arte: Buzkashi, das Lied der Steppe

Sie reiten durch die Steppe auf dem Weg nach Buchara, sie schauen auf ihre Handys. In der Heimat von Avinzenna, Omar Khayam, und all der anderen unzähligen großen Dichter, haben ihre Handys aber keinen Empfang, doch wollen sie nicht zu spät kommen, zum großen Pferdepolo (buzkashi, oder ko’pkori), in dem sich seit Jahrhunderten die besten Reiter Zentralasiens miteinander messen…

Ulughbek und Ali sind erbitterte Feinde, erzählt uns der namenlose Dichter, der uns in gestochenem literarischen Persisch durch die Handlung führt. Ulughbek verrät uns in herrlichem “Aralsee-Usbekisch” warum: er habe nach der Schule mit Muhabbat spielen wollen, nur Ali hätte sich immer eingemischt. Irgenwann hat es Ulughbek gereicht, da hat er Ali eine aufs Maul gehauen, seit dem können sie sich nicht leiden.

So vermischen sich in diesem Film ständig Historisches mit Heutigem, Avantgarde Kunst mit traditionellem Stil, alte Gedichte mit profaner Reportage. Der gestern bei arte.tv ausgestrahlte Buzkashi, das Lied der Steppe ist ein gelungener Ritt durch die Jahrhunderte und über hunderte Kilometer Steppensand. Die Leichtigkeit, in der hier mit Geschichte und Geschichten umgegangen wird, macht Spaß, der Eingeweihte schmunzelt, der zufällig Hinschauende wird verzaubert, der Pferdenarr träumt… ein toller Film. Noch sieben Tage kann man ihn sich im Netz anschauen…

Er kann sich sehen lassen neben dem Klassier aller Klassiker zum Buzkashi, the Horsemen – die Steppenreiter, mit dem unnachahmlichen Omar Sharif als Uraz und der verführerischen Leigh Taylor Young.

Wer eine ganz gelungene Fotoreportage dazu lesen will, der schaue bei Heiner Buhr hier herein…

Buchara oder In Erwartung eines Sandsturms

Ein Reprint von Landolf Scherzerlandolf-scherzer.jpg

Mitte der 1970er Jahre reiste ein DDR-Schriftsteller in die 5 südlichen Sowjetrepubliken, die sogenannten -stans , und erschrieb sie einem DDR Publikum. Es entstand das Buch “Nahaufnahmen”. Aus diesem Buch veröffentlichen wir nun nach seinen Erlebnissen in Samarkand ein weiteres Mal seine Streifzüge durch Mittelasien. Sie geben in ungefilterter Fülle Eindrücke eines DDR Schriftstellers aus den späten Jahren des Sozialismus in Zentralasien wieder, die man zwar mit der Brille des Zeitzeugendokuments lesen muß, sie aber trotzdem geniessen kann.

Unlängst erschienen von Landolf Scherzer im Aufbauverlag zwei bemerkenswerte Bücher. In “Die Fremden” spürt er den Erfahrungen von Gastarbeitern in der DDR und derer nach, die mit ihnen und für die sie arbeiten und schildert ihre Schicksale in Wende- und Nachwendezeit. In “Der Grenzgänger” läuft Scherzer entlang der Deutsch-Deutschen Grenze zwischen Thüringen, Hessen und Bayern und berichtet von seinen Erlebnissen auf beiden Seiten.

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Buchara oder In Erwartung eines Sandsturms

Nach meiner Ankunft in Buchara staune ich zuerst über Amateurartisten in blauen Monteuranzügen. Sie klettern auf weißen geradwandigen und spitzgiebligen Schobern herum, die so groß wie Zweifamilienhäuser sind, und versuchen, sie mit Planen zu bedecken. Beim Näherkommen entpuppen sie sich als Millionen sorgfältig gestapelter Baumwollblüten. Doch das erklärt mir nicht die auffällige Hast, mit der die Männer den weißen Flaum unter der Plane verstecken wollen. Der Himmel ist wolkenlos blau, und die Scheibenwischer sind an fast allen Autos bestimmt demontiert, denke ich, da es hier im Sommer sowieso nicht regnet. Continue Reading →

