“Hell aus dem dunklen Vergangenen …”

(Ãœber die politische Relevanz des Lichts und seine Umbewertung. Ein Beitrag von Olim devona)

Als Zaratushtra vor 4000 Jahren vom Berg herabstieg und seinen Anhängern etwas von der Wahrheit, dem Licht und der Finsternis berichtete, war der Keim des Dualismus in den monotheistischen Religionen gelegt. Wir wissen nicht, ob dualistisches Denken, die Aufteilung der Welt in Gut und Böse, in ein Reich des Lichtes und der Finsternis, in zwei zu sich gegensätzliche Paare auch schon bei den Höhlenmalern von Lascaux zum spirituellen Repertoire gehörten. Wir wissen auch nicht ob yin und yang, als chinesisch philosophisches Prinzip dualistische Impulse erhielt, als es um 1000 v.u.Z. in China aufkeimte, wir wissen aber das die Aufteilung der Welt in Gut und Böse, die Metapher vom Dunkel und der Erleuchtung verdammt erfolgreich war. Continue Reading →

Erdbeben in Zentralasien

(Ein Beitrag von Olim devona)

Ashgabad, Oktober 1948

In der Nacht vom 5. zum 6. Oktober 1948 (genauer um 1 Uhr 12 Minuten und 5 Sekunden”) änderte sich das alltägliche Leben der Hauptstadt Turkmenistans und ihrer angrenzenden Bereiche unerwartet.

So beginnt die Geschichte des Erdbebens von Ashgabad, der Hauptstadt der Sowjetrepublik Turkmenistan, eines der stärksten Erdbeben in der Geschichte der Sowjetunion: 8 – 9 Punkte auf der Richterskala. Seine verheerende Wirkung (man schätzt etwa zwischen 100.000 und 160.000 Toten) kam aus der Mischung der Stöße, die die Erde aussandte. Sie erfolgten in einer vertikalen und horizontalen Richtung. Dauer 10 Sekunden. Die lokalen Verwerfungen, die auf das Beben folgten, betrugen in Ashgabad 180 cm. In Moskau, 2500 Kilometer davon entfernt, wurden noch 0,4 mm gemessen. Continue Reading →

Wo liegt eigentlich Afghanistan?

(Die USA fordern mehr Unterstützung für ihren Kriegseinsatz in Afghanistan. Wieder einmal ist das Land am Hindukusch das Topthema in den deutschen Medien. An der anhaltenden Konzeptionslosigkeit der internationalen Politik hat sich indes nichts geändert. Olim devona über Déjà-vu Effekte und deren alltägliche und künstlerische Verarbeitung.)

Vor ein paar Jahren bekam ich eine Broschüre eines in Afghanistans entstandenen Büchleins zu Gesicht, bei dem der Einband aus Kartenmaterial für den Unterricht afghanischer Schulkinder recycelt worden war. Viele von uns kennen diese Karten – etwa von “Haack, Gotha” – noch aus der eigenen Schulzeit: auf Papier gedruckt mit textilverstärkender Schicht, robust und praktisch unverwüstlich. Als ich nun dieses Büchlein, die Lithografie eines klassischen afghanischen Geschichtswerkes, eingebunden in eine Landkarte meiner Kindheit durchblätterte, wunderte ich mich: War denn diese Karte jemals zu etwas Besserem geeignet, als einem Büchlein als Schutzumschlag längere Lebensdauer zu verleihen? Continue Reading →

Der Filter

( Jan Dimog Tanjuaquio beantwortet Fragen zu seinem Blog)

“Afghanistan: wer diese berge beherrscht. wer die täler kontrolliert. wer die wüsten besitzt. hat Afghanistan noch lange nicht erobert. Immer wieder, immer
noch erzählt man sich diese geschichten von Alexander, Dschingis Khan,
von den Briten, den Russen und all den anderen mächten und völkern,
die weder die berge noch die täler oder gar die wüsten bezwungen
haben. Ganz zu schweigen von den menschen, die sich nicht bezwingen
lassen wollten. Weil dies ihr stück land, ihre welt ist. Und wir? Wir
sind nur zu besuch da, kurzzeitig, ein lidschlag. Was ist schon ein
lidschlag in einer geschichte, die man seit ewigen zeiten mitteilt und weitergibt.”

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Die Zigeuner Mittelasiens

(Ein Beitrag von Olim devona)

fotima.jpgDas ist Fotima. Fotima ist ein Wellensittichweibchen mit aussergwöhnlichen Fähigkeiten. Sie sagt uns die Zukunft voraus. Und das, was sie mir vorausgesagt hatte, oder besser, was sie aus dem Haufen Papier, auf dem sie immer sitzt, fuer mich heraussuchte, traf 100% ins Schwarze: “Deine Wünsche gehen alle in Erfüllung. Aber nicht so, wie du es dir denkst. Du verschwendest viel zu viel Zeit darauf, was du gerade tust.” Genau das tat ich damals in Xodjand. Ich stand vor den Pforten eines Museumsarchives und wartete, auf das es sich irgendwann öffne.

