cesmi – Medienberichterstattung über Zentralasien und der kulturelle Kontext der Dinge

Ein Beitrag von Jesko Schmoller

Der kulturelle Kontext - in Samarkand

Der kulturelle Kontext der Dinge – zB hier in Samarkand

Als ich vor anderthalb Jahren aus beruflichen Gründen nach Rußland umzog, war der Konflikt zwischen der „neuen Heimat“ und der Ukraine bereits im vollen Gange. Ernsthafte Verständnisprobleme bereitete mir die Art und Weise der Berichterstattung über den Konflikt und die Zustände in den beteiligten Ländern in einem Großteil der deutschen Medien. Journalisten, die sich nicht besonders gut auskannten, assoziierten die Russische Föderation der Gegenwart mit der Sowjetunion, schrieben von anderen ahnungslosen Journalisten ab, entwickelten aus begrenzter Informationslage und Positionen der deutschen Parteienpolitik erstaunliche Meinungen und vertraten diese vehement in Foren und Talkrunden. Was mit wenigen Ausnahmen fehlte, war die Bereitschaft und vielleicht die Fähigkeit, sich an unterschiedlichen Schauplätzen ein Bild der Lage zu machen und die Ereignisse in ihrem spezifischen kulturellen Kontext zu sehen. Aus einer ähnlichen Motivation heraus fassten meine Kollegen von der Central Eurasian Scholars and Media Initiative vor bald sechs Jahren im Rahmen der Berichterstattung über die schweren ethnischen Ausschreitungen im Süden von Kirgistan einen Entschluss. Continue Reading →

‚Die Wand‘ – Europapremiere in Berlin

Ein Beitrag von Caroline Bunge
mit Fotos von Thomas Etzold

DieWand _ Foto: Thomas Etzold

‘DieWand’, Foto: Thomas Etzold

Anlässlich der Europapremiere von ‚Die Wand‘ von und mit Tahera Hashemi, die unter der Regiemitarbeit von Nela Bartsch am 28.02.2016 im Rahmen von ‚War Zones: Berlin-Kabul‘, einer Produktion von suite42 im BallhausOst, Berlin-Prenzlauer Berg stattfand, traf ich vor wenigen Tagen die junge afghanische Regisseurin und Schauspielerin Tahera Hashemi zu einem Interview. Continue Reading →

Trauerzeremonien (Sugwari) – Im Monat Muharram in Buchara und Samarkand

Ein Beitrag von Massud Hosseinipour
(aus dem Persischen übersetzt von Th. Loy)

Trauerprozession und Selbstgeißelung in Buchara vor 95 Jahren (aus O. Suchareva: "Buchara im 19. Und frühen 20. Jahrhundert".

Trauerprozession und Selbstgeißelung in Buchara vor 95 Jahren (aus O. Suchareva: “Buchara im 19. Und frühen 20. Jahrhundert”.

Ein viertel Jahrhundert ist seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Untergang der Sowjetunion mittlerweile verstrichen. Aber die Eroberung Mittelasiens durch das Russländische Reich, die in der Folge davon gezogenen politischen und ethnischen Grenzen und 70 Jahre bolschewistische und sowjetische Herrschaft haben tiefe Spuren hinterlassen und zwischen uns (Iranern) und unserer anderen, mittelasiatischen Hälfte einen bis heute kaum überbrückbaren Graben gezogen. Wir hören zwar unsere Stimmen, aber klar sehen können wir uns bis heute nicht. Städtenamen wie Buchara, Samarkand und Chudschand versetzen uns (Iraner) in Verzückung und auch ihre Augen leuchten, wenn von Iran die Rede ist. Sie wollen mehr über uns und unsere Geschichte in Erfahrung bringen, und auch wir wollen wissen, was ihnen widerfuhr und heute widerfährt. Doch oft genug bleibt undurchdringlicher Nebel.
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Reiseführer Tadschikistan neu aufgelegt

Titelbild der Neuauflage

Titelbild der Neuauflage

“Besuchen Sie Tadschikistan bevor die Touristen kommen!”

