Keine Angst vor der Kabuler Universität

Ein Beitrag von Just Boedeker und olim devona

Ende August waren wir, zwei befreundete Ethnologen, an der Universität Kabul, um dort im germanistischen Seminar im Institut für Literaturwissenschaften mit den Studenten Konversationsübungen durchzuführen. Die Institute sind in einer wunderschönen Grünanlage verteilt, die in den 1960er Jahren mit amerikanischer Unterstützung angelegt wurde.

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Auf dem Campus bewegen sich die Studenten und Studentinnen in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen; die Frauen bis auf einen Augenschlitz verschleiert oder vollkommen unverschleiert und körperbetont. Bei den Männern reicht das Spektrum von weiten “afghanischen” Hemden und Hosen bis zu knallbunter, westlich inspirierter Kleidung. In der Nähe des Instituts für Kunst, einem schönen von der pakistanischen Regierung gestifteten Bau ist die Dichte extravaganter Studenten wohl am größten. Weniger extravagant geht es am Institut für Islamisches Recht (shari’at) zu.

Die große Variationsbreite dieser Auftritte zeigt, wie sehr die Universität als ein sicherer und geschützter Raum wahrgenommen und von den Studenten zum Ausleben ihrer individuellen Vorlieben genutzt wird. Dass die Universität von Kabul als einer der sichersten Orte der Stadt gilt, hängt dabei nicht nur vom Sicherheitspersonal an den Eingängen der Universität ab. Die Soldaten an den drei Eingängen kontrollieren je nach Tagesform und -zeit sehr unterschiedlich: Manchmal wird keiner ohne Studentenausweis und Durchsuchung der Taschen (wofür sie sich allerdings entschuldigten) eingelassen; manchmal wird der Fluss der Studenten unkontrolliert eingelassen. Continue Reading →

Before Taliban

Eine Buchvorstellung von Th. Loy

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Vor den Taliban? So lautet der Titel eines der wohl lesenswertesten Bücher, das in den letzten Jahren zu Afghanistan herausgegeben wurde. Und es wurde viel herausgegeben in den Jahren seit 2001. (Alleine im Katalog der Berliner Staatsbibliothek sind unter dem Schlagwort “Afghanistan” 387 Bücher gelistet, die zwischen 2001 und 2010 erschienen sind; davon 217 auf Englisch und 81 auf Deutsch). Bezeichnenderweise wurde “Before Taliban” schon geschrieben, bevor die Taliban durch den Kriegszug der Amerikaner und ihrer Verbündeten von der Macht in Kabul verdrängt wurden. Das Buch wurde also geschrieben, bevor Afghanistan ein Topthema wurde und von Heerscharen selbsternannter Afghanistan-Experten in allen Medien, Genres und Gattungen niedergeschrieben wurde. Continue Reading →

Taliban Gerichte favorisiert

Wie Qayum Babak aus dem Norden von Afghanistan berichtet, sind bei der Bevölkerung die ad hoc Gerichte der Taliban als effizientere Rechtsprechung als die staatlichen Institutionen angesehen. Nur einer der verhandelten Fälle: Ein Mann kauft bei einem anderen ein Motorrad, bezahlt aber nicht die ganze Summe.

Der Mann geht zum Richter. Dieser verlangt aber erst einmal Geld, um den Fall überhaupt aufzunehmen. Die Summe des Geldes beträgt nun aber schon die Hälfte der noch ausstehenden Schuld. Da der Geschädigte dazu nicht bereit ist, beschließt er, sich an die Taliban zu wenden. Diese kommen eines Abends zur Moschee und hören sich den Fall an. Sie holen den Beschuldigten herbei und erkundigen sich über den Fall bei ihm. Am nächsten Morgen kommt der Schuldner mit der noch ausstehenden Summe. Der Gläubiger war froh, dass die Taliban den Fall gelöst hatten. Sie nahmen kein Geld dafür und besiegelten den Disput auf der Basis der Sharia.