Fotima gehört Maxluba. Maxluba wiederum gehört zu einer etwa 1000 Personen umfassenden Gruppe, die seit Menschengedenken in der Gegend um Xodjand leben, und die hier im Norden Tadschikistans und auch in anderen Regionen Mittelasiens luli genannt werden. Luli ist eigentlich ein Schimpfwort, geht doch mit dieser Bezeichnung die Sage einher, das Geschwisterpaar Lu und Li hätten sich einst in Liebe entbrannt einander hingegeben. Gott lies sie daraufhin fallen und wies sie von sich. Die Nachkommen aus dieser Vereinigung nun seien die heutigen luli. Dieser Schimpfmythos jedoch bringt den Zorn der Zigeuner Mittelasiens zum Kochen. Die meisten nennen sich daher lieber Zigeuner (cigan) als luli. Denn als irgendwann im 19. Jahrhundert die kolonialen Landvermesser und Ethnographen kamen und Maxlubas Urgrosseltern als cigan “ Zigeuner” bezeichneten, war dieser Begriff noch nicht negativ belastet. So übernahmen mittelasiatische ambulante Händler, Krämer oder Abdecker diesen Namen und sagen von sich seitdem mit Stolz, sie seien Zigeuner. Continue Reading →

Der Zug in den Westen …

(Ein Beitrag von Olim devona)

China und der chinesische Westen verbindet seit Jahrhunderten eine gemeinsame Geschichte. Mit der Okkupation Tibets 1951 wurde die heutige Autonome Region Tibet politisch in das heutige China integriert. Seit dem Deng Xiaoping in der Mitte der 80er Jahre mit der Liberalisierung der chinesischen Planwirtschaft begann, wandelt der Transformationsprozess in der gesamter Volksrepublik China soziale Ordnungen, Infrastrukturen und wirtschaftliche Beziehungen. Wie schon aus zahlreichen Beispielen aus den 1960er Jahren bekannt, versucht die chinesische Regierung den sozialen und wirtschaftlichen Wandel des Landes in “großen Sprüngen” zu beschleunigen und es auf das Niveau der westlichen Mächte zu bringen. Continue Reading →

Das Krankenhaus am Rande der Stadt – Psychiatrie in Usbekistan

(Interview mit einem leitenden Arzt der Abteilung Psychiatrie, Usbekistan. Personen und Umstände sind der Redaktion bekannt und können auf Wunsch nachgefragt werden. )

Das hier vorliegende Interview soll einen Einblick in den Alltag psychiatrischer Kliniken in Usbekistan vermitteln. Das Interview selbst wäre nicht möglich gewesen, wenn diese Absicht direkt offenbart worden wäre. Aus diesem Grunde wurde eine Legende entworfen, die mit Hilfe eines Journalisten glaubhaft gemacht wurde. Diese Legende bestand darin, dass dieses Interview im Auftrag der Zeitschrift ” Shifo-Info (shifo (usbekisch) Heilung, Erholung, medizinische Hilfe; shifokor = Arzt, Doktor, Heiler) durchgeführt wird und die Interviewpartnerin eine Redakteurin dieser Zeitschrift sei. Man stellte eine Veröffentlichung in Aussicht, die im Zusammenhang mit der Beantragung von Unterstützungsgeldern für Kliniken stehe. Trotz dieser erdachten Legende war es sehr schwierig, eine Genehmigung für das Interview zu erhalten und ohne die Unterstützung und Referenz verschiedener Personen und ihrer Ãœberzeugungskraft, wäre das Interview nicht zustande gekommen. Continue Reading →

Yigit kishiga etmish hunar oz – Für einen jungen Kerl sind siebzig Berufe dürftig.


Das bewegte Leben des 36-jährigen usbekischen Handelstreibenden Akmal.

(Ein Beitrag von Michael Angermann)

Gegen Ende der 1960er Jahre wird Akmal in einer Zeit des sowjetischen Wirtschaftsbooms in der Oasenstadt Osch, im Süden der heutigen Kirgisischen Republik, geboren. Der junge Usbeke ist gerade zehn Jahre alt, da ziehen bereits erste Quellwolken am Himmel der sowjetischen Zentralverwaltungswirtschaft auf. Der plangelenkte staatliche und genossenschaftliche Handel schafft es nicht, die stets kauflustige Bevölkerung zufrieden zu stellen. Der privatwirtschaftliche Kolchosmarkthandel und dessen Protagonisten springen zumeist mit selbst angebauten landwirtschaftlichen Köstlichkeiten ein, um aus Jungen wie Akmal kräftige Männer reifen zu lassen. Continue Reading →

Ashki Bulbuli Pomiri — Der Pamir und die Tränen der Nachtigall

Erinnerung an Prof. Dodkhudo Karamshoev (Khudo rahmati) von Thomas Loy

Als Dodkhudo, der Sohn von Karamsho, 1932 in dem kleinen, zwischen Rushan und Khorog gelegenen Bergdorf Bajuv zur Welt kam, da hatte die Zeit sich bereits gewendet. Tadschikistan war seit gut zwei Jahren eine “eigenständige” Sowjetrepublik und seine Regierung schickte sich an, die zu ihr gehörenden Teile des Pamirs an das Sowjetische Straßennetz anzuschließen. 1934 erreichten die ersten Fahrzeuge von Kirghistan aus die Gebietshauptstadt Khorogh und fünf Jahre später landeten die ersten Kleinflugzeuge auf dem Sowjetischen Dach der Welt. Continue Reading →

BLEKAUT – immer schön in Bewegung bleiben

(Ein Beitrag von Michael Angermann)

Es gibt ihn – den werktätigen Tadschiken in der Hauptstadt Tadschikistans, der nach einigen Jahren im russischen gastarbejter-Exil wieder zurück in der Heimat sein Brot verdient. Er steht früh am Morgen auf, fährt mit dem Oberleitungsbus zur Arbeit, verrichtet sie aufrichtig, nimmt eine warme gehaltvolle Mittagsmahlzeit ein und kommt am frühen Abend in seiner wohligen Neubauwohnung mit der Familie zusammen. Damit endet der Tag und es folgen noch zahlreiche Tage, dann ist auch schon der Winter nah und der erste Schnee ziert die Wipfel der Platanen auf dem Prachtboulevard der Hauptstadt – Duschanbe. Continue Reading →