Dieses Motto könnte auch der zweiten, überarbeiteten und deutlich erweiterten Auflage des im Trescher Verlag erschienenen Reiseführer: Tadschikistan vorangestellt sein. Auch sechs Jahre nach der Erstauflage sind die Touristenzahlen in Duschanbe, dem Zerafschantal und im Pamir noch recht überschaubar, von anderen, nicht weniger interessanten Gegenden ganz zu schweigen. Der neu aufgelegte Band ist fast doppelt so dick wie sein Vorgänger – und dabei ist keine Seite zuviel! Auch die Autorinnen haben sich verdoppelt: Sonja Bill bildet diesmal zusammen mit Dagmar Schreiber ein Autorinnenteam. Im deutschen Sprachraum ist der Reiseführer damit auch weiterhin konkurrenzlos.

Neben kurzen Einführungen in die Geschichte, Kultur und Natur des Landes findet sich auch eine Beschreibung der aktuellen politischen Lage, die mit dem im Herbst vergangenen Jahres erfolgten Verbot der Partei der islamischen Wiedergeburt endet, der bis dahin einzigen ernst zu nehmenden Oppositionspartei in Tadschikistan. Auch hier zeigt sich die Neuauflage auf dem neuesten Stand. Deutlich erweitert wurden die Abschnitte zu den verschiedenen Regionen Tadschikistans. Neu hinzugekommen ist unter anderem der sehr informative und kurzweilige “Kleine Pamir-Knigge” von Stefanie Kicherer, der sich von Reisenden getrost auch in den anderen Landesteilen anwenden lässt.
Ein weiteres Highlight des Reiseführers möchte ich im folgenden ganz vorstellen: Continue Reading →

Die Taliban hören und lesen

Rechtzeitig zum Jahresende 2015 gibt es auf Alex Strick van Linschotens persönlicher Website eine annotierte Leseliste mit 67 Publikationen zu den (afghanischen) Taliban – er schreibt gerade an seiner Dissertation zur Entwicklung der Taliban vor 2001 und hat zusammen mit Felix Kühn den Verlag firstdraft-publishing gegründet.

Von hier habe ich auch den link zu Graeme Smiths Seite “Talking to the Taliban” auf der 42 Taliban-Kämpfer aus der Provinz Kandahar (dem Haupteinsatzgebiet der Kanadischen-ISAF-Truppen) auf zwanzig standardisierte Fragen bezüglich ihrer Person, Motivation und Überzeugungen antworten. Graeme Smith versucht auf dieser Seite seinen Landsleuten die Komplexität der Verhältnisse im paschtunischen Süden Afghanistans zu erklären. [Nachtrag vom 09.01.2016 – zum Jahresanfang hat Thomas Ruttig einen Text über “Organisationsstrukturen und Ideologie der Taleban (Teil 1)” auf seiner Seite online gestellt. Teil 2 und 3 des 2011 erschienenen Artikels sind hier (Teil 2) und hier (Teil 3) .]

Über die aktuelle Lage in Helmand (der westlichen Nachbarprovinz von Kandahar) berichtet ebenfalls Thomas Ruttig (hier) / (hier) und (hier)- eine längere Perspektive auf die Geschichte und Konflikte der Provinz Helmand nehmen zwei Publikationen ein, die auch in der eingangs erwähnten Bücherliste zu finden sind (und auch meiner Meinung nach zum Interessantesten gehören, was in letzter Zeit zum Krieg in Afghanistan geschrieben wurde): Mike Martin “An intimate war” aus der englischen “counterinsurgency”-Perspektive und Carter Malkasian “War comes to Garmser” aus der amerikanischen.

…und hier noch das Audio eines Interviews mit Thomas Ruttig (vom 11.01.2016) zur aktuellen Lage in Afghanistan.

Schweres Erdbeben im Bartang

Am 07.12.2015 ereignete sich im Pamir ein schweres Erdbeben. Am schwersten betroffen scheint das obere Bartang-Tal zu sein. Nach allem was bisher bekannt ist, scheint es glücklicherweise kaum Todesopfer gegeben haben – allerdings ist in vielen Dörfern ein Großteil der Gebäude zerstört. Auch die Straßenverbindung ins obere Bartang scheint unterbrochen und auch die Notversorgung aus der Luft ist bei den derzeitigen Witterungsbedingungen alles andere als einfach. Schnelle Nothilfe für einige der Dörfer ist also dringend erforderlich. Der Winter hat im Bartang bereits begonnen, auch wenn die Tiefsttemperaturen (bis -30 Grad) noch nicht erreicht sind.

