Erdbeben in Jekundo

[inspic=679,,,0]Am Morgen des 14. April gab es ein Erdbeben in der Tibetischen Autonomen Präfektur Yushu (Jekundo) in der Provinz Qinghai. Inzwischen werden 2000 Todesopfer und 12.000 Verletzte gezählt. Zehntausende, so heißt es, sind obdachlos. Das Erdbeben der Stärke 7,1 hat den Nachrichten zufolge nahezu 90% der Häuser der Stadt Jekundo zerstört, über die Auswirkungen außerhalb der größeren Städte ist wenig bekannt. Jekundo ist eine nomadisch geprägte Region im Grenzgebiet der chinesischen Provinzen Qinghai, Sichuan und der Autonomen Region Tibet und die Infrastruktur ist überwiegend schlecht. Continue Reading →

Der einzige Lösungsweg für Afghanistan ist der Föderalismus…

In den letzten Tagen wurden auf bbc zwei für Afghanistan relevante Beiträge veröffentlicht, die nicht direkt mit Krieg und Zerstörung zu tun haben, sondern einen konstruktiven Ansatz zur Lösung der Dauerkrise anbieten.

Am Osterwochenende gab es eine Mitteilung, dass die Paschtunischen Stammesgebiete in Pakistan einen neuen Namen erhalten sollen. Die bisherige North-West-Frontier-Province (NWFP) soll laut einem Beschluss vom 31. März in Khyber Pakhtunkhwa umbenannt werden. Pakhtunkhwa (wörtl. Historisches Gebiet der Paschtunen) ist die literarische Variante des umstrittenen Begriffs Pashtunistan. Khyber verweist darauf, dass es sich um die paschtunischen Gebiete auf Pakistanischem Territorium handelt. Bei den Feierlichkeiten der National Awami National Partei (ANP), die diese seit langem geforderte Namensgebung begleiteten, kam es zu einem Selbstmordanschlag, bei dem ca. 50 Personen ums Leben kamen.

Beim zweiten Beitrag, der hier in einer deutschen Übersetzung und Zusammenfassung vorgelegt wird, handelt es sich um ein Interview mit dem Politiker Dr. Latif Pedram aus Afghanistan.

Auch dieses Interview, das in der bbc-persian-reihe “mit anderen Worten” (ba ‘ebarat-i digar) als Tondokument und als Text auf Dari veröffentlicht wurde, handelt von einer angestrebten Namensänderung. Gleichzeitig wirbt Dr. Pedram für einen politischen Systemwechsel in Afghanistan. Der Zentralstaat soll von einem föderalen System abgelöst werden. Sowohl der Namenswechsel als auch die föderale Lösung waren in Afghanistan bisher öffentlich weitgehend Tabuthemen. Continue Reading →

Nalaicher Kasachen oder Wie Nomaden im Bergwerk landeten


Ein Beitrag von Michael Angermann

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“1910: Beim Rindermistsammeln findet eine arme Frau neben einem Murmeltierhügel einen schwarzen Stein mit mürber Außenseite …”

Vor 100 Jahren wurde in der Kleinstadt Nalaich, die gut 40 Minuten Autofahrt südöstlich von Ulan-Bator entfernt ist, Kohle gefunden. Damit beginnt die Geschichte der Bergarbeiterstadt Nalaich. Anfänglich bauten chinesische Unternehmen die Kohle ab, bis der Bergbau nach der Gründung der Mongolischen Volksrepublik Anfang der 1930er Jahre verstaatlicht wurde. Der Plan sah große Abbaumengen für die Versorgung von Ulan-Bator vor, doch waren nicht genügend Arbeitskräfte vorhanden. Auf dem VIII. Parteitag der Mongolischen Revolutionären Volkspartei im Frühjahr 1930 kam man zu dem Ergebnis, insbesondere der Bevölkerung im Westen der Republik eine wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung zu ermöglichen. Offiziell wurde die “Anwerbung” von Arbeitskräften aus der Westmongolei mit fehlenden Arbeitskräften begründet. Continue Reading →

Von Stalin bis Rahmon. Der Kulturpalast der Urunhodschaev-Kolchose

Ein Text von Wladimir Sgibnev

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Etwa sechs Kilometer südöstlich des Stadtzentrums von Chudschand steht auf einer Anhöhe im Dorf Arbob zwischen Baumwollfeldern und Bauernhöfen ein riesiger bonbonfarbener Palast. Wie kommt dieses riesige Gebäude in diese ländliche Gegend im Norden Tadschikistans mit all seinen Kolonnen und Fontänen und mit dem massiven Alabasterschnitzwerk und den schweren Lüstern aus Kristall?