Mohaiuddin ein Dorfvorsitzender aus der Provinz Faryab führt dazu aus:

“Die Taliban lösen Fälle von großer Bedeutung für die ländliche Bevölkerung, ohne Bakschisch dafür zu nehmen, oder andere Probleme dafür zu machen. Sie können sogar Dispute zur Ermordeung innerhalb von drei Tagen auf der Grundlage des religiösen Gesetz (shari’a) lösen. Sie setzen die vorgeladenen Parteien ins Recht und tun das auf die gerechte Art und ohne extra Geld dafür zu nehmen. Deswegen holen immer mehr Leute die Taliban, um sie Recht sprechen zu lassen.

Offizielle staatliche Stellen dagegen erklären immer wieder, dass solche Dinge nicht im Land geschehen. Die Taliban hätten keine langandauernde Präsenz und wenn sie sich zeigen, würden sie bald wieder verjagt.

Afghanistan – Berge im Licht

Text & Bilder: Steffen Graupner & Kathrin Münzel

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Durch die eisgepanzerte Bergwildnis zwischen Pamir, Hindukusch und Karakorum gab es für die südliche Seidenstraße nur einen einzigen Weg direkt nach China: Den Wakhan-Korridor. Über Jahrtausende hinweg war der Wakhan Handelsweg und Heerstrasse, ein archaischer Highway für Philosophie und Religion, Seide und Gold, Armeen und Entdecker. Grenzfluss und Pulsader dieses Hochtales ist der Oxus der alten Griechen, der heutige Amu Darja. Doch wo genau liegt die Quelle des mythischen Oxus? Continue Reading →

Viagra in der Warteschleife

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Eigentlich sollte sich diese Geschichte um Viagra und Afghanistan drehen. Ein Freund in Kabul hatte in Gegenwart eines Bekannten seinen Wunsch nach dem Potenzmittel geäußert und ich hatte von einem befreundeten Arzt ein Rezept für das Medikament bekommen. Mit Spannung wurde mein Bericht über die Übergabe dieses Gastgeschenkes und die Reaktionen darauf von meinem deutschen Bekanntenkreis erwartet. Ich wollte die Packung Viagra kurz vor meinem Abflug in Frankfurt besorgen. Continue Reading →

Wallfahrten zu arabischen Märtyrern in Kandahar

In Kandahar gibt es laut einem kurzen Filmbeitrag von BBC-Persian seit einiger Zeit einen neuen Wallfahrtsort, der von Menschen aus der Umgebung, aber auch aus anderen Landesteilen aufgesucht wird. Der Friedhof sieht aus wie die meisten anderen in Afghanistan. Nur liegen hier Personen begraben, die tausende Kilometer von hier geboren wurden und für den bewaffneten Dschihad auf Seiten der Taliban nach Afghanistan kamen. 110 arabische Märtyrer (Schahid) sollen hier begraben liegen. Sie alle kamen 2001 bei Bombardements der Amerikaner im Gebiet Kandahar ums Leben. “Täglich besuchen dutzende Personen, Männer und Frauen, diesen heiligen Ort um Gottes Segen zu erbeten, Heilung zu finden oder um die Erfüllung anderer Wünsche zu bitten – etwa den nach Kindern.”

Während orthodoxe Auslegungen des Islam in der Heiligenverehrung und der Wallfahrt eine Abweichung (schirk) sehen, erfreut sich diese Tradition besonders in Zentralasien großer Beliebtheit. Ziyorat – so nennt man den Besuch eines Heiligengrabes in Zentralasien – ist ein weit verbreitetes Phänomen und ein wesentliches Element des Islam in ganz Zentralasien. Gewöhnlich werden Orte besucht, die mit verehrten Persönlichkeiten des Islam in Verbindung gebracht werden (mit Mohammed, seinen Familienangehörigen und Nachfahren, den Propheten, Sufimeistern, Islamischen Gelehrten und anderen). Es werden aber auch andere Orte aufgesucht; etwa Quellen, Bäume und Berge, zu denen eine Vielzahl religiöser Geschichten und Überlieferungen existieren, denen ebenfalls eine spezielle Kraft nachgesagt wird und die eine vermittelnde Verbindung zwischen Gläubigen und Gott einnehmen können.

