Herr Licht hat Träume

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Der Dieb des Lichts – der neue Film von Aktan Arym Kubat
vorab gesehen von Wladimir Sgibnev

Strom lässt Glühbirnen und Fernseher leuchten, auch in den Bergen Kirgistans. Strom ist aber auch der Rohstoff für Geschichten an langen Abenden, für heiße Teekessel, für die moderne Zeit schlechthin. Dabei ist zwanzig Jahre nach dem Ende der Sowjetunion nicht nur das Stromnetz marode, auch das soziale Netz ist brüchig geworden. Die Zeiten sind rauer und die Strompreise unbezahlbar. Continue Reading →

Kabul’s eleven

Eine tolle Geschichte; und eine traurige. Lesenswert allemal. Es geht dabei um die Veruntreuung – eigentlich um den Raub – von sage und schreibe neunhundert Millionen Dollar; oder mehr. Und das alles mit Hilfe einer Bank; der Kabul Bank und den mit ihr verbandelten Politikern und Geschäftsmännern aus dem Umfeld der amtierenden Regierung in Kabul.

Diese Geschichte passt recht gut zu unserem letzten post – sie bildet gewissermaßen den Gegenpol zu dem dort angeführten Beispiel einer positiven und angemessenen Zusammenarbeit.

Die Geschichte der Kabul Bank hingegen steht exemplarisch für das, was mit den Abermillionen US-Dollars, die seit 2001 nach Afghanistan gepumpt wurden bisher erreicht wurde. Der von Dexter Filkins kürzlich im newyorker publizierte Beitrag (s.o.) zeigt einmal mehr das Ausmaß der westlichen Fehlinvestition, bei der die Clique international gut vernetzter Geschäftsmänner und Politiker, auf die Amerikaner und deren Mitläufer ihre sogenannte Afghanistan-Strategie aufbauen, den Löwenanteil kassieren. Die am Geschäft beteiligten kriminellen Strukturen laufen quer durch alle Lager, der an den militärischen Auseinandersetzungen beteiligten Gruppen, und scheinbar wie selbstverständlich bis nach ganz oben in die politische Führung in Kabul.

Wieviel von den Mitteln, die eigentlich für den Aufbau des Landes vorgesehen waren und sind wieder zurück nach USA und Europa fließen – etwa in Form von Militärausgaben, Gehältern und Projektmittel für zweifelhafte Großbauprojekte – oder in derartigen EZ-Projekten in den afghanischen Sand gesetzt werden, sollte aber durchaus auch einmal beziffert und beschrieben werden. Aber das wäre wohl weniger spektakulär, als ein dreister Bankraub in Milliardenhöhe – und müsste ganz allein auf die eigene Kappe genommen werden.

Auf 430 Millionen Euro hat die Bundesregierung in einer Regierungserklärung die “zivilen Mittel” für Afghanistan für das Jahr 2010 veranschlagt – verbal verpackt in einen “Strategiewechsel… hin zu einem sehr viel stärkeren zivilen Engagement”. Bleibt abzuwarten, was und für wen diesmal dabei etwas rumkommt.

Die Balutschi-Akademie in Zarandsch – Ein Kurzportrait

baluchi-akw1 Seit 2010 gibt es in Zarandsch die Balutschi Akademie. Dieses zivilgesellschaftliche Projekt wurde auf Initiative von Mansur und Lutz Rzehak mit minimalem finanziellem Aufwand geplant und umgesetzt. Die Mittel für den Bau der Akademie wurden von Vertretern der Belutschen in Afghanistan und im Exil aufgebracht. So kann erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan aussehen- kostengünstig und nachhaltig. Continue Reading →

Der Niedergang der Fischereiwirtschaft am Aralsee im 20.Jhd

Fischerboot bei AralskDieser Beitrag von Michael Angermann ist ein Auszug aus einer alten Seminararbeit zur Fischereiwirtschaft am Aralsee. Beim Stöbern in einem Uniregal stieß ich unlängst zufällig auf eine Kopie dieser Arbeit. Sie erweitert unsere kleine Reihe zum Aralsee und Karakalpakstan. Alle Fußnoten und Referenzen wurden aus dem Text entfernt. Neben einigen Russischen Publikationen, bezieht sich der Autor vor allem auf Rene Letolle/Monique Mainguet: Der Aralsee eine Ökologische Katastrophe und auf eigene Beobachtungen während mehrerer Forschungs- und Arbeitsaufenthalte am Aralsee.

