Ein Reportage von Wladimir Sgibnev
Am 12. April 2010, um drei Uhr nachmittags, wurde auf Befehl des Präsidenten die Werbekampagne für den Aktienverkauf des Wasserkraftwerks Roghun gestoppt. Mehrere Monate lang wurde die Bevölkerung Tadschikistans mit legalen, halb-legalen und illegalen Methoden angehalten, Aktien für den Staudammbau in Roghun zu zeichnen. Die Gründe für das Ende der Kampagne wurden nicht bekanntgegeben. Wahrscheinlich geschah es auf Druck des Internationalen Währungsfonds, welcher drohte, seine Projekte im Land einzustellen: die Folgen einer solch massiven Entnahme von Bargeld aus dem Wirtschaftskreislauf seien unvorhersehbar. Einer weiteren, sehr inoffiziellen Version zufolge kam des Ende der Kampagne, da die Regierungskreise eine Entwicklung nach dem kirgisischen Szenario befürchteten: hatten doch die blutigen Ausschreitungen des 7. Aprils, die zum Sturz des Bakiev-Regimes geführt hatten, ihren Ursprung ebenfalls in einer starken finanziellen Belastung der Familien in Kirgistan durch stark gestiegene Energiepreise, in Tadschikistan eben durch den Zwangserwerb der Roghun-Aktien.
Das offiziell verkündete Ende der Kampagne bedeutete aber keineswegs, dass der Zwang zum “freiwilligen” Aktienkauf nachgelassen hätte, dass auf einmal die Plakate verschwanden und die Werbesendungen eingestellt wurden. Roghun bleibt nach wie vor das beherrschende Thema in den Zeitungen und dem staatlichen Fernsehen, das ein Korrespondent in “Roghun TV” umgetauft hat:
Nachdem der Bau des Staudammes wieder aufgenommen wurde, und unser Präsident die Kampagne für den Aktienverkauf eingeläutet hat, sendet der Erste Kanal von morgens bis abends Reportagen und Berichte über die Entwicklung auf der Baustelle. Wahrscheinlich geschieht das auf Bestellung der Regierung oder der Leitung des Energieministeriums. Ich weiß es nicht genau, möglich ist es. Es erstaunt mich, mit welcher Sturheit, der Erste Kanal die Gehirne seiner Zuschauer “wäscht” (wahrscheinlich schaut es deswegen niemand mehr), mit den unaufhörlichen Bildern von der Baustelle und den wunderbaren Statistiken des Baufortschritts. Und all diese Sendungen werden von patriotischen Liedern untermalt. (…) Und wenn Roghun einmal fertig ist, was bekommen wir dann zu sehen? Sendungen, wie der Strom hergestellt wird? (Asia-Plus vom 19.05.2010)
Wie sichtbar das Wasserkraftwerk Roghun in Tadschikistan ist, soll anhand einiger Photos dargestellt werden. Und es gibt viel mehr davon – Bücher, T-Shirts, Aufkleber, Kugelschreiber sind noch nicht mitgezählt. Die Aufnahmen entstanden im Frühjahr und Herbst 2010 in Duschanbe, Khujand und der nordtadschikischen Kleinstadt Taboschar. Im Rest von Tadschikistan ist die Dichte der Roghun-Propaganda keineswegs geringer, denn der Staudamm begleitet einen im Land auf Schritt und Tritt.
Continue Reading →