Toll-Verpacktes aus Zentralasien

Ein Beitrag von Michael Angermann

Zentralasien ist in der westlichen Welt kaum bekannt für seine Warenkultur. Gerade mal der ökologisch orientierte Konsument kann Trockenfrüchte aus Usbekistan in Schokoladenform erwerben und der IKEA – Kunde Bettlaken aus Turkmenistan.

Zotter_Ikea

Mehr Waren mit Herkunftsangabe bekommt der westliche Endverbraucher nicht zu Gesicht. Schade, denn einige Spezialitäten und Kuriositäten sollten nicht nur die Regale und Basare der zentralasiatischen Region zieren.

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Frühstück mit Kabiri

Ein Nachtrag zur Parlamentswahl in Tadschikistan

Am 26. März 2010 lud die Friedrich Ebert Stiftung zum “Arbeitsfrühstück” mit Muhiddin Kabiri, dem Vorsitzenden der Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (Hizbi Nahzati Islomi) und einer von zwei Abgeordneten dieser Partei im tadschikischen Parlament. Muhiddin Kabiri informierte die Teilnehmer dieser Gesprächsrunde über die kurz zuvor abgehaltenen Parlamentswahlen und die sich daraus ergebende politische Lage und Perspektive für Tadschikistan.

Die derzeitige Frustration bei Anhängern der Hizbi Nahzati Islomi sei sehr groß. Vor der Wahl, so Kabiri, bestand große Hoffnung in die Parlamentswahlen, da Emomali Rahmon persönlich die Verantwortung für deren demokratischen Ablauf übernommen hatte. Bis Mitte Februar gab es auch von Seiten der Opposition keinerlei Probleme zu vermelden. Dann allerdings sei aufgrund der Analyse der gesellschaftlichen Stimmung im Vorfeld der Wahlen, die vom Wahlkampfstab der Volksdemokratischen Partei Tadschikistans (d.h. der Partei Rahmons) durchgeführt wurde, eine Wende eingetreten. Der Wahlkampf der Oppositionsparteien sei von da an entschieden gestört worden. In Tadschikistan sind neben der Hizbi Nahzati Islomi nur noch die kleine Sozialdemokratische Partei, ein Flügel der seit 2004 gespaltenen Sozialistischen Partei und ein Flügel der 2006 gespaltenen Demokratischen Partei Oppositionsparteien. Alle anderen Parteien bezeichnen sich selbst als Pro-Regierungs-Parteien.

Mit den Aktionen “Säubert die Stadt” – bei der vor allem Plakate der Oppositionsparteien von Putztrupps aus dem Stadtbild entfernt wurden, konnte die Partei Kabiris noch kreativ umgehen. Schwieriger war es dann schon, als jugendliche Wahlkampfhelfer von einer überforderten Polizei vorübergehend festgenommen wurden. Diese Aktion wurde in Duschanbe bekannt als “die Verhaftung der Mäuse”. Einige junge Aktivisten hatten die witzige und äußerst publikumswirksame Idee, verkleidet in Mickey Mouse- und anderen Trickfilmhelden-Kostümen, die sie aus dem Fundus der örtlichen Fotografen ausgeliehen hatten, im Stadtzentrum Duschanbes auf Stimmenfang zu gehen. Auf den dadurch verursachten Rummel waren die auf Ordnung und Ruhe bedachten Sicherheitskräfte nicht vorbereitet. Überfordert vom unerwarteten Spektakel fiel ihnen nicht mehr ein, als die Mickey Mäuse festzunehmen um die Situation wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Ihr Argument: “Im Islam gibt es keine Mickey Mouse”.