Auf dieser Seite (link) könnt Ihr Euch über die aktuellen Entwicklungen und Zerstörungen im Bartang informieren und gegebenenfalls spenden. Der Verein Pamir-Hilfe verspricht schnelle, direkte und unbürokratische Hilfe ohne die sonst üblichen “Reibungsverluste”. Wie die Zukunft für die vom Beben betroffenen Menschen aussieht, ist ungeklärt. Staatliche Hilfsangebote bei Naturkatastrophen sehen in Tadschikistan oft nicht den Wiederaufbau von zerstörten Häusern vor, sondern die Umsiedlung der betroffenen Bevölkerung.
Das Epizentrum lag sehr nahe am Kul-e Sarez, einem Bergsee im Bartang, der vor ziemlich genau einhundert Jahren ebenfalls durch ein Erdbeben entstand. 1911 verschüttete ein Erdrutsch den Murghab-Fluss und staute diesen in der Folge zu einem über 50km langen und einige hundert Meter tiefen See – ob dieser natürliche Damm durch das Beben letzten Montag beschädigt wurde, ist noch unklar.

edition-tethys: im Gespräch

In eigener Sache! Seit heute (4.12.2015) ist ein schönes Gespräch mit Olaf Günther über die edition-tethys und die Kraft von Geschichten in der Wissenschaft online:

nachzuhören hier

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Auch auf der Afghanistan-Seite von Thomas Ruttig gibt es seit dem 23.November eine kurze Beschreibung der “Begegnungen am Hindukusch”.

Und nochmal bei Thomas Ruttig kommentierte Auszüge aus den “Begegnungen am Hindukusch” – es gibt übrigens noch einige Exemplare der ersten Auflage – greift zu und bestellt! mailto: loy@edition-tethys.org

Ins rechte Licht gerückt: neuer Dokumentarfilm über das älteste Naturreservat Mittelasiens

Ein Beitrag von Viktoria Wagner

Mit seinen 89 Jahren ist das Naturreservat Aksu-Jabagly das älteste Naturschutzgebiet Mittelasiens. Es erstreckt sich über die mächtigen Ketten des westlichen Tien Shan Gebirges, in Südkasachstan, und grenzt an Kirgisien und Usbekistan. Trotz seiner spektakulären Natur, ist dieses Gebiet bei uns nur wenig bekannt.

 

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Naturreservat Aksu Jabagly. Bildquelle: http://www1.wdr.de/fernsehen/wissen/abenteuererde/sendungen/baeren-in-den-himmelsbergen-100.html

Der Filmemacher Tobias Mennle hat diesem Gebiet nun einen wunderbaren Dokumentarfilm gewidmet, der vor einigen Tagen auf WDR ausgestrahlt wurde:

http://www1.wdr.de/fernsehen/wissen/abenteuererde/sendungen/baeren-in-den-himmelsbergen-100.html

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Archäologische Sensation in der Turgai Senke (Kasachstan)

Ein Beitrag von Viktoria Wagner

Ein Mosaik aus spröder Steppe, etlichen Salzseen und kleinen Waldfragmenten durchzieht die Turgai Senke. Das flache Becken erstreckt sich von der Stadt Kostanai, im nordwestlichen Zipfel Kasachstans gelegen, bis in die Halbwüste hin. Die Gegend ist dünn besiedelt. Hier und da trifft man auf kleine Siedlungen, Hirten und Melonenfelder. Manchmal kommen einige Birdwatcher aus dem Ausland vorbei. Ansonsten grassiert hier Landflucht. Zu rauh ist das Klima, zu riskant die Landwirtschaft. Für fremde Augen ist die Steppe nichts als flache Eintönigkeit.

Ausgerechnet diese abgelegene Gegend wurde in den letzten Jahren Schauplatz einer archäologischen Sensation.

 

Ushtogai Square, ein Geoglyph in der kasachischen Steppe, ca. 300km Luftlinie südöstlich von Kostanai (ca. 300m Seitenlänge). N 50.8329°, E 65.3263°). Quelle: Google Earth

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Views from a School Window

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Emilia Roza Sulek

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During my fieldwork in 2014, I lived in a school compound in one of the few towns in my research region. ‘Development’ in this part of China meant that roads got a new surface, party buildings a new lustre of glass panels, and streets new lamps and other ‘accessories’ such as street signs, now available also in English. It also meant that hospitals moved to better-equipped buildings and schools grew in size. They grew not only in terms of the number of classrooms, but also other facilities, including apartments for school personnel. Almost all teachers lived within this ‘gated community’. They did not pay rent and their life was cheaper than on the other side of the ‘bars’. Continue Reading →