 150.000 Gläubige sollen in der nach dem Grundriss der Republik zu errichtenden Anlage Platz finden. Das Hauptgebäude ist für 60.000 Betende ausgelegt. Auch eine islamische Hoschschule, eine Bibliothek und ein Museum sollen auf dem 7,5 ha großen Gelände im Stadtzentrum errichtet werden. Dieses Gebetshaus wäre damit bei weitem das größte seiner Art in ganz Zentralasien.

Abgesehen von aller Gigantomanie ist die Tatsache pikant, dass gleichzeitig alle nicht registrierten Moscheen in Duschanbe und in Tadschikistan von den Staatsbehörden geschlossen werden. Insgesamt nimmt seit einiger Zeit die antireligöse Politik in Tadschikistan eher zu als ab. Besonders sogenannte “Fundamentalisten” sind der Regierung Rahmon(ov) ein Dorn im Auge. Dumm nur, dass bei der immer weiter steigenden Armut und Perspektivlosigkeit im Land immer mehr und besonders die jungen Generationen für genau diese Strömungen des Islam empfänglich werden.

Ob da eine Megamoschee im Stile eines Sowjetischen Prestigeprojekts Abhilfe schaffen kann, bleibt zu bezweifeln. Vorsichtshalber hat die Tadschikische Regierung schon mal beschlossen, Lehrern das Tragen von Bärten länger als drei Zentimeter erst ab 50 zu gestatten. An die Lösung der tatsächlichen Probleme im Land denkt man weiterhin etwas weniger gern. Diese sind mit symbolischen Handlungen auch nicht in den Griff zu bekommen.