Die schwerwiegenden Vorwürfe Kabiris richteten sich dann jedoch vor allem gegen angebliche Manipulationen am Wahltag selbst. Mit den offiziell erzielten 8% der Stimmen zeigt sich seine Partei und deren Anhänger nicht einverstanden. Kabiri geht von bis zu 40% der Stimmen für seine Partei aus. Kabiri hatte auch einige Kopien “gefälschter Wahlprotokolle” im Gepäck, die belegen sollen, dass in einigen Wahlbezirken einfach die ersten Ziffern der abgegebenen Stimmen vertauscht wurden. So habe dann seine Partei besipielsweise anstelle von 980 nur noch 180 Stimmen im Protokoll, während die Partei des Präsidenten anstelle der 150 ausgezählten Stimmen in der Endabrechnung dann 950 bestätigt bekommt. Viele derartige Fälle hätte seine Partei registriert und angemahnt. Allerdings war bisher kein Gericht in Tadschikistan bereit, derartige Klagen anzunehmen und ein Verfahren dahingehend zu eröffnen.

Um Ruhe zu bewahren, sei er selbst nach der Wahl für ein zwei Tage abgetaucht. Um die aufgebrachte Stimmung und die hochkochenden Emotionen vor allem der jungen Anhänger zu beruhigen, habe er dann eine Rede gehalten, mit dem vorrangigen Ziel keinen öffentlichen Protest zuzulassen.

Allerdings wolle die Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW) von nun an eine härtere Gangart in der Oppositionsarbeit anschlagen als bisher und fortan auch öffentlich die mangelnde Regierungsarbeit kritisieren. Die Partei hat aus Protest den sogenannten “Gesellschaftsrat” verlassen – eine offizielle Plattform für den Dialog zwischen Regierung und Zivilgesellschaft. Um dennoch einen Kanal für Gespräche mit der Regierung offen zu halten werde jedoch die Parlamentsarbeit mit zwei Sitzen für die PIW fortgesetzt. Dass dieses Vorhaben durchaus Risiken birgt weiß Muhiddin Kabiri. Repressionen von staatlicher Seite – wie etwa gegen die Demokratische Partei Tadschikistans, deren Führer Muhammadruzi Iskandarov vor den Präsidentschaftswahlen 2006 zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt wurde – fürchte er schon.

Aber auch der deutschen Seite hatte Muhiddin Kabiri durchaus kritisches mitzuteilen. Als ein generelles Problem werte er die “Unverständlichkeit der diplomatischen Sprache”. Klar, einfach und konkret müsse die Haltung der westlichen Regierungen gegenüber den Machthabern Zentralasiens formuliert werden, damit alle – Regierungen und Volk – verstehen, welche Position Deutschland (gleiches gilt auch für die anderen westlichen Staaten) in dieser Region einnimmt. Wenn das nur so einfach wäre. Stellt sich doch dann sogleich die Frage, ob es denn diese klar formulierbare Position überhaupt gibt. Und ob eines der lauthals verkündeten Ziele, nämlich “Demokratisierung”, überhaupt ernst gemeint ist.

Eines jedenfalls stellte Muhiddin Kabiri beim Arbeitsfrühstuck auf bestechend klare Weise fest: Seiner Meinung nach ist “der Westen” (noch) gar nicht bereit, Demokratisierungsprozesse der islamischen Gesellschaften auch als solche anzuerkennen. Da vertraut man schon lieber den “starken Männern” und ihren “Präsidialdemokratien”.

Laut der Selbstdarstellung auf der Webseite der Partei ist Muhiddin Kabiri 1965 in der Nähe von Fajzobod in Zentraltadschikistan (im Dorf Kasamdara) geboren und studierte nach Schulabschluss Orientalistik in Duschanbe und im Jemen. Religiöse Unterweisung erhielt er bereits als Jugendlicher, unter anderem von Muhammadsharif Himmatzoda, dem Anfang März verstorbenen geistigen Führer der PIW. Er leitete die Studentenzirkel der Partei und gehört zu deren Gründungsmitgliedern. In den 1990er Jahren vertrat er die Interessen der Partei der Islamischen Wiedergeburt in Moskau. Seit 1996 besitzt er einen Abschluss der Diplomatischen Akademie dieser Stadt (Dipakademiia MID RF). Auf Einladung Sayyid Abdullah Nuris kehrte Kabiri 1997 – nach dem Friedensschluss – zurück nach Tadschikistan und wurde 1999 zum Stellvertreter, später zum ersten Stellvertreter des damaligen Parteichefs gewählt. Muhiddin Kabiri leitet auch das Zentrum “Dialog” der Partei der Islamischen Wiedergeburt. Seit Nuris Tod im Jahr 2006 ist Muhiddin Kabiri Vorsitzender der PIW. Hier kann man seine Rede am 14. Februar vor Mitgliedern der Hizbi Nahzati Islomi in Duschanbe anschauen.

