von Wladimir Sgibnev
Seit Wochen ist die Stromversorgung in Tadschikistan sehr stark eingeschränkt. Selbst das Navruz-Fest mussten viele im Dunkeln verbringen. Die Städte, von der Hauptstadt Duschanbe abgesehen, müssen mit zwei Stunden Strom am Tag auskommen, während auf dem Land erst gar kein Strom ankommt.
Der Wasserpegel im Stausee von Nurek ist auf ein historisches Tief gesunken. Aufgrund des ungewöhnlich kalten Frühlings schmilzt der Schnee in den Bergen nicht, so kommt kein Wasser ins Tal, um die Turbinen des Staudamms anzutreiben. Das kam sicher auch in den letzten Jahren wiederholt vor, aber damals war Tadschikistan noch an das gemeinsame zentralasiatische Stromnetz angeschlossen. Seit Usbekistan jedoch Ende 2009 das Verbundnetz verließ, können saisonale Schwankungen nicht mehr durch Stromimporte ausgeglichen werden. Mithilfe riesiger Staudammprojekte soll daher die Stromversorgung des Landes auf eigene Füße gestellt werden, aber es wird wohl noch viel Wasser den Wachsch hinunterfließen, bis es soweit ist.
Die miserable Stromversorgung war der Auslöser, um auch gegen die allgemeine Misswirtschaft im Land zu protestieren: vor dem Eingang des Stromversorgers “Barq-i Tojik” haben sich am 8. April mehrere Dutzend Menschen versammelt, Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet, “in Trauer über das Sterben der tadschikischen Energiewirtschaft”. Dabei hielten die Teilnehmer Plakate in den Händen mit den Worten “Tribalismus + Nepotismus = Armut und Korruption” und “Das Volk will das nicht”. Bilder und Videos der Veranstaltung gibt es zum Beispiel bei AsiaPlus und Radio-Ozodi.
Das Überraschende an dem Ereignis war, dass sich die Veranstalter per Facebook zusammengefunden haben – die Facebook- und Twitter-Revolutionen der arabischen Welt lassen grüßen. Der Flash-Mob ist ein absolutes Novum in der tadschikischen Gesellschaft und ein Indiz für die Existenz einer aktiven, vernetzten und politisch interessierten Jugend in der Hauptstadt des Landes: allesamt fleißige Benützer mobiler elektronischer Endgeräte und daher von den Strompannen empfindlich getroffen.
Eine offizielle Stellungnahme des Stromversorgers oder der Regierung ist bisher ausgeblieben, aber es ist an der Zeit, dass etwas getan wird. Die International Crisis Group hat bereits in ihrem Februar 2011 erschienenen Bericht gewarnt, dass die bröckelnde Infrastruktur die staatliche Stabilität Tadschikistans bedroht, nachdem bereits April 2010 der kirgisische Präsident Bakiev nach einer Erhöhung der Strompreise aus dem Land gejagt wurde. Auch Tadschikistan braucht dringend einen Herrn Licht, um endlich Licht ins Dunkel zu bringen.