Die Tragetasche Mittelasiens: Eine Liebeserklärung an A&C “AYGEN COLLECTION” STYLED IN ITALY

Ein Beitrag von Michael Angermann

Die Tragetasche in der TotaleDie Tragetasche im gebührenden Sonnenschein

Da hängt sie nun an einer kalten Hand irgendwo im winterlichen Kiew. Ihre Freunde sind weit weg. Die tummeln sich vornehmlich in Mittelasien. Wenig ist über sie bekannt. Ihr künstlerischer Geburtsort soll in Italien liegen, zumindest verkündet das die Aufschrift “Styled in Italy”. Eine italienische Schuhkollektion soll es ursprünglich gewesen sein. Die Betonung liegt auf “soll”. Ihre wahre Herkunft verschleiert sie. Die liegt wahrscheinlich ursprünglich in Tschirtschik bei Taschkent, doch heutzutage vor allem irgendwo im Reich der Mitte. Continue Reading →

Afghanistan kurz vor der Wahl

Ein Bericht von olim devona

Seit Wochen sind sie unterwegs, Autos mit Lautsprechern und Wahlkampfplakaten auf Dächern und an Fensterscheiben. Sie spielen entweder traditionelle Musik, spulen kurze Reden von Parlamentskandidaten ab oder lassen Parolen durch die Straßen schallen. Diese sind mit Wahlplakaten gepflastert, jeder Quadratmeter scheint besetzt.

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Kommenden Sonnabend werden in Afghanistan Parlamentswahlen abgehalten. Die Medien in Afghanistan berichten ständig darüber. Im Ausland scheint sich die Meinung etabliert zu haben, dass die Wahlen nur von pro westlichen Politikern ausgerichtet werden und eine große Gruppe bewaffneter Gruppierungen sie zu verhindern wünscht. Die Realität in Afghanistan ist jedoch weit davon entfernt, solch einem einfachen schwarz-weiss Muster zu folgen. Auch die Taliban schicken ihre Kandidaten ins Rennen.
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Keine Angst vor der Kabuler Universität

Ein Beitrag von Just Boedeker und olim devona

Ende August waren wir, zwei befreundete Ethnologen, an der Universität Kabul, um dort im germanistischen Seminar im Institut für Literaturwissenschaften mit den Studenten Konversationsübungen durchzuführen. Die Institute sind in einer wunderschönen Grünanlage verteilt, die in den 1960er Jahren mit amerikanischer Unterstützung angelegt wurde.

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Auf dem Campus bewegen sich die Studenten und Studentinnen in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen; die Frauen bis auf einen Augenschlitz verschleiert oder vollkommen unverschleiert und körperbetont. Bei den Männern reicht das Spektrum von weiten “afghanischen” Hemden und Hosen bis zu knallbunter, westlich inspirierter Kleidung. In der Nähe des Instituts für Kunst, einem schönen von der pakistanischen Regierung gestifteten Bau ist die Dichte extravaganter Studenten wohl am größten. Weniger extravagant geht es am Institut für Islamisches Recht (shari’at) zu.

Die große Variationsbreite dieser Auftritte zeigt, wie sehr die Universität als ein sicherer und geschützter Raum wahrgenommen und von den Studenten zum Ausleben ihrer individuellen Vorlieben genutzt wird. Dass die Universität von Kabul als einer der sichersten Orte der Stadt gilt, hängt dabei nicht nur vom Sicherheitspersonal an den Eingängen der Universität ab. Die Soldaten an den drei Eingängen kontrollieren je nach Tagesform und -zeit sehr unterschiedlich: Manchmal wird keiner ohne Studentenausweis und Durchsuchung der Taschen (wofür sie sich allerdings entschuldigten) eingelassen; manchmal wird der Fluss der Studenten unkontrolliert eingelassen. Continue Reading →

Die schwierige Wasserkraftgeburt von Roghun

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Anfang Januar diesen Jahres wurde im Norden Tadschikistans die kleine Roghun geboren. Nichts außergewöhnliches möchte man meinen, würde das kleine Mädchen nicht nach einem Wasserkraftwerk benannt sein, das es erst noch zu bauen gilt.