Tengri.de – Berichte, Analysen und Reportagen aus Zentralasien

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Tengri ist in erster Linie nicht als Blog gedacht, sondern als Online-Portfolio der Journalistin Edda Schlager. Es werden Texte, Radiobeiträge und Fotos der Autorin präsentiert, für potentielle Auftraggeber oder diejenigen, die einen Artikel von ihr gelesen haben und mehr aus der Region wissen wollen. Edda Schlager arbeitet seit knapp vier Jahren als freie Korrespondentin in Zentralasien. Sie wohnt in Almaty in Kasachstan und bereist von hier aus regelmäßig alle zentralasiatischen Länder. Continue Reading →

Im Land der Frauen

Anfang der 1890er Jahre tourt eine außergewöhnliche Truppe durch Deutschland, die Amazonen von Dahomey. Am 3. Dezember 1892 kommentiert Die ILLUSTRIERTE ZEITUNG:

“Die Truppe der Amazonen von Dahomey, die früher in Leipzig, Berlin und anderen Orten gastierte, gibt gegenwärtig in München vielbesuchte Vorstellungen.”

In ganz Europa ließ man sich um die Jahrhundertwende gerne durch sogenannte Völkerschauen, “Gezähmte Wilde” und anderen Formen exotistischer Veranstaltungen und Einrichtungen unterhalten und in wohliges Schaudern versetzen. Die Tour der afrikanischen Amazonen jedoch erfreute sich aufgrund der Vorstellung, die man sich in Europa von diesem mystischen Frauenvolk machte, besonderen Interesses.

Amazonen, also Frauen, die nicht nur das Kriegshandwerk verstehen, sondern auch eine Gesellschaft aufbauen, in denen die dominante staatstragende Kraft Frauen sind, sind als mythische Figuren in der europäischen Sagenwelt seit dem antiken Griechenland wohlbekannt. Die Spekulationen, wo ihre Stammesgebiete gelegen haben, erstrecken sich u.a. auf Anatolien, die Ostufer des Schwarzen Meeres, iranische Gebiete und auf die Krim.

Als die afrikanischen Amazonen durch Deutschland tourten, lebte auf der Krim ein gewisser Ismail bey Gasprinskij. Seineszeichens hervorragender muslimischer Intellektueller, begeisterter Zeitungsleser und Herausgeber der Zeitung Tergümon (Übersetzer). Das Interesse an Zeitungen war bei Gasprinskij politisch motiviert und lag vor allem in der Möglichkeit begründet, mit einem eigenen Organ alle Krimtataren, sowie darüber hinaus auch alle anderen türkischsprachigen Intellektuellen vom Bosporus bis nach Zentralasien anschreiben und mit einem Programm erreichen zu können, das zur gleichen Zeit in der gesamten Islamischen Welt für Bewegung und Unruhe sorgte: die Islamische Aufklärung.

Als Ismail bey Gasprinskij das Ereignis der Amzonentour durch seine Zeitungslektüren bekannt wurde, wusste er längst, dass man in Europa mittlerweile Gebiete in Afrika als mögliche Heimat der Amazonen ansah. Auch war er bestens darüber im Bilde, was die europäischen Großmächte dort mit ihrem Kolonialismus anstellten. Und so ersann Gasprinskij eine Geschichte, in der er einen Taschkenter Mullah (Abbas Efendi) über eine Expedition in das “Land der Amazonen” im Herzen Afrikas berichten ließ. Diese Geschichte publizierte Ismail bey Gasprinskij 1890 und 1891 als Fortsetzungsroman in seiner Zeitung Tergümon.

Vor einigen Jahren übersetzte Ingeborg Baldauf diese Geschichte aus dem Krimtatarischen ins Deutsche. Bisher fand sich kein Ort für eine Präsentation dieser gleichermaßen pikanten wie lesenswerten Geschichte. Nun hat Ingeborg Baldauf ihr Manuskript tethys zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns ganz herzlich und veröffentlichen als download die deutsche Übersetzung

Blogistan.asia

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Ein virtuelles Interview mit Blogistan.asia

tethys: Warum bloggt Ihr?

B: Zuerst einmal um Erfahrungen zu verarbeiten und in Kontakt mit Freunden und Bekannten zu bleiben. Viele von uns haben zu diesem Zweck früher Rund-Mails geschrieben. Wir merkten jedoch schnell, dass eine Rund-Mail ein relativ begrenztes Medium ist, da man zwar über persönliche Erfahrungen und Entwicklungen berichten kann, die Wiedergabe einer kurzen Alltagsbeobachtung, eines Fotos oder Videos ist jedoch praktisch unmöglich, wenn man nicht Langweile verbreiten will. Continue Reading →

Was bleibt ist die Erinnerung… zum Tod von Tschingis Aitmatow

[inspic=353,left,,400]Ein Nachruf von Thomas Loy und Olim devona.