Bei diesem rosafarbenen Prachtbau handelt es sich um das 1957 erbaute Kulturhaus der Urunhodschaev-Kolchose. Mit diesem Namen ist auch das Gebäude untrennbar verbunden. Saidhodscha Urunhodschaev. Das Leben und Wirken dieses Mannes liest sich wie aus einem Musterkatalog für den idealen Sowjetbürger Zentralasiens. Continue Reading →

Publikation zur Dari-Literatur im 20. Jahrhundert

Vor kurzem erschien ein Buch, auf das die Tethys-Redaktion gerne alle an Afghanistan interessierten Leser aufmerksam machen möchte. Die Erzählprosa der Dari-Literatur in Afghanistan 1919-1978 von Dr. Sayed Hashmatullah Hossaini gibt einen einzigartigen Überblick über die bis zur sogenannten April-Revolution auf Dari publizierte Erzählprosa. Neben einer historischen und thematischen Einordnung dieser im Vergleich zur Dichtung jungen und auf europäische Vorbilder zurückgreifenden Entwicklung innerhalb der Afghanischen Literatur, findet man in diesem Werk Kurzcharakterisiken zahlreicher Autoren und ihrer Prosawerke.

Die schwierige Wasserkraftgeburt von Roghun

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Anfang Januar diesen Jahres wurde im Norden Tadschikistans die kleine Roghun geboren. Nichts außergewöhnliches möchte man meinen, würde das kleine Mädchen nicht nach einem Wasserkraftwerk benannt sein, das es erst noch zu bauen gilt.

Pläne für den Bau des Wasserkraftwerks Roghun mit der höchsten Staumauer der Welt (335 m) gibt es schon seit 1974. Der Bau der Staumauer begann 1987, doch mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde er vorerst auf Eis gelegt. 1993 spülte ein Hochwasser zudem noch große Teile der bisher errichteten Staumauer und Anlagen weg. 2004 gab es einen Versuch mit dem russischen Partner Rusal den Bau fertig zu stellen, aber drei Jahre später scheiterte die Zusammenarbeit, weil bei grundlegenden Fragen wie Dammhöhe und -typ keine Übereinkunft erreicht wurde. Das Nachbarland Usbekistan kritisiert heftig jegliche Baupläne, sieht es doch den Wasserstrom des Wachsch und in der Folge des Amu-Darja stark beeinträchtigt. Continue Reading →

Alle reden über die Taliban – aber kaum einer traut sich zu ihnen hin

Die Taliban oder “Neo-Taliban”, wie sie seit einiger Zeit in Wissenschaftskreisen genannt werden, erfreuen sich seit einiger Zeit großer publizistischer Aufmerksamkeit. Vom 26.-28. März findet in Bonn die wissenschaftliche Tagung “Wer sind die Taliban?” die gemeinsam von der Evangelischen Akademie des Rheinlands, der Aga (Arbeitsgemeinschaft Afghanistan) und dem Zentrum für Entwicklungsforschung ausgerichtet wird. Neben Thomas Ruttig, der über die Organisationsstruktur der Taliban sprechen wird, sind an den beiden Konferenztagen 20 weitere Vorträge zum Phänomen Taliban vorgesehen.

Es bleibt abzuwarten, wieviel neues wir in diesen Tagen über die/von den Taliban tatsächlich erfahren. Da es an Ansichten aus der Innenperspektive der Taliban seit jeher mangelt, wird wohl wieder vieles sehr spekulativ bleiben.