Pläne für den Bau des Wasserkraftwerks Roghun mit der höchsten Staumauer der Welt (335 m) gibt es schon seit 1974. Der Bau der Staumauer begann 1987, doch mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde er vorerst auf Eis gelegt. 1993 spülte ein Hochwasser zudem noch große Teile der bisher errichteten Staumauer und Anlagen weg. 2004 gab es einen Versuch mit dem russischen Partner Rusal den Bau fertig zu stellen, aber drei Jahre später scheiterte die Zusammenarbeit, weil bei grundlegenden Fragen wie Dammhöhe und -typ keine Übereinkunft erreicht wurde. Das Nachbarland Usbekistan kritisiert heftig jegliche Baupläne, sieht es doch den Wasserstrom des Wachsch und in der Folge des Amu-Darja stark beeinträchtigt. Continue Reading →

“Waskati” oder wie bekommt man einen Selbstmordattentäter?

[inspic=586,left,,300] Ahmad Shah Masud, der Löwe aus dem Panjirtal, war ihr erstes Opfer in Afghanistan. Selbstmordattentäter. Zwei als Journalisten getarnte Kämpfer der al-Qaeda sprengten sich am 9. September 2001 mit ihrer präparierten Fernsehkamera in die Luft und töteten so einen der damals mächtigsten Kriegsherren der sogenannten Nordallianz, die zu dieser Zeit nur noch einen winzigen Teil Nordostafghanistans kontrollierte. Diese Art des Anschlages, bei der der Tod des Attentäters von Beginn an als sicher vorausgesetzt wird, war relativ neu für Afghanistan.
Erst mit dem Einmarsch der Amerikaner und ihrer Verbündeten in Afghanistan 2002 und besonders seit dem wieder Erstarken des Antiamerikanischen und Antiwestlichen Widerstands im Jahr 2005 wurden Selbstmordattentäter zu einer allseits gefürchteten und kaum abwehrbaren Waffe. Seither gibt es für diese Selbstmordattentäter in Afghanistan auch eine Bezeichnung. Der Volksmund nennt sie “waskati”. Waskati sind die vor allem in Südafghanistan gerne über dem Beinkleid (shalwar kamis / pirahan-tomban) getragenen ärmellosen Westen. Gerne getragen bis 2005. Heute verlassen Afghanen lieber schnell die Orte, an denen jemand in diesem Aufzug auftaucht. Zu oft haben Menschen, die bereit waren ihr Leben zu opfern, den am Körper getragenen Sprengstoff unter diesen Westen verborgen.

Wer aber sind diese Selbstmordattentäter und wie kommen sie an ihren Auftrag? Continue Reading →

Tadschikische Trolleybusse

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Duschanbe, die Hauptstadt Tadschikistans, besitzt ein auch aus westeuropäischer Sicht funktionierendes Nahverkehrssystem. Trolleybusse nehmen dabei eine wichtige Rolle ein. Alle Fahrzeuge im Linienbetrieb sind an den Seiten mit politischen Slogans versehen. Ausgehend von diesen zahlreichen Slogans soll die neuere Geschichte Tadschikistans und die aktuelle politische Entwicklung beleuchtet werden.

Dabei waren Slogans auf den Seiten der Busse zu Zeiten der Sowjetunion unüblich, und heutzutage entscheiden sich die meisten Betriebe diesen Platz zu Werbezwecken zu vermieten. Duschanbe geht jedoch einen anderen Weg.

Die Slogans scheinen eine Besonderheit der Stadt zu sein, vor allem angesichts der Tatsache, dass so viele verschiedene Sprüche anzutreffen sind – einige Dutzend. Die Slogans werden durch die Stadtverwaltung in Auftrag gegeben und an den stadteigenen Verkehrsbetrieb weitergeleitet, der diese an den Fahrzeugen anbringen lässt.

Zehntausende Personen sehen die Slogans täglich an sich vorbeifahren, aber nehmen sie diese überhaupt wahr? Oder sind die Slogans nur Hintergrundgeräusche, angesichts der allgegenwärtigen Slogans, die Straßenzüge überspannen oder Hauswände bedecken? Es ist eine grundlegende Marketing-Frage; in unserem Fall jedoch hat sie eine politische Bedeutung.

Die untersuchten Slogans auf den Fahrzeugen sind ein Baustein unter vielen in einer breit angelegten staatstragenden Erziehungskampagne. Wie viel Beachtung sie auch immer tatsächlich finden mögen, sie sind bezeichnend für das Verhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung in den zentralasiatischen Republiken. Continue Reading →

… und dann zersplittern beide unter lautem Gelächter!