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“Schmutzfußland” – eine Filmempfehlung

Der etwas verspätete Start ins neue Jahr beginnt mit einem Hinweis auf eine sehenswerte Dokumentation aus dem Leben der deutschen und amerikanischen Soldaten in Afghanistan. Ashwin Raman, ein in Indien geborener Journalist, der sich auf Dokumentarfilme spezialisiert hat, besucht in seinem Beitrag “An Vordersten Fronten: Kriegsalltag in Afghanistan” – der in der ARD Mediathek versteckt ist – verschiedene deutsche und amerikanische Einheiten in Nord-, Ost- und Südostafghanistan.

Der etwas reißerische Titel sollte dabei nicht abschrecken. Dahinter verbirgt sich eine dreiviertel Stunde hervorragende Berichterstattung, die die Fragwürdigkeiten und Absurditäten des Kriegseinsatzes in Afghanistan in Bildern und Interviews erzählt. “Auf verlorenem Posten” hätte dem Inhalt des Films eher entsprochen. Aber dann hätte der Film wohl noch weniger Zuschauer erreicht. Ausgestrahlt wurde “An vordersten Fronten” von der ARD am 22.09.2010 um 0:00 Uhr. Es ist bezeichnend, dass in Deutschland ein Truppenbesuch mit Dame und Talkmaster medialen und öffentlichen Wirbel zur Hauptsendezeit erzeugt, während der Versuch, sich mit den Realitäten in Afghanistan auseinanderzusetzen eigentlich überhaupt nicht wahrgenommen wird (oder werden soll?). Ein Interview mit Raman zu seiner Arbeit an der Dokumentation ist hier zu lesen.

Zum Inhalt
Zu Beginn des Films begleitet Ashwin Raman die deutschen Soldaten auf Patrouillen und in den Lagern in Mazar-e Sharif, Kunduz und Chahaar Dara: Präsenz zeigen und Flugblätter kleben in den von den deutschen Soldaten “Schmutzfußland” genannten “feindlichen” Gebieten. Mit Jim Knopf und Karl May versucht die Bundeswehr und ihre jungen Soldaten in Afghanistan die sie umgebende Realität zu verarbeiten. Und auch die Amerikaner versuchen sich irgendwie im “Feindesland” einzurichten. Im Pech-River Valley in Kunar zeigt Raman eine amerikanische Einheit beim Versuch ihr gefährdetes Außenlager aus dem Talgebiet auf eine “sicherere” Anhöhe zu verlegen. Doch eigentlich ist die Truppe nur dabei, die von ihrer Anwesenheit provozierten Angriffe abzuwehren. In Peschawar und den Stammesgebieten auf pakistanischer Seite kommt dann auch kurz die “andere Seite” zu Wort. Wieder in Kabul besucht Raman gut gelaunte Gefangene im Gefängnis Pul-e Sharqi bei einer Koranschulstunde. Auch Abdul Salaam Zaeef, den ehemaligen Sprecher der Taliban, dessen Buch My Life with the Taliban kürzlich auf Englisch erschienen ist, lässt er zu Wort kommen. Kurz, knapp und überzeugend legt dieser das Dilemma des deutschen Militäreinsatzes dar. In Camp-Kandahar und in (Such)Einsätzen amerikanischer Einheiten in Helmand zeigt Raman dann noch einmal die Absurditäten und Grausamkeiten sowie die Aussichtslosigkeit des gesamten militärischen Unterfangens. Wer dabei ganz sicher auf der Verliererseite steht ist die Bevölkerung. In den letzten 10 Jahren haben vor allem die Menschen Afghanistans gelitten.

Auch manchen Soldaten “beschleicht der Verdacht, dass in Ihrem Kampf gegen die Taliban irgendetwas völlig schief läuft, und sie in Wahrheit nichts an den Zuständen hier ändern können” – die deutsche Afghanistan-Politik und den Sinn des Einsatzes mag dann folglich auch niemand offen kommentieren. Der Film, der mit der Ankunft zweier Bundeswehrsoldaten im Lager in Mazar begann, endet dann mit den Bildern vom “Hauptbahnhof Lummerland” und der Verabschiedung einer Gruppe von Soldaten aus einem Land, von dem in Deutschland auch zehn Jahre nach Kriegsbeginn leider noch immer so gut wie nichts bekannt ist.

Buddha & Stollen

Ein Beitrag von Lothar Drechsler

Ich bin in Kathmandu seit einem Monat. Komischerweise wachsen hier, meist da, wo viele Touristen sind, an verschiedenen Orten Plastikweihnachtsbäume mit seeeeehr eigenartigen, teilweise leuchtenden Verzierungen. Diese sind dann gern noch zusätzlich mit Plastikefeu garniert — rundherum stehen Räucherstäbchen.