Auf der Seite von theunjustmedia.com, die sich zur Aufgabe gemacht haben, der westlichen Berichterstattung über Afghanistan den Blick der anderen Seite entgegenzusetzen, gibt es seit der derzeitigen Offensive namens “Mushtarak” eine interessante Einladung an (unabhängige) Berichterstatter zu lesen.

Da der Text auf der theunjustmedia-seite nicht leicht zu finden ist, gibt es den Aufruf noch einmal bei uns:

Invitation of the Islamic Emirate to (independent) Journalists to Visit Marjah Tuesday, 16 February 2010. Since the enemy have forced the international media through coercion and cash incentives to make partial reporting about (the current fighting) to make it possible to hide their shameful defeat in the Marjah area of Nad Ali district, Helmand province, therefore, the Islamic Emirate of Afghanistan requests all independent mass media outlets of the world to send their reporters to Marjah; see the situation with their own eyes and convey the facts to the public of the world. Such visit will portray the ground realities and will show who have the upper hand in the area; what are the facts and who control vast areas of Marjah? In fact, the invading forces have made no spectacular advancement since the beginning of the operations. They have descended from helicopters in limited areas of Marjah and now are under siege. The invaders are not able to come out of their ditches. Wherever they intend to move, they come under severe attacks of Mujahideen and face explosions of planted mines. Then they retreat hastily. The enemy troops have lost their morale. The local people are beholding the foreign troops crying loudly. If the coalition invading forces give permission to independent reporters, they will unearth many secrets.

Einladung des Islamischen Emirats an alle unabhängigen Journalisten: Besuchen sie Marjah! Da der Feind (die USA) die internationalen Medien durch Zwang und finanzielle Anreize zu einer teilweisen Berichterstattung über (die gegenwärtigen Kämpfe) zwingt, die es ermöglichen, ihre schändlichen Niederlage im Marjah Bereich, im Bezirk Nad Ali, der Provinz Helmand, zu verbergen, fordert das Islamische Emirat Afghanistans alle unabhängigen Massenmedien der Welt auf, ihre Reporter nach Marjah zu versenden. Sehen sie was vor sich geht mit ihren eigenen Augen und vermitteln sie dann die Fakten der Weltöffentlichkeit. Ein solcher Besuch wird den Boden der Realität darstellen und zeigen, wer die Oberhand in der Umgebung, und die Kontrolle über weite Gebiete Marjah hat? In der Tat haben die Invasoren (die westlichen Armeen) keine spektakulären Fortschritte seit Beginn der Operationen erzielt. Sie haben sich von Hubschraubern abgeseilt in einige Bereiche von Marjah und sind nun unter (unserer) Belagerung. Die Eindringlinge sind nicht in der Lage, aus ihren Gräben hervorzukommen. Überall dort, wo sie sich bewegen wollen, fallen sie unter den schweren Angriffen der Freiheitskämpfer (Mudschaheddin) und fallen durch die ausgelegten Minen. Dann ziehen sie sich hastig zurück. Die feindlichen Truppen haben ihre Moral verloren. Sehen die Bewohner Marjahs ausländischen Truppen, fangen sie an laut zu weinen. Wenn die Koalitionstruppen unabhängigen Journalisten die Erlaubnis zur Berichterstattung geben würden, könnten diese viele Geheimnisse ans Tageslicht bringen.

Wie wir erfahren haben, wird die Operation “Mushtarak” in Afghanistan auch Operation “Staub-aufwirbeln” genannt. Der Volksmund wird auch in Afghanistan immer zynischer, und hat Ähnlichkeiten mit dem Ton, den die Mujahedin in der oben abgedruckten Meldung anschlagen. So nennen die Afghanen die bewaffneten Gruppen, die mit den Amerikanern verbündet sind American Taleban.