Eine Homestory mit dem begeisterten Angler, Tennisspieler und Fußballfan war im Juli 2008 in “VIP zone”, dem Hochglanzmagazin von Asia Plus zu lesen. Der Titel des Beitrags lautete “Muhiddin Kabiri – der reichste Abgeordnete im Tadschikischen Parlament…” – Aber erst der leicht zu überlesende Untertitel machte dieses Kurzportrait des Politikers und Geschäftsmannes Kabiri rund “…laut Steuererklärung”! Muhiddin Kabiri ist verheiratet. Er ist Vater von fünf Söhnen und einer Tochter.

In einer kurzen Selbstdarstellung in “Vip zone” sagt er, dass es sein Traum als Politiker sei, “dass Tadschikistan aufhört ein armer und korrumpierter Staat zu sein – ich möchte, dass wir dem Heute und Morgen mehr Aufmerksamkeit widmen und wir uns nicht damit begnügen, historisch ein Teil der Arischen Zivilisation zu sein. Ja, es gibt die Geschichte, aber was soll man mit ihr? Wen interessiert denn unsere Vergangenheit, wenn wir keine Gegenwart und Zukunft haben? Als Vater möchte ich meine Kinder so erziehen, wie mich meine Eltern erzogen haben. Aber ich habe schon viel Zeit verloren, und die Kinder sind schon nicht mehr ganz klein. Ich habe sehr viel Zeit in die Erziehung der Gesellschaft investiert und so zu wenig Zeit für meine eigenen Kinder gehabt.”

I call it a massacre!

Tolkun Umaraliev, der noch vor wenigen Tagen hier bei uns am Zentralasien-Seminar der Humboldt Universität zu Gast war und über die Bloggerszene in Kirgistan und Zentralasien gesprochen hat, ist wieder in Kirgistan.

Auf seinem Blog ist der letzte Eintrag den grauenhaften Ereignissen in Südkirgistan gewidmet. “I call it a massacre!” Laut Augenzeugenberichten begann das Massaker in Osh, als am 10. Juni das unbestätigte Gerücht kursierte, dass in einem Studentenwohnheim Kirgisen von Uzbeken umgebracht worden seien.  Daraufhin formierten sich zwei Gruppen von auswärtigen Jugendlichen (20-30 Uzbeken in schwarzen T-shirts und Kirgisen mit roten Basecaps) die gegeneinander vorgingen. In der darauffolgenden Nacht dann eskalierte die Situation. Diese Eskalation wird vor allem dem im April aus seinem Amt vertriebenen Ex-Präsidenten Kurmanbek Bakiev und seinem Netzwerk zugeschrieben. Bakiev hält sich seit dem Putsch in Weißrussland auf.

Bis heute kamen bei den Unruhen laut offiziellen Angaben des kirgisischen Gesundheitsministeriums 249 Menschen ums Leben. Uzbekische Quellen sprechen von über 2000 Toten. Die Zahl der nach Uzbekistan geflüchteten schwankt je nach Quelle zwischen 100.000 und 200.000. Insgesamt sind derzeit wohl bis zu einer Million Menschen (Uzbeken, Kirgisen, Tadschiken, Uighuren und andere im Süden Kirgistans lebende Gruppen) auf der Flucht.

Wie das Referendum über die neue Verfassung, die Legitimität der Übergangsregierung und die Neugestaltung der Rolle des Präsidenten am kommenden Sonntag (27. Juni 2010) unter diesen Umständen durchgeführt werden kann, bleibt abzuwarten.