Tannenbaum in Kathmandu

Tannenbaum in Kathmandu

Manche von ihnen können sogar singen, das klingt wie diese Töne von sich gebenden Weihnachtskarten, nur eben viel lauter und ist fast so schön wie ‘Stille Nacht’ als Auto Rückfahrsignal in Indien. Die Einheimischen reagieren auf die Frage, wieso diese Dinger da stehen, meist mit Antworten a la >>ich
weiß nicht, wieso die da sind<< oder Achselzucken, auch wenn sie kurz zuvor noch am Schmücken beteiligt waren. Zum 24. war die ganze Stupa mit bunten Lichterketten behängt, nur glaub ich nicht, dass das was mit Weihnachten zu tun hatte. Continue Reading →

jingle bells

Jetzt pfeifen es schon die Spatzen von den Dächern.
Patrick Cockburn veröffentlichte kürzlich einen lesenswerten Bericht im independent über die sich immer weiter verschlechternde Situation für die US-led coalition forces in Afghanistan und die gescheiterte amerikanische Militärstrategie. Bemängelt wird von Cockburn vor allem die Ausweitung der Kampfzone trotz oder wegen dem Fehlen jedweder politischer Strategie – hierin sieht er die Haupt-Parallele zu Vietnam: “The generals, diplomats, aid workers, security men and all the others who make up a sort of colonial elite in Kabul may be dancing on thinner ice than they imagine.”

Zwei kurze Visualisierungen, basierend auf den wikileaks afghanistan war-logs, stehen seit Juli 2010 auf youtube und verdeutlichen die Zunahme und Ausweitung des Widerstands zwischen 2004 und 2009. Die Anschläge mit improvised explosive devices kurz IEDs im selben Zeitraum kann man hier sehen. Die “Opferbilanz” weist 2010 bisher 702 getötete ausländische Soldaten auf. Etwa genau so viele wie zwischen 2001 und 2007. Laut iCasualities kamen bisher 2272 ausländische Soldaten in Afghanistan ums Leben, darunter 45 Bundeswehr-Soldaten. Wie viele afghanische Sicherheitskräfte und Zivilisten getötet wurden ist unklar.

Nach Kurzvisite mit Spielerfrau und Fernsehmoderator und einen Tag vor dem “Überraschungsbesuch” Angela Merkels – mit anschließenden Selbstmordattentaten in Kunduz und Kabul hatte auch die taz in dieser Woche eine Geschichte über die schwindende Zuversicht. Ines Pohl bekam als embedded-journalist überraschende Einblicke in den Alltag der jungen amerikanischen Soldaten. It’s a war, right.

Als letzten vorweihnachtlichen Happen aus dem Netz gibt es hier einen link zu thedailybeast und den verstärkten Bemühungen der Regierung Obama, die militärischen Anstrengungen an sogenannte military contractors auszulagern. Blackbird Technologies, Glevum Associates, K2 Solutions und ähnliche Firmen übernehmen immer mehr Aufgaben in Afghanistan. Tim Shorrock hat darüber auch ein Buch geschrieben Spies for Hire.

Das tethys-team wünscht allen Lesern und Mitstreitern ein geruhsames Weihnachtsfest.

NEU: Naturtrüber Apfelsaft aus Neustadt

Aus Duschanbe kommend, kurz vor der usbekischen Grenze, muss der Apfelsaftfreund in Neustadt (tad. Shahrinav) links abbiegen. Vorbei am Kulturhaus und einer ausgedienten Aeroflot-Maschine erreicht der Fruchtsaftliebhaber die Produktionsanlage der Natural Product GmbH. Begrüßt wird man vom 25-jährigen Firmeninhaber Iskandar Kholov, der vor vier Monaten aus dem mittelfränkischen Triesdorf nach Tadschikistan zurückgekehrt ist. Dort hat er an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf einen Master in Internationalem Agrarmanagement abgeschlossen und seine Abschlussarbeit den Investitionsmöglichkeiten in die Fruchtsaftverarbeitung Tadschikistans gewidmet. Eine mittelständische Agrarfirma aus Deutschland konnte er von seiner Investitionsidee überzeugen und nun steht er vor seiner Fruchtsaftanlage, mit der seine 10 Mitarbeiter und er in den letzten drei Monaten bereits 70 Tonnen Apfelsaft gepresst haben.