Wie stabil ist Tadschikistan? Das politische Erbe des Bürgerkrieges und die Machtkämpfe der Eliten

Ein Beitrag von Tim Epkenhans (Freiburg) 

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Der Bürgerkrieg in Tadschikistan hat auch zwölf Jahre nach seinem Ende noch Auswirkungen auf die politischen Vorgänge im Land. Der autoritär regierende Präsident Rachmon präsentiert sich – immer weniger erfolgreich – als Stabilitätsgarant und (inzwischen auch alleiniger) Friedensstifter von damals. Politische Gegner und ehemalige Partner werden ausgeschaltet. Der vorliegende Beitrag zieht die machtpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre nach und stellt die Frage nach den Perspektiven des Staates wie der derzeitigen Politik der Eliten.

Als Anfang Oktober eine Vertreterin der tadschikischen Zivilgesellschaft im Rahmen einer Tadschikistan-Konferenz bemerkte, dass Tadschikistan nach wie vor das liberalste und stabilste der »persophonen« Staaten (neben Afghanistan und Iran) sei, zeigten sich zahlreiche Zuhörer überrascht, widerspricht diese Einschätzung doch der verbreiteten Auffassung, dass Tadschikistan der fragilste und instabilste Staat der Großregion sei. Insbesondere Berichte der International Crisis Group unterstellen regelmäßig, dass sich das zentralasiatische Land unmittelbar am Rande eines Staatszerfalls befände.

Offenbar greift diese Analyse der vermeintlichen Fragilität und Instabilität Tadschikistans aber zu kurz. Trotz gravierender sozialer, wirtschaftlicher und politischer Probleme konnte sich das Regime Emomali Rachmons in den vergangenen Jahren behaupten und seine Position festigen. Diese Konsolidierung erfolgte insbesondere durch Ausschaltung ehemaliger Alliierter und Rivalen, die Monopolisierung der politischen Deutungshoheit sowie eine – für das Regime – vorteilhafte geopolitische und wirtschaftliche Gesamtsituation. Die zunehmende Stabilität des Regimes schuf jedoch keineswegs Rahmenbedingungen für eine politische Transformation Tadschikistans nach einem liberal-demokratischen Muster, sondern verfestigte autokratisch-patriarchalische Herrschaftsmuster. Diese erwiesen sich als weitaus flexibler und belastbarer, als Beobachter erwartet haben. Die wirtschaftliche und politische Marginalisierung weiter Teile der Bevölkerung sowie das exklusive Verständnis von Stabilität und Sicherheit seitens der herrschenden Elite sind jedoch mittel- und langfristig Faktoren, die Tadschikistans Zukunft negativ bestimmen werden.
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Alle reden über Afghanistan, doch nur wenige gescheit

In Leipzig gibt es seit kurzem ein Internet Radio, Detektor fm, dass ich regelmäßig und gerne höre. Auch dieses Radio widmete sich in den letzten Tagen Afghanistan als Thema und bewies dabei in der Auswahl seiner Gesprächspartner ein außergewöhlich gutes Händchen. Denn sie haben Conrad Schetter interviewt. Und Conrad Schetter versteht es gut, Inhalte auf den Punkt zu bringen und tut dabei so, als plaudere er mit einem Studie auf dem Gang. Na, da kann ich nur sagen: Unbedingt anhören!!!

Hier gehts zum Artikel und zur Audiodatei.


Eine Reise in die Tadschikische SSR der frühen 1930er Jahre – Joshua Kunitz: “Dawn over Samarkand”

ein Beitrag von Thomas Loy

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Beim Stöbern in der Zentralasien-Bibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin fiel mir kürzlich ein in gelblich-braunes Leinen gebundenes Buch mit dem markanten und in auffälligem rot abgesetzten Titel “Dawn over Samarkand” auf. Sein Autor ein gewisser Joshua Kunitz. Als ich das Buch öffnete verriet ein Stempel im Inneren, dass es aus der Privatsammlung des bekannten Iranisten Heinrich F. J. Junker (1889-1970) stammt. Dieser hatte darin zahlreiche Stellen feinsäuberlich mit verschiedenfarbigen Buntstiften markiert. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass in dem Werk mehr stecken könnte als “nur” ein Leckerbissen für bibliophile Liebhaber frühsowjetischer Reiseliteratur?

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