Nach dem Stalinismus der 1930er bis 1950er Jahre war das Verhältnis zwischen dem sowjetischen Staat und seinen Bürgern geklärt. Beide Seiten wussten relativ genau, woran sie waren. Die verängstigten Massen bezeugten dem herrschenden Apparat ihre Loyalität und Solidarität, dafür verzichtete dieser auf die willkürlichen und blindwütigen Zwangsmaßnahmen, die das Leben in der Sowjetunion seit den 1930er Jahren bestimmten. Diese rituelle Zustimmung blieb jedoch über die Jahre hinweg rein deklarativ und verpflichtete niemanden dem Staat auch tatsächlich zu dienen. Den Sowjetbürgern ermöglichte diese Strategie der Anpassung das Überleben. Es kehrte Ruhe ein in der Sowjetunion. Dazu trug auch ein anderes Ereignis bei. Der siegreiche Kampf gegen den Faschismus im zweiten Weltkrieg wurde für die Sowjetunion zur ersten alle Sowjetrepubliken integrierenden Kollektiverfahrung. Die damit einhergehende Erinnerungsarbeit ermöglichte es der sowjetischen Führung, vom selbstzerstörerischen Terror der 1930er Jahre abzulenken. Der durchstandene Krieg inszeniert als vereinendes Erlebnis, das alle negativen Erinnerungen überlagern sollte. Die Zeit davor wurde ausgeblendet und dann, nach Stalins Tod, schlicht als Fehlentwicklung abgetan. Was folgte war Stagnation. Continue Reading →

gusnews — Nachrichtenblog mit Hintergrund

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Paul Becker, der Autor von gusnews, über seinen Blog und seine Motive ihn zu führen…

Ich bin in Chimkent im südlichen Kasachstan geboren und aufgewachsen. Die Idee einer Webseite, eines Blogs, die oder der sich mit den Themen aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) beschäftigt, kam mir bereits am Anfang meines Studiums der Osteuropastudien an der Freien Universität zu Berlin, jedoch wusste ich nicht, wie ich diese technisch umsetzen konnte. Continue Reading →

Im Land der Amazonen IV

Dies ist die letzte der vier Folgen, die alles in allem den um 1890 geschriebenen fiktiven Bericht eines Taschkenter Geistlichen Abbas Efendi ergeben, der im wüsten Afrika in das Land der Amazonen geriet. Die Folge I beschäftigte sich mit der Einführung einer fiktiven getrennt geschlechtlichen Welt, in der die Frauen das Sagen haben und die Männer ihnen dienen. Schnell erkennt der Leser die Zustandsbeschreibung französischer und zentralasiatischer Verhältnisse am Ende des 19. Jahrhundert. Erstaunen breitete sich aus, wurden wir gewahr, dass sich die Emanzipation der Geschlechter in Europa wenig von der des Orients unterschied. Folge II lies uns in eine Kulturdebatte eintauchen, in der schnell klar gemacht wurde, dass wie auch immer die Diskussion auf der Seite der Männer oder der Frauen verlief echte Gleichheit von keinem wirklich gewünscht wurde, ein Zustand der auch im Europa des 21. Jahrhunderts reine Zukunftsmusik bleibt. Continue Reading →

Im Land der Amazonen III

(Folge drei der Übersetzung von Ingeborg Baldauf mit keiner Einleitung von Olim devona)

Die zweite Folge hat uns in die europäischen und islamischen kulturellen Vorstellungen von der Rolle der Frau wie in ein Spiegelkabinett des 19. Jahrhunderts geführt, und dabei erstaunlicherweise die Frage, die auch die heutige deutsche Gesellschaft plagt, unbeantwortet gelassen: Ist wirkliche Gleichberechtigung möglich, ohne dass ein Partner in der Beziehung sich unterordnet? Diese Gedanken plagten also die Aufklärer vor etwa 120 Jahren genauso wie uns heute.

Da aber Gaspirali Gasprinskij nicht nur ein Intellektueller, sondern auf seine Art auch Ideenhändler war, wußte er, dass sich gute Geschichten nur verkaufen lassen, wenn dazu eine gehörige Portion “Sex, Crime ‘n Thrill” kommt. Und was sollte man dazu noch sagen außer …. Continue Reading →