Iskandar Kholv an seiner SaftproduktionsanlageIskandar Kholv an seiner Saftproduktionsanlage

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Radio im Verborgenen

Ein Beitrag von olim devona

Es ist Abend. Irgendwann im August 2010. Ich bin gerade in Mazar-e Sharif im Norden Afghanistans angekommen und habe hier nach längerem Suchen eine angenehme Bleibe gefunden. Nun leg ich mich aufs Hotelbett, zücke mein Mobiltelefon und schalte das Radio ein.

Automatische Sendewahl, denke ich mir. Mal sehen was so läuft:
88, 2, der erste Sender, indische Musik,
88.4, der zweite Sender, eher Musik aus der traditionellen afghanischen Ecke,
88.6 das nächste, turksprachige Programm, usbekische Musik.

Wow, denke ich, krasse Sendedichte. Das geht weiter so die gesamte Skale bis 106 hoch. Sender an Sender, und das in einer Stadt, die zwar die zweit oder dritt größte Stadt des Landes ist, in ihrer Bedeutung jedoch weit hinter Kabul zurücksteht. Continue Reading →

Leuchtende Zukunft – Eine Bilderserie aus Tadschikistan

Ein Reportage von Wladimir Sgibnev

Am 12. April 2010, um drei Uhr nachmittags, wurde auf Befehl des Präsidenten die Werbekampagne für den Aktienverkauf des Wasserkraftwerks Roghun gestoppt. Mehrere Monate lang wurde die Bevölkerung Tadschikistans mit legalen, halb-legalen und illegalen Methoden angehalten, Aktien für den Staudammbau in Roghun zu zeichnen. Die Gründe für das Ende der Kampagne wurden nicht bekanntgegeben. Wahrscheinlich geschah es auf Druck des Internationalen Währungsfonds, welcher drohte, seine Projekte im Land einzustellen: die Folgen einer solch massiven Entnahme von Bargeld aus dem Wirtschaftskreislauf seien unvorhersehbar. Einer weiteren, sehr inoffiziellen Version zufolge kam des Ende der Kampagne, da die Regierungskreise eine Entwicklung nach dem kirgisischen Szenario befürchteten: hatten doch die blutigen Ausschreitungen des 7. Aprils, die zum Sturz des Bakiev-Regimes geführt hatten, ihren Ursprung ebenfalls in einer starken finanziellen Belastung der Familien in Kirgistan durch stark gestiegene Energiepreise, in Tadschikistan eben durch den Zwangserwerb der Roghun-Aktien.

Das offiziell verkündete Ende der Kampagne bedeutete aber keineswegs, dass der Zwang zum “freiwilligen” Aktienkauf nachgelassen hätte, dass auf einmal die Plakate verschwanden und die Werbesendungen eingestellt wurden. Roghun bleibt nach wie vor das beherrschende Thema in den Zeitungen und dem staatlichen Fernsehen, das ein Korrespondent in “Roghun TV” umgetauft hat:

Nachdem der Bau des Staudammes wieder aufgenommen wurde, und unser Präsident die Kampagne für den Aktienverkauf eingeläutet hat, sendet der Erste Kanal von morgens bis abends Reportagen und Berichte über die Entwicklung auf der Baustelle. Wahrscheinlich geschieht das auf Bestellung der Regierung oder der Leitung des Energieministeriums. Ich weiß es nicht genau, möglich ist es. Es erstaunt mich, mit welcher Sturheit, der Erste Kanal die Gehirne seiner Zuschauer “wäscht” (wahrscheinlich schaut es deswegen niemand mehr), mit den unaufhörlichen Bildern von der Baustelle und den wunderbaren Statistiken des Baufortschritts. Und all diese Sendungen werden von patriotischen Liedern untermalt. (…) Und wenn Roghun einmal fertig ist, was bekommen wir dann zu sehen? Sendungen, wie der Strom hergestellt wird? (Asia-Plus vom 19.05.2010)

Wie sichtbar das Wasserkraftwerk Roghun in Tadschikistan ist, soll anhand einiger Photos dargestellt werden. Und es gibt viel mehr davon – Bücher, T-Shirts, Aufkleber, Kugelschreiber sind noch nicht mitgezählt. Die Aufnahmen entstanden im Frühjahr und Herbst 2010 in Duschanbe, Khujand und der nordtadschikischen Kleinstadt Taboschar. Im Rest von Tadschikistan ist die Dichte der Roghun-Propaganda keineswegs geringer, denn der Staudamm begleitet einen im Land auf Schritt und Tritt.

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