Ein Beitrag von Michael Angermann

Am frühen Morgen sieht Mann sie das erste Mal auf der Straße, in Rot und Orange trägt Frau sie durch Chorog, der Hauptstadt der Autonomen Region Berg-Badachschan im Osten Tadschikistans. Schnell tuschelt sich die Neuigkeit durch den kleinstädtischen Sommermorgen: chinesische Händler sind gekommen. In großer Anzahl setzen sich Menschenmassen in Bewegung und überqueren die Gunt, die nur wenige Kilometer flussabwärts in den afghanisch-tadschikischen Grenzfluss Pjandsch mündet, um sich dann auf einem abenteuerlichen Pfad zum Gelände eines ehemaligen LKW-Hofs hinaufzuwinden. Ein orange-rotes Farbenmeer quillt ihnen entgegen.

Chinesischer Markt in Chorog Continue Reading →

Messer

Ein Beitrag von olim devona

[inspic=525,,,0]Kokand, am Eingang des Ferghanatales in Usbekistan gelegen, ist die Stadt der Messer. Obwohl in der Stadt der Brauch des Messertragens aufgegeben wurde (in der ländlichen Peripherie trägt ein Mann noch das Messer als Zeichen von Männlichkeit und Wehrhaftigkeit), ist es immer noch Zentrum des handwerklichen Messerherstellens. Hier wird sogar noch damaszener Stahl geschmiedet.

Doch damit sind wir am Kern des Problems angelangt: für ein gutes Messer braucht es guten Stahl. Continue Reading →

«Café Taschkent» in Berlin: Kreuzkümmeldüfte an der B96a


Eine Restaurantkritik von Michael Angermann

[inspic=522,left,,160][inspic=523,center,,240]  Am nördlichen Ende von Pankow, noch hinter dem Schlosspark Niederschönhausen, der mongolischen Botschaft und einem Thailändisch-Chinesisch-Mongolischen-Sushi-Restaurant, verbirgt sich seit November 2008 das «Café Taschkent». Das Lokal schmeichelt dem Besucher weniger mit seiner Kaffee- und Kuchenvielfalt, als mit einem kulinarischen Kurzausflug nach Zentralasien am Rande der Hauptstadt.

Die Speisekarte lässt tiefe Einblicke in die Kochtöpfe der Region zu, sei es die Nuddelsuppe Lagman, die Fleischsuppe Schurpa, die Reispfanne Plow, die gedämpften Teigtaschen Manti oder die gebackene Version Samsa. Jeder Liebhaber zentralasiatischer Küche wird fündig. Gleichwohl überrascht beim Lesen des Menüs der Schweinefleischeinsatz z.B. bei Lagman und Manti, was im islamisch geprägten Zentralasien undenkbar wäre und auch unter in Berlin lebenden Zentralasiaten etwas argwöhnisch betrachtet wird. Rustam Khojamkulov, der Schwiegersohn des Eigentümers Abdulla Rajabov, ist sich der Bedeutsamkeit dieser Entscheidung bewusst, trotzdem hatte sich der Familienbetrieb dazu entschlossen, um mehr deutsche Gäste anzuziehen. Inzwischen überdenkt die Familie gerade diese Entscheidung, um keine zentralasiatischen Gäste abzuschrecken, die sicherlich mit großer Freude das derzeit einzige usbekische Spezialitätenrestaurant der Stadt aufsuchen würden. Continue Reading →

Herbst in Taschkent

Ein Beitrag von Birgit Läbe

Herbst KachelHerbst in Taschkent, das ist ein wahrer Gegensatz zu meinen Beobachtungen, die ich im Sommer gemacht habe. Das kalte Wetter macht aus den Einwohnern hier wahrlich in sich gekehrte Wesen. Auf der Strasse und in der Metro begegne ich Menschen, die ihre Umwelt gar nicht mehr in dem Maße wahrnehmen, wie ich es gewohnt bin. Ich komme mir vor wie Luft! Wo sind nur die auf mir sitzenden Blicke der Passanten ob meines Aussehens oder meiner Schuhe…?
Fast jeden Tag regnet es, manchmal ununterbrochen. Auf den Strassen dominiert die Farbe Schwarz, die Menschen passen sich den Jahreszeiten auf wunderbare Weise an. Aber es gibt da noch so eine spezielle Eigenheit der Usbeken, der man gerade jetzt besonders begegnen kann…
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